Deutsch-Türkischer Masterstudiengang

Güna­ydın, Frau Anwältin!

von Nina Anika KlotzLesedauer: 4 Minuten
Ben bir avukatım. Das war: Türkisch. Und das heißt: Ich bin Anwalt. Genauer noch sollte es bald heißen: Ich bin Anwalt für deutsches, türkisches und internationales Wirtschaftsrecht, LL.M. Genau das können in etwa einem Jahr gut 20 junge Anwälte aus Deutschland und der Türkei von sich behaupten.

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Obwohl die Türkei und Deutschland enge wirtschaftliche Beziehungen unterhalten, obwohl Köfte ebenso zur deutschen Fastfood-Landschaft gehören wie die Leberkas-Semmel und obwohl die meisten Jura-Studierenden mit Migrationshintergrund türkischer Abstammung sind, gab es bisher kein Angebot für junge Anwälte, ihr Fachwissen auf dem Gebiet der vergleichenden Rechtslehre zwischen diesen beiden Ländern zu vertiefen. Das wird sich am 23. September dieses Jahres ändern. Denn dann wird der Masterstudiengang* "Deutsches, türkisches und internationales Wirtschaftsrecht" an den Start gehen, ein Gemeinschaftsangebot der Ruhr-Universität Bochum und der Kültür Universität Istanbul. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 31. Juli. Unbedingt zu erfüllende Auswahlkriterien sind ein bestandenes erstes Staatsexamen oder ein erfolgreich abgeschlossenes Master- oder Diplomstudium mit einem wirtschaftsrechtlichen Schwerpunkt und Zweisprachigkeit: Die Bewerber müssen sowohl Deutsch als auch Türkisch verstehen und sprechen. "Durch diese beiden Eignungskriterien ist die Zahl der potentiellen Bewerberinnen und Bewerber von vorneherein relativ klein, was die Chance auf Zulassung und Stipendium im Vergleich zu qualitativ vergleichbaren Angeboten substanziell erhöht", so Prof. Dr. Wolfram Cremer, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Ruhr-Universität Bochum und Wissenschaftlicher Leiter des LL.M.-Programms. "Insgesamt gibt es bis zu 30 Plätze. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden sowohl aus Deutschland als auch aus der Türkei kommen, wobei wir voraussichtlich mit einem größeren Anteil deutscher Absolventen starten werden."

Bewerbungsfrist bis 31. Juli

Professor Cremer ermutigt interessierte Jura-Absolventen mit türkischem Familienhintergrund, sich jetzt noch zeitnah für den ersten Durchgang zu bewerben, wenn sie die genannten zwei Grundvoraussetzungen erfüllen. "Bei der Auswahl schauen wir zwar natürlich auf die Noten, aber auch soziales Engagement, Praktika und sonstige Aktivitäten neben dem Jurastudium sind für uns sehr interessant." Die Studiengebühr von 5.000 Euro für das 13-monatige Studium muss ebenfalls niemanden abschrecken: Die Mercator-Stiftung stellt engagierten und couragierten Kandidaten Vollstipendien in Aussicht. Die einzigen Kosten, die dann noch anfielen wären die für Kost und Logis – in Istanbul. "Der Unterricht findet ausschließlich in Istanbul an der Kültür Universität statt", so Professor Cremer. "Wir glauben nämlich, dass es für unsere Studierenden, die später im Bereich der deutsch-türkischen Beziehungen in verschiedenen Unternehmen unterwegs sein wollen, wichtig ist, ein paar Monate in der Türkei gewesen zu sein, um dort Kontakte aufbauen zu können. Zudem sind bei vielen Kandidaten die Deutschkenntnisse bisher besser als die Türkischkenntnisse und auch das könnte sich auf diesem Wege ändern." "Wirtschaftsrecht steht zwar im Zentrum des Programms, weil das im Hinblick auf die spätere Berufswahl sicherlich das relevanteste Feld ist", so Cremer. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch über staatliche Grundlagen sprechen und zudem rechtsvergleichend unterrichten. Viele der Dozenten, gerade diejenigen aus der Türkei, kennen sowohl das deutsche als auch das türkische Recht grundlegend, weil sie in beiden Ländern studiert bzw. promoviert haben." Nach einem ersten Unterrichtsblock von drei Monaten findet ein dreimonatiges Praktikum statt. Ob die Studierenden dieses in Deutschland oder der Türkei absolvieren wollen, sei ihnen freigestellt, allerdings, so Cremer, wäre es durchaus im Sinne der Gründer, dass die türkischen Studis in Deutschland, die deutschen in der Türkei arbeiteten. Stichworte hier ebenfalls: Netzwerk und Sprachkenntnis. Nach einem letzten Unterrichtsblock haben die Teilnehmer des Programms vier Monate Zeit, ihre Masterarbeit zu schreiben. Sollte diese den Anforderungen genügen, dürfen sie sich dann gleich über zwei anerkannte Abschlüsse freuen, einen deutschen Master der Ruhr-Universität (LL.M. Bochum) und einen türkischen Master in Zivilrecht.

Abschluss mit zwei Master-Titeln

Und mit diesen beiden Abschlüssen in der Tasche kann man einiges anfangen, das zumindest glaubt Professor Cremer: "In diesem Programm wollen wir junge Juristinnen und Juristen ausbilden, die später für Unternehmen arbeiten, die Töchter in der Türkei haben oder zumindest enge wirtschaftliche Beziehungen in die Türkei unterhalten. Oder umgekehrt bei türkischen Unternehmen arbeiten, die mit deutschen Unternehmen zusammenarbeiten. Außerdem sehen wir gute Beschäftigungsmöglichkeiten in Kanzleien, die entsprechend orientiert sind. Wir haben jetzt schon Kontakt zu Anwälten, die Interesse an unseren künftigen Absolventen signalisiert haben." Zwar gäbe es in Deutschland bereit einige Anwälte, die sich als "Türk Avukat" bezeichnen, schon allein um auf ihre Sprachkenntnisse und Abstammung hinzuweisen und so für einige Klienten interessanter zu wirken, aber im Gegensatz zu den beiden Master-Degrees ist das freilich kein anerkannter oder belastbarer Titel. Nicht zuletzt sieht Cremer auch Chancen für türkischsprachige und entsprechend ausgebildete Anwälte in der Verwaltung, in den mehr und mehr aufgebauten Integrationsministerien der Länder etwa. Egal, wo es die ersten Absolventen des neuen Aufbaustudiums hin verschlägt, überall werden sie mit Stolz sagen können: Ben bir avukatım. Ich bin Anwalt. Auf deutsch und auf türkisch. Anm. d. Red. v. 13.05.2013: Hier stand zunächst irrtümlich, dass dies der erste Masterstudiengang dieser Art gewesen sei. Tatsächlich startete die Universität Köln bereits im Wintersemester 2010/2011 mit einem ähnlichen Angebot. Mehr auf LTO.de: Referendariat in einer Botschaft: Fremdsprachen und Flexibilität sind gefragt Grenzüberschreitende Juristenausbildung: Deutsches Recht macht Schule Bachelor-Studiengang "Good Governance": Jura, aber anders

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