Coronavirus

Jura-Klau­suren aus dem Home­of­fice

von Marcel SchneiderLesedauer: 3 Minuten

Weil die Hochschulen dicht sind, lässt die Bucerius Law School ihre Studenten Klausuren von zuhause aus schreiben. Weil es dabei zu Täuschungsversuchen gekommen ist, werden die Prüflinge nun videoüberwacht.

Das Coronavirus zwingt das öffentliche Leben in die Knie, mittlerweile sind auch die Hochschulen geschlossen. Nur: Das nächste Semester wartet nicht. Die Bucerius Law School (BLS) in Hamburg hat es ihren Jurastudenten deshalb kurzfristig ermöglicht, Klausuren aus dem Homeoffice zu schreiben. Gleich zum Wochenanfang ging es los, Strafrecht stand auf dem Plan.

Wie sich noch im Laufe des Montags herausstellte, kursierte und verbreitete sich während der Bearbeitungszeit eine Lösungsskizze der Klausur im Internet. Die BLS-Verantwortlichen werteten das als Täuschungsversuch und entschieden, alle Klausuren nicht bewerten zu lassen. 

Laut einer internen Rundmail, die LTO vorliegt, werden die Prüflinge beim Klausurenschreiben von zuhause aus deshalb ab jetzt videoüberwacht. Sie müssen sich dazu während der Bearbeitungszeit zum Beispiel per Webcam oder Smartphone filmen und die Aufnahmen mittels Videokonferenz-Tool übertragen. Die Aufsichtspersonen können so nachverfolgen, ob der Prüfling am Platz sitzt.

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Homeoffice-Klausuren: Tolles Angebot oder bloß "Aktionismus"?

Meinhard Weizmann, Geschäftsführer der BLS, bestätigte die Echtheit der Rundmail auf Anfrage. "Wir wissen nicht, wie viele Prüflinge von der Lösungsskizze Gebrauch gemacht haben. Nach Rücksprache mit der Studierendenvertretung haben wir uns entschlossen, die Prüfung nachträglich abzubrechen."

Weizmann betont, dass die Homeoffice-Klausuren ein Angebot im Interesse der BLS-Jurastudenten seien. Das Coronavirus habe den Prüfbetrieb ausgerechnet kurz vor Beginn der Klausurenphase beeinträchtigt. "Die Möglichkeit, Klausuren von zuhause zu schreiben, kann den Studierenden Zeit sparen. Denn aktuell wissen wir nicht, wann Hochschulen wieder öffnen können." 

Er betont ausdrücklich, "dass die BLS eine Opt-Out-Möglichkeit anbietet. Wem es nicht behagt, sich bei der Klausur zu filmen – und das können wir gut nachvollziehen –, der kann die Klausuren nach Wiedereröffnung der Hochschule vor Ort nachholen". Bei der Homeoffice-Klausur am Mittwoch im Öffentlichen Recht hätten aber nur acht von 98 Teilnehmern die Opt-Out-Option genutzt, so Weizmann.

Klausurteilnehmer haben indes nicht nur datenschutz- und prüfungsrechtliche Bedenken. Sie kritisieren gegenüber LTO anonym vor allem: "Es wird nur geprüft, ob der Student vor dem Rechner sitzt." Das, was auf dem Bildschirm passiert, werde nicht beobachtet. Zwar sei es verboten, zum Beispiel juristische Online-Datenbanken während der Bearbeitungszeit aufzurufen. Das könne aber niemand kontrollieren – ebenso wenig wie die Kommunikation der Klausurteilnehmer untereinander. So war offenbar auch am Mittwoch zumindest zeitweise während der Bearbeitungszeit eine Lösungsskizze zur Klausur im Öffentlichen Recht im Internet auffindbar gewesen. Der "Aktionismus der Hochschulleitung" gehöre gestoppt, teilten sie gegenüber LTO mit.

Weizmann erklärte dazu gegenüber LTO: "Uns ist bewusst, dass dabei keine hundertprozentige Kontrolle möglich sein kann."

Homeoffice-Klausuren erlaubt, Überwachung kritisch zu sehen

Unabhängig von der Frage, ob Homeoffice-Klausuren praktikabel sind, spielen auch rechtliche Aspekte eine Rolle. Zum Beispiel, ob das Klausurenschreiben von zuhause überhaupt zulässig ist.

Weizmann sagt dazu: "Das Landesjustizprüfungsamt Hamburg hat uns gestattet, unseren Studenten dieses Angebot zu machen." Grünes Licht von der Behörde habe es vor allem deshalb so kurzfristig gegeben, weil die BLS mit "der etablierten Prüfungs-Software Wiseflow arbeitet." Die Anwendung eines dänischen Herstellers werde schon lange und weltweit in verschiedenen Fachbereichen eingesetzt, um Online-Klausuren zu ermöglichen. Universitätsinterne Klausuren von zuhause aus schreiben zu lassen, scheint damit zumindest in Hamburg unproblematisch zu sein.

Anders sieht es mit der Videoüberwachung der Prüflinge in deren eigenen vier Wänden während der Bearbeitungszeit aus. "Zwar kann die Abwendung von Betrugsversuchen in Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie durchaus ein berechtigtes Interesse der Hochschule darstellen, um allen Studierenden dieselben Prüfungsvoraussetzungen zu ermöglichen", sagt Maria Fetzer. Nach Einschätzung der Datenschutzrechtlerin der Leipziger Kanzlei Spirit Legal scheitert das Vorliegen gleicher Prüfungsbedingungen jedoch bereits an dem Umstand, dass in der Regel schon gar nicht alle Studenten über dieselben technischen Voraussetzungen verfügen.

Wegen möglicher milderer Maßnahmen, wie zum Beispiel der Prüfungsverlegung, liegt in solchen Fällen laut Fetzer in der Regel wohl auch "kein überwiegendes Interesse der Hochschule gegenüber dem Interesse der Studierenden vor, in ihren Privatwohnungen keiner Videoüberwachung ausgesetzt zu sein". Auch eine wirksame Einwilligung der Studenten scheitere in solchen Fällen häufig daran, dass es an der notwendigen Freiwilligkeit mangelt: Immerhin sei die Teilnahmeberechtigung für solche Angebote in der Regel fest daran gekoppelt, dass die Teilnehmer Aufnahmen von sich zwecks Überwachung übertragen.

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