Die juristische Presseschau vom 29. April 2016: Sozial­leis­tungen für EU-Bürger/ BVerwG zu Dublin III/ Kachel­mann gegen Bild

29.04.2016

Andrea Nahles (SPD) will Sozialleistungen für EU-Bürger einschränken. Außerdem in der Presseschau: Reform des Sexualstrafrechts, Abschaffung von § 103 StGB und warum der Staat Polizisten kein Viagra zahlen muss.

Thema des Tages

Sozialleistungen EU-Bürger: Bundesarbeitsministerium Andrea Nahles (SPD) plant eine Einschränkung von Sozialleistungen für EU-Bürger. Die Ministerin hat einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben, wonach arbeitsuchende Unionsbürger, die in Deutschland noch nicht erwerbstätig waren, erst nach fünf Jahren Aufenthalt einen Anspruch auf Sozialleistungen erlangen sollen. Unter anderem die SZ (Thomas Öchsner/Robert Rossmann), die taz (Christian Rath), die Welt (Stefan von Borstel/Marcel Leubecher), das Hbl (Frank Specht) und zeit.de (Julia Gundlach u.a.) erläutern das Reformvorhaben.

Hintergrund der geplanten Änderung sind mehrere Urteile des Bundessozialgerichts vom vergangenen Herbst. Das Gericht hatte entschieden, dass Unionsbürger zwar kein ALG II beziehen können, wenn sie in Deutschland noch nicht gearbeitet haben. Ihnen steht aber ein Anspruch auf Sozialhilfe zu, wenn sich ihr Aufenthalt in Deutschland verfestigt hat. Dies sei in der Regel nach sechs Monaten der Fall. Hier setzt nun der Gesetzentwurf an und bestimmt, dass die Verfestigung erst nach fünf Jahren Aufenthalt eintreten soll.

Joachim Jahn (FAZ) hofft, dass das Gesetz von obersten Gerichten nicht für menschenrechtswidrig erklärt wird. Daniel Bax (taz) sieht in dem Vorstoß einen allgemeinen Trend, das Freizügigkeitsrecht zu beschneiden. Jasper von Altenbockum (FAZ) meint dagegen, die Reform untermauere den Sinn der Freizügigkeit, weil sie Fehlanreize beseitigt.

Rechtspolitik

Sexualstrafrecht: Zahlreiche Bundestagsabgeordnete haben den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Reform der Sexualdelikte als nicht weitgehend genug kritisiert. Zu bemängeln sei, dass weiterhin nicht der Wille des Opfers, sondern die Ausnutzung äußerer Umstände maßgeblich sei. Maas habe sich für weitere Strafverschärfungen offen gezeigt. Die einzelnen Reaktionen fassen unter anderem die SZ (Constanze von Bullion), die taz (Simone Schmollack) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof) zusammen.

Constanze von Bullion (SZ) findet die Kritik richtig: "Nein heißt Nein – das ist kein platter Spruch, sondern sollte selbstverständlich sein. Jede sexuelle Handlung ohne Einvernehmen gehört bestraft."

Majestätsbeleidigung: Das Bundesjustizministerium hat nun den angekündigten Gesetzentwurf zur Streichung des § 103 StGB vorgelegt, berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Der Ehrenschutz ausländischer Repräsentanten werde durch die einfachen Beleidigungsdelikte gewährleistet, sodass es der erhöhten Strafandrohung nicht bedürfe. Ferner soll die Strafverfolgungsermächtigung bei Delikten wie "Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten" oder Angriffen gegen deren Organe und Vertreter abgeschafft werden.

Christian Bommarius (BerlZ) begrüßt die geplante Abschaffung: "der deutsche Staat ist nicht für die Ansichten seiner Bürger verantwortlich, auch nicht für die Wortwahl beim Äußern dieser Ansichten."

Deutscher Richterbund: Die FAZ (Reinhard Müller) spricht sowohl mit dem scheidenden Verbandsvertreter des Deutschen Richterbundes Christoph Frank, als auch mit dessen Nachfolger Jens Gnisa. Während Frank sich für die Selbstverwaltung der Justiz stark gemacht habe, wolle Gnisa "Probleme der Praxis etwa mit den Prozessordnungen zur Sprachen bringen".

Bild- und Tonaufnahmen im Gerichtssaal: Nun stellt auch die SZ (Robert Rossmann) den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen aus Gerichtssälen vor. Neben der bereits vorgenommenen Einschränkung auf die fünf Bundesgerichte, soll die Übertragung nur noch mit Zustimmung des Vorsitzenden Richters möglich sein.

Bauvertragsrecht: Rechtsanwalt Oliver Kerpen erklärt auf lto.de die Änderungsvorschläge des Bundesrats zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bauvertragsrecht und der kaufrechtlicher Mängelhaftung, die reformiert werden sollen. Im Bauvertragsrecht soll auf Vorschlag des Bundesrats das Anordnungsrecht des Bauherrn abgeändert werden. Daneben empfiehlt er die Stärkung von Verbraucherrechten sowie eine Modifikation der Kündigungsfolgen im allgemeinen Werkvertragsrecht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. April 2016: Sozialleistungen für EU-Bürger/ BVerwG zu Dublin III/ Kachelmann gegen Bild . In: Legal Tribune Online, 29.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19252/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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