Die juristische Presseschau vom 28. März 2017: Amri-Gut­achten ver­öf­f­ent­licht / Flücht­ling gibt auf / War­nung vor tür­ki­schem Geheim­di­enst

28.03.2017

Der Sonderermittler zum Fall Amri sieht keine wesentlichen Versäumnisse der NRW-Behörden. Außerdem in der Presseschau: Flüchtling gibt Rechtsstreit mit Facebook auf und deutsche Behörden warnen vermeintliche Gülen-Anhänger.

Thema des Tages

Gutachten zum Fall Amri: Der von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens eingesetzte Sonderermittler Bernhard Kretschmer, der in Gießen Strafrecht lehrt, hat sein Gutachten zum Verhalten der nordrhein-westfälischen Behörden im Fall Anis Amri vorgestellt. Wesentliche Versäumnisse habe er nicht entdeckt. Fehler seien allenfalls bei den Behörden in Berlin oder beim Bundesgeneralanwalt gemacht worden, so der Strafrechtler. Die Union bezweifelt die Unabhängigkeit des Gutachters, der mit dem Land NRW über einen Wechsel an die Universität Bielefeld verhandele. Das Gutachten und die Diskussion stellen die FAZ (Reiner Burger) und die taz (Sabine am Orde) vor.

Reinhard Müller (FAZ) hält das Ergebnis, zu dem der "sorgsam ausgewählte Gutachter" kommt, für nicht überraschend. Es gebe jedoch eine "politische Verantwortung, die jenseits von vertretbaren juristischen Ermessensentscheidungen liegt".

Die Welt (Florian Flade) zeichnet nach, was das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt über den späteren Attentäter wusste. focus.de weist auf brisante Stellen aus dem am Wochenende bekannt gewordenen LKA-Bericht hin.

Rechtspolitik

Autonomes Fahren: Der Automobilhersteller BMW und die Allianz befürworten eine Beibehaltung der Fahrzeughalterhaftung auch bei Unfällen mit autonom fahrenden Autos. Eine Haftung des Herstellers lehnen die Unternehmen ab, so die SZ (Herbert Fromme).

Heribert Prantl (SZ) meint, dass damit die Haftung auf Halter und Fahrer abgewälzt werde. Die Hersteller würden eine Gefahrenquelle schaffen und müssten daher auch haften.

Internetkriminalität: Der Deutsche Richterbund kritisiert nach einer Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt) die geplante Vorabbeteiligung von Gerichten bei Bußgeldern gegen Internetkonzerne. Nach dem Gesetzentwurf sollen Gerichte die Rechtswidrigkeit eines Beitrags feststellen, bevor ein Bußgeld verhängt wird. Rechtsprofessor Alexander Peukert meint auf cicero.de, dass dadurch ein Sonderverfahren etabliert werde, das den Zweck habe, den Kampf gegen Internetkriminalität aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Er kritisiert außerdem die unklaren Begriffe im Gesetzentwurf und die sieht die Gefahr von Zensur.

Verfassungsfeindliche Parteien: Im Podcast von lto.de (Michael Reissenberger) nimmt der Parteirechtler Martin Morlok Stellung zu den aktuellen Plänen, verfassungsfeindlichen Parteien die Finanzierung zu entziehen. Trotz "kontraproduktiver Momente" begrüßt Morlok ein solches Vorgehen. Ein Verfahren mit dem Bundesverwaltungsgericht in erster Instanz sei bei einer entsprechenden Verfassungsänderung zwar möglich, berge jedoch die Gefahr, dass häufig zu dem Instrument gegriffen werde. Das Erstarken der AfD sieht er als Ausdruck eines funktionierenden Parteiensystems.

Strafverteidiger gegen Ausweitung von Strafen: In seiner Abschlusserklärung hat sich der 41. Strafverteidigertag, der in Bremen stattgefunden hat, für ein liberales Strafrecht und gegen Forderungen nach einer Ausweitung von Straftatbeständen positioniert. Strafe sei kein Mittel zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme. lto.de (Tanja Podolski) berichtet. spiegel.de weist auf die Forderung nach einer Abschaffung des Mord-Paragrafen hin, die jedoch keine Aussicht auf Umsetzung habe. nebgen.blogspot.de (Christoph Nebgen) bemängelt, dass die Diskussionen des Strafverteidigertages zu wenig mit dem Titel "Schrei nach Strafe" zu tun gehabt hätten und zu wenig kontrovers gewesen seien.

Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne: Bundesjustizminister Heiko Maas will möglicherweise, dass die Gewinne von insolvenzbedrohten Unternehmen wieder von der Steuer befreit werden. Das geht aus einem dem Hbl (Heike Anger) vorliegenden Manuskript für eine Rede hervor, die Maas am Donnerstag beim Insolvenzrechtstag halten will.

Urheberrechts-Richtlinie: Nach der geplanten Reform der Urheberrechts-Richtlinie sollen Website-Anbieter verpflichtet werden, hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen. In einem Gastbeitrag auf netzpolitik.org kritisiert Joe McNamee, geschäftsführender Direktor der Nichtregierungsorganisation European Digital Rights, die Pläne als Aufbau einer "gefährlichen Zensurmaschine".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. März 2017: Amri-Gutachten veröffentlicht / Flüchtling gibt auf / Warnung vor türkischem Geheimdienst . In: Legal Tribune Online, 28.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22492/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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