Kein Aprilscherz: Am 01.04. tritt die neuerlassene Straßenverkehrsordnung in Kraft und gibt sich geschlechtsneutral. Weibliche Polizisten kennt sie aber nicht. Außerdem in der Presseschau: Der Aufruhr um Pressesitze beim NSU-Prozess hält an, der Aufruf zum Schottern ist strafbar, Thomas Fischer zum Deal-Urteil und die Frage: Kann ich meinen Chef gefahrlos einen Wichser nennen?
Neue Straßenverkehrsordnung: Zum Neuerlass der Straßenverkehrsordnung (StVO) am 1. April dieses Jahres sind nicht nur einige Schilder abgeschafft, sondern vor allem geschlechtsneutrale Formulierungen eingeführt worden. So gebe es keine "Fußgänger" mehr, sondern "zu Fuß Gehende" und "Fahrende von Rollstühlen" statt "Rollstuhlfahrer", wie die SZ (Daniela Kuhr) berichtet. Nur an einer Stelle gebe es noch die "Weisung von Polizisten".
Weitere Themen – Rechtspolitik
Bundesrat und eingetragene Lebenspartnerschaften: Wie lto.de knapp meldet, sieht ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor, die eingetragene Lebenspartnerschaft einkommenssteuerrechtlich der Ehe gleichzustellen und das sogenannte Ehegattensplitting zu gewähren.
Gehaltsbreme im laufenden Vertrag?: Mit Blick auf die Bemühungen um "Gehaltsbremsen" seitens der EU-Kommission und Deutschland befasst sich auf der Recht und Steuer-Seite der FAZ der Rechtsanwalt Guido Zeppenfeld umfassend mit der Frage der "arbeitsrechtlichen Umsetzbarkeit" möglicher Vorschriften. Rechtlich unproblematisch sei eine Umsetzung in Neuverträgen oder im Einvernehmen mit Mitarbeitern. Die Begrenzung bestehender Vereinbarungen etwa mit "Angestellten unterhalb der Organebene" könnte unter Umständen mit Änderungskündigungen angepasst werden. Dafür fordere das Bundesarbeitsgericht indes regelmäßig eine "existenzgefährdende Situation" für das Unternehmen.
Bestandsdatenauskunft: Für zeit.de befasst sich Kai Biermann noch einmal ausführlich mit den neuen Regelungen zur Bestandsdatenauskunft.
Weitere Themen – Justiz
Akkreditierung für NSU-Prozess: Die Aufregung um das Presse-Akkreditierungsverfahren für den vor dem Oberlandesgericht München bald beginnenden NSU-Prozess hält weiter an, wie etwa spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet. Von den 50 festen Pressesitzplätzen war kein einziger einem ausländischen Medium zugewiesen worden, obwohl acht der NSU-Opfer türkischstämmige Migranten seien. Einige deutsche Pressevertreter hätten bereits eine Sitzteilung angeboten. Die Zulässigkeit prüfe das OLG noch. Eine Videoübertragung in einen zweiten Sitzungssaal scheide, so das Gericht, nach § 169 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) aus.
Die SZ (Hans Holzhaider) widmet dem Thema eine Seite und erklärt, es sei "eindeutige Rechtsprechung", dass der Zugang nur nach den "räumlichen Möglichkeiten" gewährt werden muss. Gibt es Akkreditierungsverfahren, liefen diese meist nach der Reihenfolge des Eingangs ab, wie in München. Für große Prozesse seien aber auch, wie im Fall Kachelmann, kreative Lösungen gefunden worden. So können im Vergabeverfahren vorab "Töpfe" etwa für die ausländische Presse gebildet werden.
Separat befasst sich Heribert Prantl (SZ) mit der Möglichkeit der Videoübertragung: Der § 169 GVG untersage die Übertragung in einen anderen Sitzungssaal nicht. Eine solche Vorführung wäre "strikt gerichtsöffentlich" und nicht eine von der Vorschrift untersagte "öffentliche Vorführung". Die Strafjustiz solle ihre Angst vor der Öffentlichkeit aufgeben: In Karlsruhe würden Urteile eher wegen zu wenig, nicht zu viel Öffentlichkeit aufgehoben, so Prantl weiter.
"Karlsruhe wird's wissen", meint Christian Rath (taz): Eine Übertragung innerhalb des Gerichtsgebäude ist zulässig. Das Bundesverfassungsgericht übertrage schon lange den Verhandlungston in einen separaten Raum für Journalisten. Formal mag in München ja alles korrekt gelaufen sein, "clever" wäre es nun aber, so Rath, ein Arbeitsraum für die Journalisten einzurichten.
BVerfG zu Deals: Unter dem Titel "Der Deal zerstört das Recht" kommentiert Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, in der bereits heute erschienen Zeit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus der vergangenen Woche. "Die Geschichte der Absprache ist, vor allen Dingen, eine Schande der Juristen", der Deal "nichts anderes als das Resultat unentschiedener Machtfragen". Dass das BVerfG Richter und Staatsanwälte "ernsthaft ermahne", sich an die Gesetze zu halten, sieht Fischer als "beispiellose Demaskierung gravierender Missstände in der Justiz".
Für die Welt erläutert Thorsten Jungholt noch einmal ausführlich die Leitsätze der Entscheidung und stellt das parlamentarische Rästelraten darüber dar, wie nun illegale Deals zu unterbinden sind: Eine Abschaffung des Deals etwa, wie es Rechtspolitiker von FDP und Linke vorschlagen? Jerzy Montag, Rechtpolitiker der Günen, verweise dagegen auf die Konferenz der Landesjustizminister und Generalstaatsanwälte, die den Staatsanwälten "klare Vorgaben" machen müssten.
BGH zu Kachelmann-Berichterstattung: Mit Blick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Medienberichterstattung über Jörg Kachelmann vom vergangenen Dienstag weist der Rechtsanwalt Roger Mann auf der Recht und Steuer-Seite der FAZ auf eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts hin: Die "Saalöffentlichkeit" entspreche gerade nicht der "Medienöffentlichkeit". Damit seien auch strafgerichtliche Anonymisierungsanordnungen als verfassungsmäßig vom BVerfG bestätigt worden. Auch wenn eine solche Anordnung im Fall Kachelmann "wenig sinnvoll" gewesen wäre, führe das Urteil des BGH wohl zur häufigeren Anwendung. Das Gericht habe die Wiedergabe intimer Details als zwar ursprünglich rechtswidrig, nach der Verlesung in der richterlichen Hauptverhandlung, aber als erlaubt beurteilt.
BAG zu Sozialabfindung für Ältere: Wie lto.de meldet, hat das Bundesarbeitsgericht am Dienstag entschieden, dass bei Sozialplanabfindungen für "rentennahe Arbeitnehmer" "nur deren bis zum vorzeitigen Renteneintritt entstehenden wirtschaftlichen Nachteile" nach einer speziellen Berechnungsformel ausgeglichen werden können. Im konkreten Fall war das zahlbare Arbeitslosengeld bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente mit eingerechnet worden. Die Abweichung von der Standardformel sei zulässig.
EuGH – Inhalt Lizenzangebote: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, "welchen Inhalt ein Lizenzangebot haben muss, damit der Patentinhaber es nicht ablehnen darf". Die Anforderungen würden zwischen Deutschland, anderen EU-Mitgliedstaaten sowie der Kommission unterschiedlich streng gesehen. Anette Gärtner, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz, erläutert für lto.de die in der deutschen Rechtsprechung entwickelten Vorgaben. 2004 habe der Bundesgerichtshof geurteilt, einem Lizenzsucher könne bei "standardessentiellen Patenten" eine Lizenz zu "fairen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (FRAND)" zustehen. Dazu müsse er sich aber, so der BGH im Jahr 2009, wie ein "ordentlicher Lizenznehmer" verhalten und ein bestimmtes Angebot machen.
OLG Celle zu Schotter-Aufruf: Das Oberlandesgericht Celle hat ein Urteil des Amtsgerichts Lüneburg bestätigt, wonach sich der Unterzeichner einer Liste für eine "Schotter-Aktion" gegen einen Castortransport mit seiner Unterschrift strafbar gemacht habe. Wie der Lawblog (Udo Vetter) berichtet, habe der Mann in strafbarer Weise öffentlich zu einer Straftat, dem Schottern, aufgerufen. Dies bezeichnet die Entfernung der Schottersteine auf dem Gleisbett, um so einen Transport zu verzögern.
LAG Düsseldorf zu Mobbing-Klage: Auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht ist die Klage einer Ökonomin gegen die Stadt Solingen wegen "systematischen Mobbings" gescheitert. Wie u.a. spiegel.de berichtet, hätte sie nach Ansicht des Gerichts die Vorwürfe nicht nachweisen können. Die Klage war vor allem wegen der hohen Schmerzensgeld-Forderung von 900.000 Euro bekannt geworden.
Verfahrenseinstellung bei Wulff?: Die Welt (Ulrich Exner) widmet dem Angebot der Staatsanwaltschaft Hannover an Christian Wulff einen breiten Beitrag unter dem Titel "Wulffs bitteres Schweigen".
Hamburger Sicherheitsbehörden ermitteln bei Facebook & Co.: netzpolitik.org (Matthias Monroy) berichtet über die Antwort des Hamburger Senat auf eine Anfrage der Linksfraktion, wonach Hamburger Polizei und Verfassungsschutz regelmäßig in sozialen Netzwerken ermitteln. "Ob sich Polizei und Verfassungsschutz von Anbietern sozialer Netzwerke Zugang zu nichtöffentlichen Profilen bzw. Nachrichten geben lassen", werde jedenfalls für die Polizei bejaht.
Libor-Skandal: Der Geld-Teil der SZ widmet den weltweiten Ermittlungen im Libor-Skandal eine ganze Seite u.a. mit Berichten aus London (Andreas Oldag), Frankfurt (Andrea Rexer) und New York (Nikolaus Piper).
Weitere Themen – Recht im Ausland
USA – Supreme Court zu Homo-Ehe: Über den ersten Verhandlungstag vor dem US-Supreme Court zur gleichgeschlechtlichen Ehe informiert die FAZ (Patrick Bahners). Es sei um eine durch Volksentscheid in die kalifornische Verfassung aufgenommene Definition der Ehe als "Verbindung von Mann und Frau" gegangen. Die Vorinstanzen, so die FAZ, hatten darin einen Verstoß gegen den "Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung" erblickt. Wie die taz informiert, geht es heute in einem zweiten Fall um ein Bundesgesetz zum Schutz der Ehe, das verheiratete gleichgeschlechtliche Paare zum Beispiel von Steuervergünstigungen ausnimmt.
Italien/USA- Amanda Knox: Wie unter anderem die taz (Michael Braun) ausführt, hat das Kassationsgericht in Rom den Freispruch für die US-Amerikanerin Amanda Knox und ihrem italienischen Mitangeklagten aufgehoben. Der Fall um die mutmaßlich ermordete Britin Meredith Kercher wird nun vor dem Appellationsgericht in Florenz neu verhandelt. Es berichtet auch spiegel.de (Rainer Leurs).
Sonstiges
Waffen nach Syrien? - Recht statt Politik: Die völkerrechtlichen Maßstäbe, die in der politischen Diskussion um mögliche Waffenlieferungen an aufständische Gruppen in Syrien oft vernachlässigt würden, erläutert der Völkerrechtler und Juniorprofessor Mehrdad Payandeh (juwiss.de). Grundsätzlich verstießen Lieferungen gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot. Eine Durchbrechung können in diesem Fall auch nicht durch das Recht zur Selbstverteidigung oder auf Grund einer Ermächtigung des Sicherheitsrates legitimiert werden. Auch könne dies im konkreten Fall nicht durch die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen relativiert werden.
Bester Jurist in Baden-Württemberg: lto.de (Constantin Baron van Lijnden) porträtiert Stefan Thönissen, der im "zarten Alter" von 21 Jahren die beste, je in Baden-Württemberg im ersten juristischen Staatsexamen erzielte Note von 15,66 Punkten erreichte.
Rechtsextremistische Straftäter in NRW: "Neonazis multipel kriminell", schreibt die taz (Pascal Beucker). Nach einer Kriminalstatistik, die der NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Dienstag präsentierte, kämen auf fast jede politisch motivierte Gewalttat eines Rechtsextremen zwei Taten aus dem Bereich der "Allgemeinkriminalität".
Porträt Hans Richter: Die SZ (Max Hägler/Klaus Ott) porträtiert Hans Richter, den Leiter der "Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaft" in Stuttgart. "Niemand ist vor Hans Richter sicher": Er scheute auch den "Kampf gegen die Mächtigen" nicht, wie etwa Anton Schlecker. Das Herz des Juristen und ehemaligen Betriebswirtschaftslehre-Studenten schlage noch heute links; Aufgabe der Justiz sei es nach Richters Ansicht auch, "den sozialen Frieden zu wahren".
Das letzte zum Schluss
Chef beschimpft – Keine Kündigung: "Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an." Die nach einem so endenden Telefonat mit dem Chef ausgesprochene Kündigung gegenüber einem Angestellten kassierte das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, wie ihrArbeitsrecht.de berichtet. Die Kündigung war ohne vorherige Abmahnung erfolgt. Diese sei aber auch bei "groben Beleidigungen" geboten, wenn erwartet werden könne, dass sie Wirkung zeige.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgaben oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 27. März 2013: Geschlechtsneutrale StVO – Aufruhr um NSU-Prozess - Bester Jurist Baden-Württembergs . In: Legal Tribune Online, 27.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8418/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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