Die juristische Presseschau vom 8. Mai 2013: KZ-Wachmann in U-Haft – Ultimatum aus Karlsruhe – Gefängnisstrafe für Lauryn Hill

08.05.2013

Seit Montag befindet sich ein früherer KZ-Wachmann wegen des dringenden Tatverdachts der Beihilfe zum Mord in Untersuchungshaft. Außerdem in der Presseschau: ein Ultimatum des Bundesverfassungsgerichts an den Bundestag, Reaktionen zum Prozessauftakt im NSU-Verfahren, die Verurteilung von Lauryn Hill wegen Steuerhinterziehung und warum ein Anwalt weiter mit Online-Scheidungen werben darf.

U-Haft für KZ-Wachmann: Nach Meldung der taz (Klaus Hillenbrand) ist am Montag der ehemalige KZ-Wachmann Hans Lipschis in Untersuchungshaft genommen worden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem heute 93-Jährigen vor, von 1941 bis 1945 als Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz gedient zu haben. Konkret soll er als Angehöriger des Totenkopf-Sturmbanns der SS den Ausbruch von Gefangenen in Auschwitz verhindert haben. Warum Lipschis erst jetzt strafrechtlich belangt wird, schildert die Welt (Michael Borgstede, Sven Felix Kellerhoff, Uwe Müller) in einem ausführlichen Beitrag. Laut SZ (Roger Probst) und spiegel.de (Benjamin Schulz) gelte für Wachmänner in Konzentrationslagern nach der Verurteilung von John Demjanjuk der Maßstab, dass der Nachweis der Tätigkeit eines Verdächtigen in einem Vernichtungslager genüge, um ihn wegen Beihilfe zum Mord verurteilen zu können.

sueddeutsche de (Martin Anetzberger) bringt dazu ein Interview mit dem Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm.

Das bittere am Fall Lipschis sei, dass aufgrund der inzwischen vergangenen Zeit der Zusammenhang von Tat und Sühne fast bis zur Unkenntlichkeit überdehnt sei, kommentiert Wolfgang Büscher (Die Welt). Für die, die damals litten, komme der Versuch einer Sühne zu spät; der, der sie leiden ließ, könne die Sühne kaum mehr als solche erkennen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Ultimatum aus Karlsruhe: Nach Information der SZ (gwb, hick, jan) hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag ein Ultimatum zur Umsetzung der steuerlichen Gleichbehandlung der Homo-Ehe gestellt. Bereits am 18. Juli vergangenen Jahres hatten die Verfassungsrichter entschieden, es sei grundgesetzwidrig, dass die Gleichbehandlung bei der Grunderwerbsteuer nicht mit Einführung der Homo-Ehe geschaffen worden war, sondern erst von Dezember 2010 an. In einem Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert kündigte der Vize-Präsident des Gerichts, Ferdinand Kirchhof, nun an, das Gericht beabsichtige, in einer Sitzung am 18./19. Juni über das weitere Vorgehen zu entscheiden, insbesondere auch, ob eine Vollstreckungsordnung nach § 35 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes angezeigt sei.

Vorstandsgehalt in Aktiengesellschaften: Das Handelsblatt (Heike Anger) beschreibt einen Entwurf zur Änderung des Aktiengesetzes, wonach der Aufsichtsrat sich künftig die Vorstandsgehälter jährlich von der Hauptversammlung absegnen lassen soll. Dies ergebe sich aus einer Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums, die dem Blatt vorliege. Billige die Hauptversammlung die Vergütung nicht, habe dies ausweislich des Entwurfs aber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Vorstandsverträge und die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft.

Videoübertragung von Gerichtsverhandlungen: Die bayerische Justizministerin Beate Merk hat einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung von Videoübertragungen von Gerichtsverhandlungen in einen anderen Raum des Gerichtsgebäudes angekündigt. Die FAZ (Karin Truscheit, Michael Martens) zitiert die Ministerin, dass auf diese Weise für Prozesse mit großem Medieninteresse eine "behutsame Ausweitung der Öffentlichkeit" ermöglicht, und Gerichten eine "Zwangslage, wie sie das Oberlandesgericht München aufgrund der unbefriedigenden Rechtslage empfindet", erspart werden solle. Auch lto.de berichtet.

Qualität von EU-Gesetzesvorschriften: Die FAZ (Joachim Jahn) befasst sich auf der Recht & Steuern-Seite mit der mangelhaften Qualität europäischer Gesetzesvorschriften. So habe die deutsche Referentin für eine neue Verordnung gegen Insidergeschäfte und Marktmanipulation, Miriam Parmentier, jüngst eine ernüchternde Bilanz gezogen. Die Regelungen wiesen "in sich Brüche auf, wenn ein Thema mehrfach, womöglich unter der Ägide verschiedener Ratspräsidentschaften, auf der Tagesordnung stand". Zudem fehle die disziplinierende Wirkung der nationalen Anforderungen an die Rechtsförmlichkeit.

Väterrechte: Die Zeit (Elisabeth Niejahr) befasst sich mit dem am 19. Mai in Kraft tretenden Gesetz, das unverheirateten Vätern mehr Rechte bei der Kindeserziehung einräumt. Bislang hätten ledige Mütter ein Vetorecht bei der Erziehung ihrer Kinder; gegen den Willen der Mütter gab es im Normalfall auch kein gemeinsames Sorgerecht. Nunmehr können Väter gleichberechtigt mitentscheiden. Dazu müssen sie das gemeinsame Sorgerecht beantragen; die Mütter können sich allenfalls innerhalb einer Frist von sechs Wochen dagegen wehren.

Beschäftigung von Verwandten im Abgeordnetenbüro: lto.de befasst sich aus Anlass der aktuellen Fälle im bayerischen Landtag im Wege einer Pro & Contra-Darstellung mit der Frage, ob Abgeordneten die Beschäftigung von Verwandten in ihrem Büro erlaubt sein soll. Auf der Pro-Seite argumentiert der Strafrechtswissenschaftler Michael Kubiciel, der Verdacht der Vetternwirtschaft sei zu pauschal und diffus, um den weitreichenden Eingriff in die Berufsfreiheit der Angehörigen und die Mandatsfreiheit der Parlamentarier zu rechtfertigen. Dagegen betont der wissenschaftliche Mitarbeiter Sebastian Roßner auf der Contra-Seite, es gehe bei den Beschäftigungsverboten darum, zu verhindern, dass Entscheidungen über öffentliche Gelder oder den Gebrauch hoheitlicher Gewalt verzerrt werden. Zudem fehle es an einer innerparlamentarischen Kontrolle, denn in materieller Sicht säßen alle Abgeordneten in einem Boot.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Mai 2013: KZ-Wachmann in U-Haft – Ultimatum aus Karlsruhe – Gefängnisstrafe für Lauryn Hill . In: Legal Tribune Online, 08.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8689/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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