Die juristische Presseschau vom 7. Oktober 2015: Safe-Har­bour gekippt – Presse-Grosso gewinnt – Geständnis nach 28 Jahren

07.10.2015

Safe-Harbour ist ungültig, das Presse-Grosse bleibt mächtig und der Generalanwalt hält wenig von Wohnsitzbeschränkungen. Außerdem: ein Langzeit-Student darf nach 50 Semestern kein Diplom mehr machen.

Thema des Tages

EuGH – Safe-Harbour: Der Europäische Gerichtshof hat das "Safe-Harbour"-Abkommen mit den USA für ungültig erklärt. Das Abkommen sei nicht nur ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenzen nationaler Datenschutzbehörden. Vor allem habe die Kommission notwendige Feststellungen über das Datenschutzniveau in den USA nicht getroffen*. Eine Übergangsfrist hat das Gericht nicht bestimmt, so dass es allen Unternehmen, die mit Datentransfers in die USA arbeiten, nunmehr an einer Rechtsgrundlage dafür fehlt. Es berichten unter anderen FAZ (Helene Bubrowski/Herdrik Kafsack), Rechtsprofessor Thomas Hoeren auf lto.de, SZ (Wolfgang Janisch), Tsp (Jost Müller-Neuhof). Die FAZ (Mathias Müller von Blumencron) macht darauf aufmerksam, dass die Entscheidung faktisch zur Beschränkung des Internets führt, wenn der Gesetzgeber nicht bald international annehmbare Regeln findet. SZ (Simon Hurtz) und Welt (Benedikt Fuest/Thomas Heuroth) zeigen die Konsequenzen des Urteils insbesondere für die Unternehmen auf.

"Das ist wirklich eine historische Entscheidung im Sinne der Grundrechte. ... Will jemand in Europa Leistungen verkaufen, muss er Bürgerrechte beachten," meint Gigi Deppe (swr.de). Reinhard Müller (FAZ) meint, es könne doch nicht so schwer sein, Daten in Europa zu speichern und Persönlichkeitsrechte überwögen Kostenersparnisse. Herbert Prantl (SZ) lobt das Urteil und meint, der "EU-Gerichtshof in Luxemburg ist dabei, sich als Europäischer Verfassungsgerichtshof zu etablieren. Wenn es gut geht, steuert er die Entwicklung der Europäischen Union so klug, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland gesteuert hat.

Rechtspolitik

Gutachten zum Kindschaftsrecht: Zur Steigerung der Qualität familienpsychologischer Gerichtsgutachten, hat ein Expertengremium auf Initiative des Bundesjustizministeriums einen Katalog mit Mindestanforderungen formuliert. Mit einem Mitglied des Gremiums, der Rechtsanwältin und Rechtspsychologin Anja Kannegießer, spricht lto.de (Anne-Christine Herr) über den Katalog.

Sportstrafrecht: Auch die BadZ (Christian Rath) erläutert nun die geplante Ergänzung des Strafgesetzbuchs um die Delikte 'Sportwettbetrug' und 'Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben'.

Flüchtlingsunterbringung: Der Bremer Senat hat nun den Gesetzentwurf zur Beschlagnahme von Immobilien beschlossen, meldet die taz. spiegel.de gibt einen Überblick über die bestehenden Möglichkeiten der Beschlagnahme. Heike Göbel (FAZ) warnt vor der Nutzung der Möglichkeiten, weil sie das Vertrauen in die Eigentumsgarantie erschüttere und so mögliche Investoren verprelle, die als Arbeitgeber und Bauherren der Integration förderlich sein könnten.

Schlichtungsstellen: Im Rechtsausschuss fand eine Anhörung zum Gesetzentwurf zur Einführung von Schlichtungsstellen statt, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Es wurde gefordert, die Schlichtungsteilnahme für Unternehmen verpflichtend zu machen, die Stellen statt auf Landes- auf Bundesebene einzuführen, eine Missbrauchsgebühr zu regeln und als Streitmittler nur Volljuristen einzusetzen. Der Entwurf setzt eine EU-Richtlinie um und will "Universalschlichtungsstellen" für Fälle einrichten, in denen eine Branche keine Ombutsleute vorhält.

Scheinselbstständigkeit: Mit dem Anwachsen der On-Demand-Economy auch in Deutschland werde der Bedarf an flexiblen Arbeitskräften höher, was, aufgrund der rigiden Regelungen zur Arbeit auf Abruf, zum vermehrten Einsatz von Selbstständigen führen werde, meint Rechtsanwalt Boris Dzida in der FAZ. Häufig werde es sich dabei um Scheinselbstständige handeln, weshalb es mehr Flexibilität bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bedürfe, die immer noch besser sei als Scheinselbstständigkeit.

Geheimdienstgesetz: Die SZ (Georg Mascolo) schreibt zum Stand der Auseinandersetzung über die Änderung des BND-Gesetzes. Gesichert sei weitgehend, dass eine Rechtsgrundlage für den Zugriff auf internationale Kommunikation geschaffen werde, dass kontrolliert werden soll und ein ständiger Bevollmächtigter die Parlamentarier unterstützen soll. Streitig sei weiter, ob Vor- oder Nachkontrolle erfolgen soll, ob nur bei Kommunikation die über Deutschland läuft oder international und, ob EU-Bürgern das gleiche Schutzniveau wie Deutschen gewährt werden soll.

Automatisierter Steuerbescheid: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet vom Deutschen Steuerberatertag in Wien, wo der Entwurf des Bundesfinanzministeriums für ein 'Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens' vorgestellt und vom Verband der Steuerberater kritisiert wurde. Steuererklärungen sollen automatisiert eingelesen und ohne menschliches Zutun zu einem Bescheid verarbeitet werden, mit Zufallsprüfungen und solchen nach Risikoparametern.

Urhebervergütung: Das Bundesjustizministerium hat den "Gesetzentwurf zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung" vorgestellt, meldet die SZ (Robert Rossmann). Insbesondere durch Einführung von Verbandsklagen und ein Rückforderungsrecht von Urheberrechten nach fünf Jahren solle sich die Situation der Urheber verbessern.

Wissenschaftsklausel im Urheberrecht: Nach einem Gutachten der Kanzlei iRights Law schränkt das deutsche Urheberrecht Geistes- und Sozialwissenschaften im Gebrauch audiovisueller Medien zu stank ein – die Klärung von Rechtsfragen sei zu kompliziert und manche Quellen der Forschung gar nicht legal zugänglich, so dass auf Studien verzichtet werde. Verbände fordern nun, Wissenschaftlern für ihre Forschung Sonderrechte im Urheberrecht einzuräumen, meldet die FAZ.

* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst unzutreffend, dass Datensicherheit in den USA gemäß des EuGH-Urteils nicht gewährleistet und der Datentransfer dorthin verboten sei. Geändert am 7.10.2015, 11:45.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. Oktober 2015: Safe-Harbour gekippt – Presse-Grosso gewinnt – Geständnis nach 28 Jahren . In: Legal Tribune Online, 07.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17116/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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