Die juristische Presseschau vom 5. September 2014: BGH zum Oury-Jalloh-Fall – EuGH zu Flugverspätungen – EGMR zu Auslieferung von Terrorverdächtigen

05.09.2014

Der BGH bestätigt das Urteil im Fall von Oury Jalloh. Außerdem in der Presseschau: der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern soll neu geregelt werden, Diskussion über gesetzliche Festlegung der Tarifeinheit, EuGH bestimmt den Ankunftszeitpunkt von Flugzeugen, fatale Fehlurteile in den USA und wie man nach dem Tod noch Hartz IV beziehen kann.

Thema des Tages

BGH zu Oury Jalloh: Der Bundesgerichtshof hat am gestrigen Donnerstag die Verurteilung des Polizisten Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung im Fall von Oury Jalloh bestätigt und damit die Revision von Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretung abgewiesen, berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Reinhard Bingener), die taz (Christian Rath) und zeit.de. Der BGH habe anders als das Landgericht die Freiheitsberaubung mit Todesfolge nicht wegen Verbotsirrtums ablehnt, sondern weil die rechtswidrige Ingewahrsamnahme für den Tod des Insassen nicht ursächlich gewesen sein soll. Die Argumentation beruhe auf der Prognose, dass ein Richter die Ingewahrsamnahme von Oury Jalloh wahrscheinlich bestätigt hätte, wenn dieser ihm ordnungsgemäß vorgeführt worden wäre. Wegen noch ungeklärter Todesumstände von Jalloh, der 2005 in einer Arrestzelle verbrannte, nachdem er an Händen und Füßen fixiert worden war, habe die Staatsanwaltschaft Dessau ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Wolfgang Janisch (SZ) hält die Begründung des BGH für "aberwitzig": "Es wäre ebenso naheliegend anzunehmen, dass der Polizist – sobald ein Richter im Spiel ist – die Zelle korrekt überwacht hätte. Dann hätte Jalloh überlebt." Der BGH habe versäumt, eine Botschaft an die Polizeireviere im Land zu senden.

Rechtspolitik

Finanzausgleich: Am Donnerstag sind die Finanzminister von Bund und Ländern zusammengekommen, um eine neue Regelung zum Finanzausgleich und Solidarzuschlag zu erarbeiten, die beide 2019 auslaufen, berichtet zeit.de (Albert Funk). Ein Vorschlag sei die Einrichtung eines Fonds für die Altschulden der Länder, dessen Ausgestaltung jedoch in weiten Teilen noch umstritten sei. Heribert Prantl (SZ) prangert in diesem Zusammenhang die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten der Landesparlamente bei der Steuererhebung an. Die "Autonomie der Teilstaaten und ihrer Parlamente bei Steuern und Finanzen" sei nirgends "so gering wie in Deutschland".

Kriegseinsätze: Reinhard Müller (FAZ) diskutiert vor dem Hintergrund aktueller bewaffneter Konflikte das Verhältnis von Militäreinsätzen zur Pflicht der Friedenswahrung. Dabei spricht er die rechtlichen Voraussetzung für den Einsatz der Bundeswehr an und macht das Selbstverteidigungsrecht in der UN-Charta stark. Zwar müsse Gewalt das letzte Mittel bleiben, das "Recht, sich und andere gegen Aggressoren zu verteidigen, bleibt aber 'naturgegeben'".

Tarifeinheit: Zur Ausarbeitung der gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit werde sich Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kommende Woche mit Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden treffen, berichtet das Handelsblatt (Frank Specht). Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio bespricht die Gesetzesinitiative in einem Gastbeitrag im Handelsblatt. Er stellt die vorangegangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum richterrechtlichen Grundsatz der Tarifeinheit dar, der 2010 aufgegeben wurde. Im Hinblick auf die grundgesetzlichen Anforderungen zieht er das Fazit: "Es gibt keine erkennbare Rechtfertigung für einen so tiefen Eingriff in das Recht der Koalitionsfreiheit, wie dies mit einer gesetzlich auferlegten Tarifeinheit einhergehen würde." Bereits existierende Maßstäbe wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Streikrecht seien ausreichende Mittel, um Konflikte im Einzelfall zu lösen. Dietrich Creutzburg (FAZ) begrüßt die gesetzgeberischen Pläne. Seiner Meinung nach gehe es nicht um ein Verbot von, sondern um die "Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen" unter den Gewerkschaften.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. September 2014: BGH zum Oury-Jalloh-Fall – EuGH zu Flugverspätungen – EGMR zu Auslieferung von Terrorverdächtigen . In: Legal Tribune Online, 05.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13096/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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