Die juristische Presseschau vom 30. November 2016: Kopf­tuch im Gericht und in der Kita / Reichs­bürger ohne Waffen / 40 Euro für ver­spä­tete Lohn­zah­lung

30.11.2016

Baden-Württemberg zögert mit neuen Kopftuchverboten, nachdem es jüngst von Karlsruhe gerüffelt wurde. Außerdem in der Presseschau: Entwaffnung der Reichsbürger und ein Urteil des LAG Köln zur Entschädigung von wartenden Lohnempfängern.

Thema des Tages

Kopftuch im Gericht: Die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg hat die Entscheidung vertagt, ob Kopftücher bei Richterinnen, Staatsanwältinnen und Schöffinnen per Landesgesetz verboten werden sollen. Während Justizminister Guido Wolf (CDU) das Vorhaben forciert, sind die Grünen skeptisch; jedenfalls soll Baden-Württemberg nicht bundesweit das erste Land mit einem derartigen Gesetz sein. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte weitere verfassungsrechtliche Prüfungen an. Es berichten die FAZ (Rüdiger Soldt) und die BadZ (Roland Muschel).

BVerfG zu Kopftuch in der Kita: Nun berichten auch die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath) über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der Kita-Erzieherinnen grundsätzlich das Tragen eines Kopftuchs bei der Arbeit erlaubt. Im baden-württembergischen Kita-Gesetz sei die Klausel, die religiöse Bekundungen verbietet, "verfassungskonform" auszulegen. Das Kopftuch der Erzieherin sei nicht dem Staat zuzurechnen und gefährde auch nicht die Neutralität der Einrichtung, weil Kopftücher in Deutschland inzwischen üblich seien. Rückschlüsse auf das geplante Kopftuchverbot für Richter könne man, so Janisch, aber nicht ziehen.

Sunny Riedel (taz) begrüßt den Karlsruher Beschluss: "Wenn an Elternabenden reihenweise Mütter mit Kopftuch sitzen, in der Kita diese aber maximal als Putzfrau vorkommen, ist das ausgrenzend."

Rechtspolitik

IMK: An diesem Dienstag und Mittwoch tagt in Saarbrücken die Innenministerkonferenz. Die FAZ (Timo Frasch) gibt einen kursorischen Überblick über die anstehenden Themen, ebenso lto.demit einem besonderen Augenmerk auf die Frage, ob Verkehrsbußgelder erhöht und nach dem Einkommen gestaffelt werden sollten.

IMK – Gewalt gegen Polizisten: Auf der Innenministerkonferenz soll über eine Ausweitung der Strafen für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Strafgesetzbuch) diskutiert werden. Justizminister Heiko Maas (SPD) will laut SZ noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen. Ronen Steinke (SZ) billigt dies, weil Polizisten den Kopf für andere hinhielten und mutig sein müssten.

IMK – Reichsbürger und Waffen: Bei der Innenministerkonferenz wird auch diskutiert, ob Reichsbürgern, die legal Waffen besitzen, diese generell wieder entzogen werden könnten. Im Gespräch ist zudem eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, die alle legalen Waffenbesitzer treffen würde. Die taz (Konrad Litschko) stellt das Thema ausführlich dar.

Sozialleistungen für arbeitssuchende EU-Bürger: An diesem Donnerstag soll im Bundestag der fünfjährige Leistungsausschluss für arbeitssuchende EU-Ausländer beschlossen werden. Die Welt (Sabine Menkens) schildert Befürchtungen, dass Osteuropäer dann vermehrt in deutschen Parks campen und Kaninchen jagen werden.

Unterhaltsvorschuss: Die SPD droht nun für den Fall, dass die geplante Ausweitung des Unterhaltsvorschusses nicht beschlossen wird, werde sie nächste Woche auch der vereinbarten Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht zustimmen, meldet die SZ (Constanze von Bullion).

BND-Kontrolle: Die Anwältin Heide Sandkuhl kritisiert auf lto.de die frisch beschlossene Novelle des BND-Gesetzes. Deutsche seien nun mit größerer Wahrscheinlichkeit von der strategischen Überwachung des Fernmeldeverkehrs betroffen. Die Kontrolle des BND sei ungenügend. Sandkuhl schlägt vor, dass in das neue Kontrollgremium beim Bundesgerichtshof auch Techniker und ein "Anwalt der Betroffenen" einbezogen werden sollen.

Asyl – Transitzentren: Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster greift im Interview mit focus.de (Martina Fietz) die letztjährige Idee der CSU auf, an den deutschen Außengrenzen Transitzentren einzurichten, in denen Asylbewerber ohne Bleibeperspektive ein Asyl-Schnellverfahren erhalten sollten, ohne dass sie formell als eingereist gelten. Es sei ein historischer Fehler der SPD gewesen, dass sie diesem Vorschlag bisher nicht zugestimmt habe.

Asyl – Anträge im Ausland: Die dänische Regierung schlägt vor, dass Asylbewerber ihre Anträge nicht mehr in der EU, sondern außerhalb stellen sollten. So solle Schleusern der Markt genommen werden. Die taz (Reinhard Wolff) schildert die skeptische Haltung dänischer Menschenrechtler.

Fischer zu Einbruch, Volksverhetzung und Kampfhunden: Bundesrichter Thomas Fischer schreibt in seiner Kolumne auf zeit.de diesmal über drei Themen: den geplanten Wegfall des minder schweren Falls beim Einbruchdiebstahl (Fischer schlägt sarkastisch die Streichung weiterer minder schwerer Fälle vor) und die Zunahme der Volksverhetzungs-Delikte um 230 Prozent (Fischer schlägt sarkastisch Strafverschärfungen vor). Vor allem aber erinnert Fischer assoziationsreich an die mediale und rechtspolitische Aufregung, die Kampfhunde in den 90er-Jahren verursacht haben, wobei sie anschließend wieder aus dem öffentlichen Interesse verschwanden. Fischer fragt: "Wer ist der Kampfhund heute?"

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. November 2016: Kopftuch im Gericht und in der Kita / Reichsbürger ohne Waffen / 40 Euro für verspätete Lohnzahlung . In: Legal Tribune Online, 30.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21298/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen