Die juristische Presseschau vom 30. Oktober 2014: Ermittlungen gegen Mappus eingestellt – Rechtmäßigkeit von Schiedsgerichtsverfahren – Thomas Fischer zu Juristenausbildung

30.10.2014

Das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus wegen des Verdachts der Untreue wurde eingestellt. Außerdem in der  Presseschau: Thomas Fischer bezieht Stellung zu Inhalt und Anspruch der Juristenausbildung, das Bundeskabinett bringt Asylrechtsverbesserungen auf den Weg, die Rechtmäßigkeit von Schiedsgerichtsverfahren wird unterschiedlich beurteilt und eine Geschichte über Liebesglück hinter Gittern.

Thema des Tages

StA Stuttgart – Einstellung gegen Mappus: Das Ermittlungsverfahren gegen den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) wurde am Mittwoch durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt. Der Verdacht der Untreue habe sich nicht bestätigt. Dem Ex-Regierungschef wurde vorgeworfen, beim Rückkauf von EnBW-Aktien im Jahr 2010 zu viel gezahlt zu haben, weswegen die Landeskasse einen Vermögensnachteil erlitten habe. Mappus habe diesbezüglich zwar eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, Vorsatz liege jedoch nicht vor. Ebenso werden die Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Finanzminister Willi Stächele (CDU) und den damaligen Staatsminister Helmut Rau (CDU) eingestellt. Darüber berichten die SZ (Max Hägler/Josef Kelnberger) und das Handelsblatt (Jürgen Flauger).

Heribert Prantl (SZ) befürwortet die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Mappus. Er ist der Ansicht, dass der Ex-Ministerpräsident durch seine Abwahl auf dem demokratischen Weg genug bestraft sei. Das Strafrecht dagegen tauge nicht als Maßstab für fehlerhaftes Regierungshandeln. Wenn jeder Spitzenpolitiker bei Fehlern damit rechnen müsste, mit seiner Freiheit zu büßen, ließen sich künftig nur noch "Hasardeure oder Idioten" für solche Ämter finden, meint Prantl.

Jürgen Flauger (Handelsblatt) betont in seinem Kommentar, dass allein die strafrechtliche Verantwortung verneint worden ist. Er sieht das Geschäft als ordnungspolitischen Sündenfall an und unterstreicht, dass der baden-württembergische Staatsgerichtshof das Vorgehen Mappus' wegen der unzureichenden Einbindung des Landtages als verfassungswidrig ansieht. Flauger wirft dem Ex-Ministerpräsidenten vor, wegen der bevorstehenden Landtagswahl zu voreilig agiert zu haben. Zwar trage er nicht alleine die Schuld an den Vermögensverlusten, aber man dürfe seine erhebliche politische Verantwortung für dieses skandalöse Geschäft nicht vergessen.

Rechtspolitik

TTIP/Ceta – Schiedsgerichtsverfahren: Für Die Zeit schreibt Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano eine rechtliche Beurteilung zu Schiedsgerichtsverfahren und Investitionsschutz in TTIP und Ceta. Er bemängelt, dass eine öffentliche Auseinandersetzung mit der rechtlichen Zulässigkeit der Vorhaben bisher kaum erfolgt sei. Einen Verstoß gegen Unionsrecht sieht er beispielsweise darin, dass Schiedsgerichte nach derzeitigem Stand weder berechtigt, noch verpflichtet sind, dem Europäischen Gerichtshof strittige Fragen vorzulegen. Der gegenüber bestehenden Schiedsgerichten weitergehende Vorschlag sei mit dem richterlichen Rechtsprechungsmonopol des Grundgesetzes unvereinbar und widerspreche in verschiedenen Punkten demokratischen Grundsätzen. Ebenso sei zu befürchten, die EU komme ihrer Schutzpflicht gegenüber Menschen- und Kollektivrechten nicht nach.

Die FAZ (Helene Bubrowski) bringt Argumente gegen die gängige Kritik des Schiedsgerichtsverfahrens vor. Unter anderem zeige die gängige Praxis im Zivilprozessrecht, dass Schiedsgerichte unter rechtsstaatlichen Grundsätzen funktionieren können. Ebenso wenig sei eine fehlende Kontrolle zu befürchten, denn deutsche Gerichte hätten die Kompetenz, Schiedssprüche aufzuheben. Diese gelte auch im Rahmen von internationalen Streitigkeiten, sofern das Schiedsgericht seinen Sitz in Deutschland hat. Entsprechende Regelungen gebe es auch in anderen EU-Staaten. Die Regelung zivilprozessrechtlicher Schiedsgerichte zeige auch, dass ein staatliches Rechtsprechungsmonopol nicht besteht.

Mautgesetz: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird am heutigen Donnerstag seinen Gesetzentwurf zur Maut veröffentlichen, berichten die SZ (Daniela Kuhr), die FAZ (Manfred Schäfers) und das Handelsblatt (Daniel Delhaes). Die Neuregelung umfasst unter anderem, dass deutsche Autofahrer auf allen Autobahnen wie auch auf Bundesstraßen mautpflichtig werden. Ausländische hingegen zahlen nur für die Benutzung der Autobahnen. Deutsche Betroffene werden allerdings dadurch entlastet, dass der Betrag für die Vignette vollständig von der KfZ-Steuer abgezogen wird. Eine europarechtliche Diskriminierung durch die Neuregelung sei nicht gegeben. Dobrindt kommt mit dem neuen Entwurf Kritikern aus den eigenen Reihen entgegen.

Asylrecht: Das Bundeskabinett bringt mehrere Gesetzesänderungen auf den Weg, um für Asylbewerber mehr Bewegungsfreiraum und einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Asylsuchende dürfen sich künftig nach drei Monaten frei in der Bundesrepublik bewegen. Ebenso werden Beschränkungen bei der Arbeitssuche abgemildert. Beispielsweise sollen die Betroffenen Geld- statt Sachleistungen erhalten. Diese Reformen entspringen dem kürzlich geschlossenen Asylkompromiss. Dies meldet tagesschau.de.

Anti-Terror-Gesetze: Zeit.de (Till Schwarze) kritisiert die geplanten Anti-Terror-Gesetze von Heiko Maas (SPD). Die Bestrafung der Ausreise, um sich an schweren Gewalttaten im Ausland zu beteiligen, stehe rechtlich vor verschiedenen Problemen. Ein solches "Gesinnungsstrafrecht" sei verfassungsrechtlich bedenklich. Praktische Probleme stellten sich, da bereits das Erkennen potenzieller Terroristen schwierig sei. Eine terroristische Absicht sei nicht ohne Weiteres nachzuweisen. Die Formulierung "schwere Gewalttaten im Ausland" sei nicht präzise genug. Darunter könnten ebenso gewalttätige Aktionen fallen, die grundsätzlich unterstützt werden, wie beispielsweise kurdische Einsätze gegen den IS im Irak. Auch aufgrund von weiteren Kritikpunkten sei die Novellierung letztlich daher nicht notwendig.

Tarifeinheit: Am Dienstag präsentierte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kurz ihren Gesetzentwurf zur Tarifeinheit. Der taz (Pascal Beucker) liegt der bisher nicht veröffentlichte Referentenentwurf vor. Demnach soll durch den Ausschluss konkurrierender Tarifverträge die "Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie" gesichert werden. Ausgeschlossen werden Tarifverträge der kleineren Gewerkschaft, sofern sie sich in einem bestimmten Bereich inhaltlich mit dem Tarifvertrag der mitgliedstärkeren Gewerkschaft überschneiden. Der Artikel geht auf die befürchteten Konsequenzen der geplanten Neuregelung ein und stellt diese anhand des derzeitigen Bahnstreiks dar.

Bundeswehrreform: Das Bundeskabinett billigte heute die Reformvorschläge von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für die Bundeswehr. Das geplante Gesetz hat zum Ziel, die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Dies soll unter anderem durch einen Personalbindungszuschlag für Fachkräfte, den Teilzeitausbau und mehr Sold für freiwillige Wehrdienstleistende gewährleistet werden. Abgesehen davon soll auch ein neues Weißbuch für die Sicherheitspolitik entworfen werden. Die taz (Tobias Schulze) und zeit.de (Sybille Klormann) stellen die Reformvorschläge dar.

Bertold Kohler (FAZ) begrüßt die Reformbemühungen der Verteidigungsministerin, befürchtet jedoch Umsetzungsprobleme unter anderem wegen der Finanzierung.

Suizidhilfe: Die Zeit (Martin Spiewak) stellt ausführlich die Rechtslage und die Erfahrungen mit der Suizidhilfe im US-Bundesstaat Oregon dar. Das "Oregoner Modell" gilt als Vorbild für den Gesetzentwurf einer Abgeordnetengruppe um Peter Hintze (CDU). Ärztlich assistierter Suizid wurde im US-Bundesstaat unter strengen Bedingungen durch das "Death-with-Dignity-Gesetz" im Jahr 1997 erlaubt. Das Gesetz habe sich bewährt. So beschreibt der Artikel viele positive Erfahrungen mit der Regelung und moniert, dass die erwarteten negativen Konsequenzen weitestgehend ausblieben.

Sexualstrafrechtsreform: Der Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel antwortet auf verfassungsblog.de auf die Stellungnahmen von Tatjana Hörnle und Thomas Fischer zur Reformbedürftigkeit des § 177 Strafgesetzbuch. Er wählt dafür einen rechtshistorischen Zugang über die Rechtsverletzungslehre Feuerbachs und wägt anhand dessen die Argumente beider Parteien ab.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Oktober 2014: Ermittlungen gegen Mappus eingestellt – Rechtmäßigkeit von Schiedsgerichtsverfahren – Thomas Fischer zu Juristenausbildung . In: Legal Tribune Online, 30.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13645/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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