Die juristische Presseschau vom 30. September 2014: Karadzic vor Verurteilung – Ermittlungen zu Oktoberfest-Anschlag? – Niederlage für Katalonien

30.09.2014

Das Verfahren gegen Radovan Karadzic nähert sich dem Ende. In Den Haag plädierte zunächst die Anklage. Außerdem in der Presseschau: Gegenwind für Investitionsschutzklauseln, Gefängnis für dopende Sportler, erneute Niederlage für Uber, BAW prüft Neuaufnahme der Oktoberfest-Ermittlungen, kein Referendum in Katalonien und frische Unterhosen durch das OLG Hamm.

Thema des Tages

ICTY – Karadzic: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag/Niederlande haben im Verfahren gegen Radovan Karadzic die Schlussplädoyers begonnen. Die Anklage erklärte, dass der frühere Präsident der Teilrepublik Srpska "unzweifelhaft des Völkermords" schuldig sei, schreibt die FR (Norbert Mappes-Niediek) in ihrem Bericht. In dem 2009 eröffneten Verfahren muss sich der Angeklagte gegen insgesamt elf Anklagepunkte, unter denen das 1995 verübte Massaker von Srebrenica herausragt, verteidigen. Das Urteil werde nicht vor Mitte des nächsten Jahres erwartet.

In einem Kommentar meint Ronen Steinke (SZ), dass an einer Verurteilung des Angeklagten auch vor Beginn der Verhandlung keine ernsten Zweifel bestanden hätten. Bemerkenswert sei hingegen die im Verfahren zutage getretene Haltung des Angeklagten gewesen. Im Unterschied zu anderen "Balkan-Bossen" wie etwa Slobodan Milosevic habe sich Karadzic dem Gerichtshof als "Gewandelter" präsentiert, der "juristisch klug taktiert" und höflich auftrat. Die dennoch enorme Länge des Verfahrens sei demgegenüber der "hochpeniblen" Arbeitsweise des Tribunals geschuldet, dass Revisionisten außerhalb des Gerichts die Möglichkeit habe nehmen wollen, im früheren Jugoslawien begangene Verbrechen zu leugnen.

Rechtspolitik

Terrorismus-Gesetzgebung: Für lto.de analysiert Denis Basak die jüngst verabschiedete UN-Resolution 2178. Der Rechtswissenschaftler erkennt in dem Beschluss, der Mitgliedsstaaten zu konkreten gesetzlichen Maßnahmen im "Kampf gegen den Terror-Tourismus" verpflichtet, eine neue Funktion des UN-Sicherheitsrates als "Gesetz(vor-)geber" und zitiert eine Studie zur Wirksamkeit von in Deutschland 2009 eingeführten strafrechtlichen Regelungen. Wie bei anderen Vorfeldkriminalisierungen würden nicht zusätzliche Bestrafungen beabsichtigt und bewirkt, dagegen aber Ermittlungsmöglichkeiten erhöht.

Sympathiewerbung: Die taz (Christian Rath) berichtet zu Überlegungen der Regierungskoalition, im Rahmen von gesetzlichen Maßnahmen gegen Terror-Tourismus die sogenannte Sympathiewerbung für Terrorgruppen wieder einzuführen. Eine seit Einführung des § 129a Strafgesetzbuch (StGB) existierende Bestimmung war 2002 von der damaligen rot-grünen Regierung im Gegenzug für die Einführung des § 129b StGB "leicht liberalisiert" worden. In einem Kommentar bezeichnet Christian Rath (taz) das Vorhaben als "kontraproduktiv." Verkannt würde die "doppelte Funktion der Meinungsfreiheit." Als Garantie einer freiheitlichen Demokratie sei sie nur dann überzeugend, wenn sie auch fragwürdige Ansichten schütze. Daneben würde sie aber auch den Staat "vor unnötigen Zuspitzungen und Eskalationen" bewahren.

Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Jasper von Altenbockum (FAZ) beschäftigt sich im Leitartikel des Blattes aus Anlass der am Wochenende bekanntgewordenen Misshandlung von Flüchtlingen in einer nordrhein-westfälischen Aufnahmeeinrichtung mit der Übernahme öffentlicher Aufgaben durch Private. Diese Praxis sei zu begrüßen, solange sie über dem reinen Kostenargument nicht auch staatliche Aufsichtspflichten vernachlässige. Ansonsten fielen Probleme dem Staat schließlich doch wieder auf die Füße und müssten wie jetzt von Flüchtlingen ausgebadet werden, die zwar "nicht immer Unschuldsknaben, aber doch die Schwächsten der Schwachen" seien.

Investitionsschutz: In der Auseinandersetzung zu den umstrittenen Investitionsschutzklauseln in Freihandelsabkommen plant der neue Kommissionschef Claude Juncker offenbar einen Schritt in Richtung der zahlreichen Kritiker. Wie die SZ (Javier Caceres/Cerstin Gammelin) schreibt, soll der als "Blaupause" für das Abkommen mit den USA dienende Vertragstext mit Kanada die Rolle der nationalen Gerichte stärken. Die Anrufung von Schiedsgerichten solle Unternehmen so erst nach einer 18-monatigen "Abkühlphase", in der versucht werden soll, vor nationalen Gerichten oder außergerichtlich eine Einigung zu erzielen, möglich sein. Allerdings ist ein Verzicht auf Schiedsgerichte nun doch nicht geplant.

Maklergebühren: Wegen der geplanten Neuregelung des Bestellerprinzips bei der Beauftragung von Wohnungsmaklern kündigt der Immobilienverband Deutschland eine Verfassungsbeschwerde an. Wie die SZ (Detlef Esslinger) schreibt, moniert der Interessenverband die vermeintliche Strenge des von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgestellten Entwurfes. Dieser lasse befürchten, dass Vermieter künftig die Beauftragung von Maklern regelmäßig unterließen und gefährde damit die Existenz des Berufes.

Wahlrecht: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) will in einer für den heutigen Dienstag angesetzten Sitzung mit Wahlleitern ergründen, wie künftig wirksam eine mehrfache Stimmabgabe von Doppelstaatlern bei Europawahlen verhindert werden kann. In einem Schreiben habe der Minister ausgeführt, dass die durch das Geständnis des Journalisten Giovanni di Lorenzo offenbarte Regelungslücke bei der Durchsetzung des Verbots der Mehrfachwahl geschlossen werden solle. Die SZ (Robert Roßmann) berichtet.

Anti-Doping-Gesetz: Nach Informationen der FAZ (Anno Hecker, Zusammenfassung) haben sich Bundesinnen-, Justiz- und Gesundheitsministerium auf den Entwurf eines "scharfen" Anti-Doping-Gesetzes geeinigt. Für Spitzensportler solle bereits der Besitz geringer Mengen bestimmter Dopingpräparate strafbar sein. Über den Entwurf, nach dem dopenden Sportlern bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe drohen sollen, berichtet auch die taz.

WLAN-Haftung: Ein der Welt (Patrick Schwarz) vorliegender Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, WLAN-Anbieter im öffentlichen Bereich von der Haftung für Rechtsverstöße ihrer surfenden Kunden freizustellen. Wie diese Aufhebung der Störerhaftung konkret geregelt wird, sei noch offen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. September 2014: Karadzic vor Verurteilung – Ermittlungen zu Oktoberfest-Anschlag? – Niederlage für Katalonien . In: Legal Tribune Online, 30.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13339/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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