Die juristische Presseschau vom 29. Januar 2016: EuG zu Sank­tionen / Straf­bare Gerüchte? / Selek­tiver IStGH

29.01.2016

Recht in der Welt

IStGH – Laurent Gbagbo: Zum Prozessauftakt im Verfahren gegen den ehemaligen ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo und einen früheren Minister vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erklärten sich die Angeklagten für nicht schuldig, berichtet die FAZ (Thomas Scheen). Die Kritik Gbagbos, das Haager Gericht betreibe Siegerjustiz, sei "nicht ganz von der Hand zu weisen". Denn habe sich bislang keiner der Anhänger des Kontrahenten und jetzigen Präsidenten Alassane Outtara wegen der gewaltsamen Auseinandersetzungen nach der umstrittenen Wahl im Dezember 2010 juristisch verantworten müssen.

Diese Kritik teilt Isabel Pfaff (SZ) in einem Kommentar. Durch verschleppte Ermittlungen gegen Outtara machten sich die Haager Strafverfolger "unglaubwürdig" und gefährdeten damit letztlich auch den Fortbestand des gerade in Afrika umstrittenen Gerichts.

EuG zu Österreich/BayernLB: Eine von der Republik Österreich zugunsten der BayernLB erteilte Garantie ist nach einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union als staatliche Beihilfe einzustufen. Weil die Beihilfe aber mit Unionsrecht vereinbar war, wies das Gericht die Nichtigkeitsklage Österreichs gegen Beschlüsse der EU-Kommission ab, berichtet lto.de.

Polen – Staatsumbau: Nach einer Meldung von zeit.de hat das polnische Parlament eine Neuregelung beschlossen, nach der alle Staatsanwaltschaften des Landes der direkten Aufsicht des Justizministeriums unterstellt würden. Der Justizminister solle nun auch die Funktion des Generalstaatsanwalts übernehmen und damit das Recht erlangen, bei jeder Ermittlung zu intervenieren.

Österreich – Obergrenze: Auf verfassungsblog.de unternimmt Ralph Janik, Uni-Assistent in Wien, eine "vorläufige rechtliche und politische Bestandsaufnahme" der von der österreichischen Regierung geplanten Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Die politischen Vorstellungen liefen bei Erreichung des Grenzwerts auf entweder eine Zurückweisung an der Grenze oder das womöglich jahrelange Nichtbearbeiten von Asylanträgen hinaus, beide mit eigenen rechtlichen Problemen behaftet. Wegen der "allgemeinen Zuspitzung der Lage" sei daher auch eine "maßgebliche Veränderung des Flüchtlingsrechts" auf europarechtlicher oder auch völkerrechtlicher Ebene denkbar.

Großbritannien – Brexit: Für den EU-Gipfel Mitte Februar ist der Abschluss einer Vereinbarung zur zukünftigen Rolle Großbritanniens in der EU geplant, über die zu einem späteren Zeitpunkt die britischen Bürger in einem Referendum abstimmen sollen. Die SZ (Daniel Brössler) analysiert nun auch die vier zur Verhandlung stehenden "Körbe" im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Europarecht. Die britische Regierung fordere etwa eine Stärkung nationaler Parlamente, die im Zusammenschluss EU-Gesetzesvorhaben verhindern könnten. Dies kollidiere mit dem existierenden EU-Gesetzgebungsverfahren mit seinem Initiativrecht bei der Kommission und Zustimmungsbedürftigkeit durch Rat und Europäisches Parlament.

Türkei – Journalisten: Auch die FAZ (Karen Krüger) berichtet nun über den Fall der in Istanbul wegen angeblichem Geheimnisverrat von einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedrohten Journalisten Can Dündar und Erdem Gül.

Sonstiges

Diskriminierung: Nach mehreren Berichten über Zugangsverbote für Flüchtlinge in Schwimmbädern und Discos untersucht die wissenschaftliche Mitarbeiterin Doris Liebscher auf juwiss.de die Rechtmäßigkeit derartiger Praktiken im Lichte des Regelungsgehaltes des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Norm biete "keinerlei Ausnahmevorschriften" für rassistische Diskriminierung, welche auch nicht vom Hausrecht von Einrichtungsbetreibern gedeckt werde.

Maßnahmen wie ein Badeverbot für Flüchtlinge sind nach dem Kommentar von Jost Müller-Neuhof (Tsp) ein Indiz für Populismus als den "heimlichen Herrscher einer jeden Demokratie". In einer "vereinfachten Weltbetrachtung" in den Kategorien von "die und wir" müssten "bei allen auftauchenden Schwierigkeiten" ebenso einfache, wenn auch "schlichte Lösungen" her. Dabei gebe es Gesetze wie das AGG als "eine Art staatliches Erziehungs- und Integrationsprogramm".

EKD-Behandlung von Bagatelltätern: Heribert Prantl (SZ) kommentiert die nun bekanntgewordene Vereinbarung der Kieler Polizei vom vergangenen Oktober, bei wegen Bagatelldelikten aufgegriffenen Ausländern auf erkennungsdienstliche Maßnahmen zumindest dann verzichten zu wollen, wenn die Betroffenen Ersttäter seien und keine Ausweispapiere besäßen. Auch wenn der "Kieler Unsinn" von der Generalstaatsanwaltschaft verboten worden sei, eigne sich die Geschichte, Vorurteile zu befeuern. Mit "vernünftigen Vorschlägen" einer generellen Entkriminalisierung von Bagatelldelikten oder alternativen Sanktionsmöglichkeiten hätten sie auf jeden Fall nichts zu tun. Die Polizei könne sich ungeachtet aller tatsächlichen Schwierigkeiten ihrer ureigensten Aufgabe, der Registrierung und Identifizierung von Taten und Tätern, nicht entziehen.

Smart-TV und Datenschutz: Internetfähiges Fernsehen, sogenanntes Smart-TV, eröffnet Nutzern zahlreiche früher unbekannte Möglichkeiten des Medienkonsums. Dabei ist vielen Verbrauchern jedoch nicht bewusst, dass die Online-Verbindung auch Daten an Fernsehsender, Gerätehersteller und sonstige Dritte sendet, wie Rechtsanwalt Tobias Kohl auf lto.de darlegt. Datenschutzrechtliche Bestimmungen zur Information von Verbrauchern und deren erforderlicher Zustimmung würden dabei häufig unterlaufen, wie eine Überprüfung durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht im vergangenen Jahr ergab.

Dashcams: Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde nach einem Bericht der FAZ (Reinhard Bingener) über die Rechtmäßigkeit von Aufnahmen sogenannter Dashcams diskutiert. Deren Verwertbarkeit sei in bislang vorliegenden unterinstanzlichen Entscheidungen widersprüchlich behandelt worden. Ein vergleichbares Meinungsbild gaben die im Artikel wiedergegebenen Referenten wieder.

Das Letzte zum Schluss

Gerichtssprache: Im vergangenen November untersagte ein belgisches Gericht dem Facebook-Konzern die Verwendung von Cookies, mit denen das Surf-Verhalten auch von Nicht-Mitgliedern des sozialen Netzwerks verfolgt werden kann. In der nun eingelegten Berufung gegen das Urteil haben sich die sicherlich hochkompetenten Anwälte des Internet-Konzerns eine besondere Argumentationslinie einfallen lassen. Nach dem Bericht von spiegel.de (Fabian Reinbold) wird die Verwendung englischsprachiger Begriffe wie eben "Cookie", aber auch "Browser" oder "Homepage" im Urteil moniert. Damit verstieße das Gericht gegen belgisches Recht, nach dem alle Urteile einer der offiziellen Sprachen des Landes – Französisch, Niederländisch, Deutsch – verfasst werden müssen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. Januar 2016: EuG zu Sanktionen / Strafbare Gerüchte? / Selektiver IStGH . In: Legal Tribune Online, 29.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18289/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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