Die juristische Presseschau vom 26. bis 28. November 2016: Sch­mer­zens­geld für Ange­hö­rige / Justiz im Internet / 3D-Tat­ort­ver­mes­sung

28.11.2016

Die Regierungskoalition hat sich auf eine Regelung des Hinterbliebenengeldes geeinigt. Außerdem in der Presseschau: Die Justiz im Netz, neue Justiz-Statistiken, Tatortvermessung in 3D, Predictive Policing und teure Sonderangebote.

Thema des Tages

Schmerzensgeld für Angehörige: Die Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzentwurf zur Regelung des sogenannten Hinterbliebenengeldes geeinigt. Wer etwa durch Straftat oder fremdverschuldeten Unfall einen Angehörigen im erweiterten Sinn verliert, kann einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Verursacher haben. Anspruchsberechtigt sollen "nahestehende Personen" sein, neben nahen Verwandten auch unverheiratete Partner oder der soziale Vater. Die Haftung solle auch dann gelten, wenn der Verursacher nur aus Gefährdungshaftung – wie sie etwa das Arzneimittelgesetz oder das Straßenverkehrsgesetz vorsehen – hafte. Geregelt werden soll dies in einem neuen § 844 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch. Dazu informieren die Montags-taz (Christian Rath) und der Spiegel (Dietmar Hipp).

Christian Rath (Montags-taz) begrüßt die geplante Regelung. "Amerikanische Zustände" seien auch nicht zu befürchten – vielmehr würden sich Ansprüche im Rahmen der in Deutschland "üblichen Schadenersatz- und Schmerzensgeldsummen" bewegen, es gehe also höchstens um einige zehntausend Euro. 

Rechtspolitik

Justiz im Netz: Dürfen sich Richter und Staatsanwälte in sozialen Medien öffentlich zu Recht und Gesellschaft äußern? Mit dieser Frage beschäftigte sich jüngst eine Podiumsdiskussion des Deutschen Richterbundes, so die Montags-FAZ (Marcus Jung), die im Wirtschafts-Teil die Argumente zusammenfasst. Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, der eine "Ja, schon … aber"-Position vertrete, sah sich zwei starken Befürwortern "digitaler Kommunikation" gegenüber, namentlich Thomas Stadler, Rechtsanwalt und bekannter Blogger, und Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, der mehrere "Kanäle" betreibe, darunter einen wöchentlichen verfassungsrechtlichen Podcast.

"Schleichend in den Überwachungsstaat": Unter diesem Titel befassen sich Jörg Breithut und Markus Böhm (spiegel.de) mit Überwachungsmaßnahmen, die aktuell geplant oder beschlossen worden sind, darunter das neue BND-Gesetz, die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz und die Vorratsdatenspeicherung.

In der Montags-FAZ beleuchtet Constanze Kurz kritisch Regelungen im neuen BND-Gesetz, die insbesondere den Konflikt der Bundesregierung verdeutlichten, die mögliche Abhängigkeit des BND von der NSA und die öffentliche Meinung, die sich gegen mehr Überwachung richte, nicht in Einklang bringen zu können.

Heiko Maas' Gesetzesvorhaben: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat gegenüber Medienvertretern mehrere Gesetzesvorhaben angekündigt. Nach Meldung der Samstags-Welt betrifft dies zum einen eine Änderung des Parteiengesetzes als Konsequenz aus der Affäre um gesponserte Gespräche bei der SPD. zeit.de berichtet zudem zu einer geplanten Strafverschärfung für Wohnungseinbruchsdiebstähle. Diese sollten nach Vorstellung des Ministers künftig mindestens mit sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet werden, sogenannte minder schwere Fälle dagegen gestrichen werden.

Conterganstiftungsgesetz: Laut einem Beitrag der Montags-Welt (Sabine Menkens) seien Änderungen am Conterganstiftungsgesetz, ursprünglich aus dem Jahr 1971, geplant, die die leichtere Auszahlung an Geschädigte herstellen soll: so solle es künftig für jeden Betroffenen eine jährliche Pauschale zur zur freien Verwendung geben, mit der Möglichkeit zusätzlicher Leistungen.

Mit den juristischen Folgen des Contergan-Skandals in den 1960ern in Deutschland und im Ausland befasst sich auch Martin Rath (lto.de) in einem ausführlichen rechtsgeschichtlichen Beitrag. Unter anderem geht es um das Contergan-Strafverfahren vor dem Landgericht Aachen, das 1968 nach 283 Verhandlungstagen nach § 153 Strafprozessordnung eingestellt wurde.

Rentenreform: Was die geplante Rentenreform für die Rentner von heute und morgen bedeuten, erläutert die FAS (Sebastian Balzter) in Frage-Antwort-Form.

Interview Mellinghoff: Mit dem Präsidenten des Bundesfinanzhofes, Rudolf Mellinghoff, spricht die FAS (Corinna Budras) über objektive und subjektive Steuergerechtigkeit, die Einführung einer Vermögenssteuer, den Schutz des Steuergeheimnisses, Datenbesteuerung, die Austrocknung von Steueroasen, Probleme, die mit der Kompetenzerweiterung der EU im Steuerbereich einhergehen und warum "die Steuern der Lebensnerv eines jeden demokratischen Staates" sind.

KAS-Konferenz: Von der jährlichen rechtspolitischen Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung berichtet die Samstags-FAZ (Reinhard Müller). Zugegen waren etwa der frühere Bundesverfassungsrichter Herbert Landau, der betonte, die Duldung rechtsfreier Räume hieße, den Rechtsstaat auszuhöhlen, und der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz, der beklagte, den Bürgern sei das Vertrauen in den Rechtsstaat abhandengekommen.

Interview Snowden-Anwalt: Anlässlich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus der letzten Woche zur Zeugenladung im NSA-Untersuchungsausschuss erklärt Wolfgang Kaleck, einer der Anwälte Edward Snowdens, dem Spiegel (Martin Knobbe, Zusammenfassung bei spiegel.de) gegenüber, sein Mandant habe nach wie vor Interesse, in Deutschland auszusagen. Dies sei aber davon abhängig, dass die Bundesregierung Snowden Sicherheit bei Anreise, Aufenthalt und Abreise gewährleistet.

Open Data: netzpolitik.org (Markus Beckedahl) veröffentlicht den ersten Entwurf eines Eckpunktepapiers für das geplante Open-Data-Gesetz. Das Papier offenbare die Absicht des Bundesinnenministeriums, "ein eigenes PR-trächtiges Gesetz" zu erschaffen, das kaum Neuregelungen enthalte, dafür aber Rechtsunsicherheit schaffe. So bliebe es dank umfangreicher Ausnahmetatbeständen Bundesbehörden weiterhin überlassen, welche Daten sie aktiv veröffentlichen wollten.  

Berufszulassungen Immobilienmakler: Im kommenden Jahr will der Gesetzgeber mit neuen Regelungen für die Berufszulassung entsprechende Bestimmungen für Immobilienmakler und Wohnungseigentumsverwalter schaffen bzw. verschärfen. Rechtsanwalt  Lars Christian Nerbel begrüßt auf lto.de die Maßnahme als "ersten Schritt in die richtige Richtung", hält die konkrete Ausgestaltung aber für verbesserungswürdig. In jedem Fall dürften Verbraucher erwarten, dass sie an den entstehenden Kosten beteiligt werden.

Autobahnen: Rechtsanwältin Ute Jasper nimmt auf lto.de kritisch Stellung zur geplanten (Teil-) Privatisierung der Autobahnverwaltung. Die Debatte hierzu werfe bislang "mehr Fragen als Antworten" auf, so sei bereits nicht ersichtlich, warum der Staat deutschen Versicherungen und Banken als den vermeintlichen Investoren lukrative Investitionsmöglichkeiten eröffnen müsse. Soweit Unternehmen beteiligt würden, könne dies ohnehin nur mit europaweiten Ausschreibungen geschehen. Eine Steigerung der Effizienz der Straßenbauverwaltung lasse sich vor allem durch vorausschauende Planung erreichen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. bis 28. November 2016: Schmerzensgeld für Angerige / Justiz im Internet / 3D-Tatortvermessung . In: Legal Tribune Online, 28.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21271/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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