Die juristische Presseschau vom 28. April 2015: Unangemessene Vergebung? – Deutsche Bank vor Gericht – Entschädigung für Agent Orange

28.04.2015

Die Nebenkläger im Auschwitz-Prozess vor dem LG Lüneburg streiten über den angemessenen Umgang mit dem Angeklagten. Außerdem in der Presseschau: Massendelikt Wohnungseinbruchdiebstahl, Zeugenvernehmungen im Fall Tuğçe, Vorberichte zum Deutsche Bank-Verfahren, Entschädigungen wegen Agent-Orange-Schäden und Aus für ausgefallene Nebentätigkeit.

Thema des Tages

LG Lüneburg – Auschwitz: In der vergangenen Woche sorgte im Verfahren gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning vor dem Landgericht Lüneburg eine Versöhnungsgeste der Auschwitz-Überlebenden Eva Mozes Kor für Aufsehen. Die Nebenklägerin hatte nach ihrer Zeugenvernehmung dem Angeklagten erklärt, dass sie ihm vergebe. Nachdem sie diesen Schritt auch noch in der Fernsehsendung von Günther Jauch erläuterte, veröffentlichten Anwälte im Namen von 49 anderen Nebenklägern nun eine Presseerklärung. In dieser wird auf das "widersprüchliche" Verhalten Frau Kors verwiesen und kritisiert, dass sie ihre Rolle als Nebenklägerin zu einer "medial inszenierten persönlichen Verzeihung" zu nutzen versuche. Die 81-Jährige spreche nur für sich selbst. Es berichten unter anderem SZ (Karin Steinberger) und taz (Klaus Hillenbrand).

Nach Gisela Friedrichsen (spiegel.de) ist der Angeklagte "denkbar ungeeignet für die Verbrüderung zwischen Tätern und Opfern". Er habe zwar ein moralisches Fehlverhalten eingestanden, seine konkrete Beteiligung am Massenmord hingegen nicht reflektiert. Der Prozess sei "keine Verbrüderungsshow und auch keine Vergebungsparty", er biete vielleicht zum letzten Mal die Gelegenheit, mit rechtsstaatlichen Mitteln "auf die Hölle Auschwitz zu reagieren". Dagegen erkennt Christian Bommarius (Berliner Zeitung) in den Äußerungen der Nebenklägerin einen Versuch, "sich nicht bis zu ihrem Lebensende als Opfer anzusehen" und von der Mitwelt derartig wahrgenommen zu werden. Die Stellungnahme der übrigen Nebenkläger sei legitim, gleichsam könne Frau Kor nicht vorgeworfen werden, "dass sie sich selbst zur Verzeihung verurteilt, um die Erinnerung an Auschwitz ertragen zu können".

Rechtspolitik

Zusammenarbeit BND/NSA: spiegel.de (Matthias Gebauer/Veit Medick) fasst die wichtigsten Fragen zur jüngsten Affäre um Datenaustausch zwischen BND und NSA und mögliche Kenntnis des Kanzleramts zusammen.

Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff (verfassungsblog.de) plädiert dafür, angesichts der gegenwärtig noch zu zahlreichen offenen Fragen von einer endgültigen Bewertung abzusehen.

Dagegen beweise nach Ansicht Armin Schusters (CDU), Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, die neue Affäre die Notwendigkeit der Schaffung eines Nachrichtenbeauftragten des Bundestages. Vergleichbar mit dem Amt des Wehrbeauftragten könne eine solche Stelle "hauptamtlich und mit eigenem Stab die Dienste kontrollieren und positiv begleiten", so das Handelsblatt (Till Hoppe).

Suizidhilfe: Angesichts der offenbaren Schwierigkeiten der Bundestags-Fraktionen, Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe zu formulieren, schlägt Heike Schmoll (FAZ) im Leitartikel der Zeitung vor, es bis auf weiteres bei der gegenwärtigen Rechtslage zu belassen. Ohne "weitere Verbote oder Liberalisierungen" könne der "Graubereich" der Suizidbeihilfe noch besser untersucht werden. Zudem ließe sich feststellen, "ob zusätzliche Verbote den halblegalen Bereich der Suizidbeihilfe nicht unverhältnismäßig stärkten, anstatt ihn transparent zu machen".

Wohnungseinbruchdiebstahl: Die Rechtswissenschaftler Henning Hofmann und Florian Albrecht kritisieren auf lto.de den staatlichen Umgang mit dem Massendelikt Wohnungseinbruchdiebstahl. Höhere Strafdrohungen nützten nichts, wenn nur ein Bruchteil der Täter gefasst werde, Vorschläge zu verbesserten Selbstschutzmaßnahmen kämen einem "sicherheitspolitischen Offenbarungseid" gleich. Angesichts der "besonders dramatisch" einzustufenden Auswirkungen für Betroffene dürfe es nicht verwundern, wenn Bürger "die Gründung von Bürgerwehren und -patrouillen als Option wahrnehmen". Auch sei eine vorhersagende Polizeiarbeit im Sinne einer rechnergestützten Prognostik erwägenswert.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. April 2015: Unangemessene Vergebung? – Deutsche Bank vor Gericht – Entschädigung für Agent Orange . In: Legal Tribune Online, 28.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15366/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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