Die juristische Presseschau vom 27. April 2016: Türkei und Rechts­staat / Staats­an­wälte geben nicht auf / Pro­zess gegen "Lux­leaks"-Ent­hüller

27.04.2016

Die Türkei wird mehrfach für mangelnde Rechtsstaatlichkeit kritisiert. Außerdem in der Presseschau: Staatsanwaltschaft geht gegen die Deutsche Bank-Freisprüche in Revision, in Luxemburg begann Prozess gegen den "Luxleaks"-Enthüller.

Thema des Tages

EGMR zu Aleviten: Die Türkei benachteiligt die etwa 20 Millionen Aleviten im Land ohne vernünftige Gründe gegenüber der sunnitischen Mehrheit verletzte sie damit in ihrer Religionsfreiheit aus Art. 9 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am gestrigen Dienstag. Zudem bestehe ein Versoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK – die Richter sprachen von einem "eklatanten Ungleichgewicht" zwischen Aleviten und Sunniten, das der Staat "weder relevant noch ausreichend in einer demokratischen Gesellschaft" begründe, so zeit.de zeit.de . Verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) stellt die Verbindung zu einem weiteren Urteil gegen die Türkei her und kommt zu dem Schluss, diese gäben "tiefe Einblicke in die Art, wie Erdoğans Türkei funktioniert. Sie machen sichtbar, dass dies ein Staat ist, der (Verfassungs-)Recht nicht als Bindung versteht, sondern als Waffe benutzt."

Türkei – Meinungs- und Pressefreiheit: Zunehmend verwehrt die Türkei kritischen ausländischen Journalisten die Einreise – das Land suche sich zurzeit aus, wer berichten darf und wer nicht, schreibt die SZ (Mike Szymanski). Das Hbl (Ozan Demircan) berichtet, dass von einer Vielzahl türkischer Journalisten, die für kritische Berichterstattung etwa wegen Präsidentenbeleidigung oder angeblicher Spionage angeklagt wurden. taz (Konrad Litschko) Christian Bommarius (BerlZ) meint, damit sei "die Pressefreiheit nicht in Gefahr, sondern verloren", sie stehe "auf der Todesliste der Regierung". Für weitere Kritik sorgt unterdessen, dass die Türkei ein Erdogan-kritisches Foto aus einer Ausstellung in Genf entfernt haben möchte, so spiegel.de.

Türkei – Islamische Verfassung: Nach Ansicht von AKP-Parlamentspräsident İsmail Kahraman soll es in der Türkei zukünftig eine "religiöse Verfassung" geben, in der Säkularismus keine Rolle mehr spielen dürfe. Obgleich dies auf Ablehnung auch aus der eigenen Partei stößt, konstatiert zeit.de (Lenz Jacobsen), es füge sich in die Umgestaltungspläne der türkischen Regierung ein. Dies meint auch Jürgen Gottschlich (taz), der die Türkei in einem Umbau zu einem autoritären Präsidialsystem, in dem der Islam zur Grundlage des Staates wird, begriffen sieht.

Rechtspolitik

TV-Übertragung aus dem Gerichtssaal: Bundesjustizminister Heiko Maas hat im Gesetzentwurf für mehr Gerichtsöffentlichkeit seine ursprünglichen Pläne abgeschwächt. Urteilsverkündungen von Bundesgerichten sollen im Fernsehen übertragen werden dürfen, wenn der Vorsitzende Richter zustimmt, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Möglich soll auch die Tonübertragung in einen Nebenraum für Medienvertreter sowie Bildaufnahmen zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken und bei "herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung" werden.

Behindertenrechte: Der Entwurf für das Bundesteilhabegesetz sieht vor, dass behinderte Menschen zukünftig mehr Geld von ihrem Verdienst behalten und auch deutlich mehr Geld für Altersvorsorge ansparen dürfen. Ein "Recht auf Sparen" war unter anderem von über 300.00 Menschen per Online-Petition gefordert worden, berichtet die SZ (Thomas Öchsner).

Urhebervertragsrecht: Im Streit um die Reform des Urhebervertragsrechts befasst sich nun der Bundestag mit dem Gesetzentwurf, der zuletzt deutlich entschärft wurde. Nach wie vor gibt es allerdings starke Kritik, weil die Interessen der Autoren gegenüber den Verlagen zu wenig Berücksichtigung fänden, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt).

Sexualstrafrecht: Mit der Kritik an der geplanten Reform des Sexualstrafrechts befasst sich die SZ (Constanze von Bullion) sowie der SWR RadioReport Recht (Gigi Deppe/Bernd Wolf). Der bisherige Entwurf schütze nicht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung an sich, insbesondere da er nach wie vor Widerstandshandlungen des Opfers für eine Strafbarkeit des Täter voraussetze.

§ 103 StGB: Übereinstimmend sprechen sich Union und SPD für eine Abschaffung des Straftatbestands der Majestätsbeleidigung (§ 103 Strafgesetzbuch) aus. Während die CDU dies jedoch ab 2018 plant, setzt sich die SPD für eine sofortige Änderung ein, so spiegel.de.

Christoph Frank im Interview: Nun bringt auch die Badische Zeitung (Christian Rath) ein Interview mit Christoph Frank, dem scheidenden Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds. Er spricht über Richterbesoldung, Selbstverwaltung der Justiz, mangelhafte Personalausstattung und die Zufriedenheit der Bürger. Ein soziale Schieflage der Justiz verneint er.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. April 2016: Türkei und Rechtsstaat / Staatsanwälte geben nicht auf / Prozess gegen "Luxleaks"-Enthüller . In: Legal Tribune Online, 27.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19195/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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