Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2013: "Freiheit für Gustl Mollath" – Parlamentarisches Kontrollgremium will's wissen – ArbG löst Betriebsrat auf

25.07.2013

Freiheit für Mollath hatten sich viele gewünscht. Das Landgericht entschied sich aber gegen eine Wiederaufnahme des Verfahrens - kann die Justiz einfach keine Fehler zugeben? Außerdem in der Presseschau: Zschäpe unterm Hakenkreuz, Raucher aus der Wohnung und ab wann es für geplagte Prüflinge Hitzefrei gibt.



Fall Mollath - LG Regensburg lehnt Wiederaufnahme ab: Das Landgericht Regensburg hat sowohl den Antrag des Anwalts Gerhard Strate auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen seinen Mandanten Gustl Mollath als auch den Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg als unzulässig abgelehnt. Die SZ (Olaf Przybilla) erläutert: Das Gericht habe keine Wiederaufnahmegründe erkennen können. Zwar sei es im Verfahren gegen Mollath zu Fehlern gekommen, als Wiederaufnahmegrund müsse indes etwa eine "strafbare Verletzung der Amtspflicht" eines beteiligten Richters vorliegen, dies setze wiederum ein rechtskräftiges Urteil voraus. Auch gebe es für die bewusste Fälschung von Tatsachen keine Anhaltspunkte.

Auch die FAZ (Albert Schäffer) berichtet über den 115-seitigen Beschluss des LG. Unter anderem halte es das Gericht für unbeachtlich, dass das Urteil gegen Mollath 2006 auf ein Gutachten einer Ärztin gestützt wurde, "das in Wahrheit ihr Sohn" ausgestellt hatte. Auch der Bericht der Hypovereinsbank, nach dem alle "nachprüfbaren" Behauptungen Mollaths zuträfen, hielt das Gericht für unerheblich.

spiegel.de fasst die Entscheidung zusammen und verlinkt diese sowie die Pressemitteilung des LG. Das ärztliche Attest sei entgegen der Anträge keine "unechte Urkunde", was ein Wiederaufnahmegrund gewesen wäre. Der Bank-Bericht sei insofern unerheblich, als bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung für möglich gehalten wurde, dass die Schwarzgeldvorwürfe zutreffen könnten. Die taz (Marlene Halser) erläutert die "Crux", von der auch das Gericht in der Entscheidung spreche: "Alle Mängel, die im Verfahren gegen Mollath unterlaufen sind, sind heute verjährt." 2006 war Mollath als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen worden, nachdem er angeblich seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen hatte. Als Begründung, so die taz, sei auf einen "krankhaften Wahn" abgestellt worden: Mollath habe "immer wieder" auf illegale Geschäfte bei der Hypovereinsbank hingewiesen. Weiter berichtet die taz, Mollaths Anwalt und die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) hätten bereits angekündigt beim Oberlandesgericht Nürnberg Beschwerde einzulegen. Auch prüfe Merk eine Begnadigung – die ist aber, so die taz, erst nach Erschöpfung aller Rechtsmittel möglich.

In einem zweiten Beitrag erläutert die taz (Christian Rath), das Bundesverfassungsgericht wolle bereits "in den kommenden Wochen" über die vom Mollath-Anwalt Michael Kleine-Cosack eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die vom Oberlandesgericht Bamberg bestätigte Entscheidung des Landgerichts Bayreuth zur fortdauernden Unterbringung im Jahr 2011 entscheiden. Weiter habe das OLG Bamberg im Juli 2013 entschieden, das LG Bayreuth müsse ein neues Gutachten einholen zur Gefährlichkeitsprognose. Die Heranziehung eines alten Gutachtens genüge nicht.

"Freiheit für Gustl Mollath" fordert Christian Rath(taz), für den der juristische Weg in die Freiheit "mittlerweile zweitrangig" ist: Mit jedem weiteren Tag werde die Unterbringung "immer unverhältnismäßiger". Den Beschluss findet Rath indes wenig überraschend, auch glaubt er nicht an die vielbeschworene "Hörigkeit" der Justiz gegenüber der Landesregierung; vielmehr sei es eine "Art Korpsgeist der Richter, einander nicht wehzutun". Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: Eigene Fehler zugeben und korrigieren, gar Mitgefühl andeuten, wie es eigentlich auch zum Rechtsstaat gehört? - "Das ist in der Justiz und in ihrer politischen Spitze unterentwickelt". Uwe Ritzer (SZ) drängt sich der Verdacht auf, manchen Angehörigen der bayerischen Justiz gehe es nur noch "ums Rechthaben", sie könnten oder wollten sich und ihresgleichen nicht hinterfragen. Ritzer empört sich weiter über die aus der Entscheidung folgende Logik, die er "überspitzt" zusammenfasst: "Selbst die größten Schlampereien in Gerichtsverfahren sind kein Problem, solange dem Richter keine Absicht nachzuweisen ist." Keinen Justizskandal möchte Heinrich Wefing (zeit.de) in der Entscheidung erblicken. Zwar könne in krassen Fällen die "heilige" Rechtskraft eines Urteils durchbrochen werden, aber einige Ungereimtheiten im Prozess und kleinere Verfahrensfehler genügten eben nicht. Separat fasst die SZ (Frank Müller/Olaf Przybilla) die größtenteils empörten Reaktionen von Strafrechtlern und Politikern zusammen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Datenschutzämter gegen Safe-Harbor: Auf der Konferenz der Datenschutzämter von Bund und Ländern erklärten diese, bis auf weiteres keine Genehmigungen für Firmen nach dem "Safe Harbor"- Abkommen zu erteilen. Udo Vetter (lawblog.de) informiert: "Datenschutzbehörden zeigen Krallen." Auch solle geprüft werden, ob das gesamte Abkommen auszusetzen ist. Man gehe davon aus, dass die US-Regierung sich von den Diensteanbietern wie Google eine "Generalermächtigung" zum Abgreifen aller Daten geben ließ". Auch spiegel.de berichtet.

PKGr zu NSA-Affäre: Am Donnerstag werden alle deutschen Geheimdienstchefs "im Schlepptau" des Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages auftreten müssen, um Rede und Antwort zum NSA-Spähskandal zu stehen. Laut SZ (Daniel Brössler, ähnlicher Beitrag auf sueddeutsche.de) habe etwa die SPD dem Kanzleramt vorab einen 115 Fragen umfassenden Katalog zukommen lassen. Besonders eingehend würden die Abgeordneten im PKGr wohl Gerhard Schindler, den Chef des Bundesnachrichtendienstes, befragen, der laut Berichten des Spiegel den US-Amerikanern eine laxe Auslegung deutscher Datenschutzbestimmungen in Aussicht gestellt haben soll.

Die FAZ (Günter Bannas) berichtet ebenfalls: Pofalla werde, als "enger politischer Vertrauter" der Bundeskanzlerin Merkel und als "Koordinator der deutschen Nachrichtendienste im Mittelpunkt der Fragen" im PKGr stehen. Die Fragen würden sich richten auf genaue Kenntnisse Merkels, Absprachen zwischen deutschen und amerikanischen Sicherheitsbehörden und auch auf den NSA-Neubau in Wiesbaden. "Merkels Diener in der Spähaffäre" – Das Handelsblatt (Sven Prange/Thomas Sigmund) berichtet ebenfalls, mit Fokus auf Pofalla.

NSU-Untersuchungsausschuss: "Betriebsblinde" – Die Zeit (Mariam Lau) berichtet zum Ende der zweijährigen Arbeit des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum NSU, dem ersten U-Ausschuss, der überparteilich ins Lebens gerufen wurde. Im Abschlussbericht fänden sich immer wieder "deprimierende Paradoxien", so etwa das ausgerechnet der Föderalismus – "eine Konsequenz aus der NS-Zeit" - den "neuen Nazis" geholfen habe.

Geiger und Dreier zu NSA-Überwachung: Gegen das "spürbare Desinteresse" der Menschen in Deutschland am NSA-Skandal gibt Udo Vetter (lawblog.de) Aussagen von Hansjörg Geiger, Ex-BND-Chef, und Horst Dreier, Rechtsprofessor, zur Sache wieder. Dreier etwa sehe ein Problem darin, wie das Grundgesetz anderen Staaten entgegengehalten werden könne. Geiger meint: "Das ist falsch, das ist Orwell."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2013: "Freiheit für Gustl Mollath" – Parlamentarisches Kontrollgremium will's wissen – ArbG löst Betriebsrat auf . In: Legal Tribune Online, 25.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9213/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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