Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. Mai 2016: Noch mehr Inves­ti­ti­ons­schutz / Noch immer kein Kük­en­schutz / Gesund­heits­schutz durch Schock­bilder

23.05.2016

Kehrtwende im Wirtschaftsministerium: Minister Gabriel will europäischen Investorenschutz. Außerdem in der Presseschau: OVG Münster erlaubt das Töten von männlichen Küken und BVerfG billigt Schockbilder auf Zigarettenpackungen.

Thema des Tages

Investorenschutz: Deutschland und vier weitere Staaten wollen einen EU-weiten Investorenschutz mit zugehörigem EU-Schiedsgericht einrichten. Mit diesem neuen Abkommen sollen die mehr als 200 bilateralen Investitionsschutz-Vereinbarungen zwischen EU-Staaten ersetzt werden. Christian Rath (Montags-taz) wundert sich über den Vorstoß, denn das Wirtschaftsministerium habe bisher immer die Auffassung vertreten, dass spezieller Investitionsschutz zwischen Ländern mit belastbarer Rechtsordnung nicht erforderlich sei. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel beweise hier kein Gespür: "Wie kann man in einer Situation, in der die Stimmung gegen TTIP längst gekippt ist, heimlich eine Ausweitung der Sonderrechte für Investoren auf ganz Europa vorantreiben?"

Einzelheiten zur vorgeschlagenen Ausweitung des Investitionsschutzes berichtete bereits die Samstags-taz (Christian Rath).

Rechtspolitik

Mord: Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU hat sich gegen die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas ausgesprochen, § 211 StGB zu reformieren, berichtet spiegel.de. Die Fraktion hält Änderungen für überflüssig, die Rechtsprechung habe für alle Grenzfälle durchweg akzeptable Lösungen gefunden, wird die rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker zitiert.

Sexualstrafrecht: Peter Praschl (WamS) ist der Auffassung, dass die derzeitige Regelung zur strafrechtlichen Verfolgung der Vergewaltigung ausreichend ist und wendet sich gegen Änderungen. Er weist darauf hin, dass Strafrecht immer auch den Angeklagten schützt, der bis zu seiner Verurteilung als unschuldig zu gelten habe. Deshalb müsse der Tatbestand der Vergewaltigung möglichst objektiv gefasst werden.

Prepaid-Handys: Laut netzplitik.org (Andre Meister) will die Bundesregierung bereits in dieser Woche ein neues Anti-Terror-Paket beschließen, in dem unter anderem eine Identifikationspflicht für Prepaid-SIM-Karten vorgesehen ist. Provider und Händler sollen verpflichtet werden, bei Prepaid-Nutzern von Mobilfunkgeräten stets ein gültiges Identitätsdokument mit vollständigen Adressangaben zu verlangen. Für pseudonyme Prepaid-Karten gebe es jedoch zahlreiche Gründe, so Meister, angesichts der immensen Sensibilität und Aussagekraft von Mobilfunktdaten.

Integrationsgesetz: Heribert Prantl (SZ) analysiert das geplante Integrationsgesetz. Das Problem an der Neuregelung bestehe vor allem darin, dass es seine Ziele nicht klar formuliere und keine ausreichende Rechtssicherheit bringe. Für die Kommunen ist die Finanzierung der vorgesehenen Maßnahmen noch nicht ausreichend geklärt, berichtet die FAZ (Jasper von Altenbockum). Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag haben deshalb in einer Stellungnahme das geplante Gesetz heftig kritisiert.

Sammelklagen: In einem Gastkommentar für das HBl spricht sich Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, gegen die Einführung von Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild aus. Die von Bundesjustizminister Maas vorgesehene Musterklage würde dagegen sowohl den Geschädigten als auch den Unternehmen, insbesondere kleineren Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung, helfen.

Whistleblower: Die Montags-SZ (Cerstin Gammelin/Markus Zydra) setzt sich mit dem geplanten Gesetz zur Änderung des Finanzdienstleistungsgesetzes auseinander, das einen besseren Schutz für Whistleblower verspricht. Momentan traue sich aber noch nicht einmal das Bundesfinanzministerium selbst, eine Einschätzung darüber abzugeben, wie effektiv das Gesetz tatsächlich wäre.

Maßregelvollzug: Niedersachsen will den Maßregelvollzug ändern, berichtet die Samstags-SZ (Thomas Hahn). Sozialministerin Cornelia Rundt hat verfügt, dass richterliche Beschlüsse zum Maßregelvollzug künftig an das Ministerium zu melden sind. Um Fehler bei Lockerungsentscheidungen zu vermeiden, soll eine zentrale Prüfstelle den niedersächsischen Einrichtungen zur Seite gestellt werden.

Unterhalt: Der Deutsche Anwaltverein spricht sich für ein einfacheres Unterhaltsrecht aus und hat dazu einen Reformvorschlag vorgelegt, dessen Inhalt die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) zusammenfasst. Danach soll ein Unterhaltsanspruch nach der Scheidung künftig nur noch die Ausnahme sein und sich an der Bedürfnislage und nicht mehr am Ehestandard orientieren. Die Vorstellung, der Lebensstandard in der Ehe müsse bis zum Tod gehalten werden, sei überkommen.

Asylrecht: Die Montags-taz (Christian Rath) analysiert den Vorschlag von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, das Konzept der per Gesetz definierten "sicheren Herkunftsstaaten" aufzugeben. Statt dessen solle ein Automatismus eingeführt werden, dass bei niedrigen Anerkennungsquoten, Asylverfahren von Antragstellern aus diesem Staat verkürzt werden.

Am 17. Juni soll der Bundesrat der vom Bundestag bereits beschlossenen Einstufung von Algerien, Tunesien und Marokko als "sichere Herkunftsstaaten" zustimmen. Die Montags-taz (Ulrich Schulte/ChristianRath) beschreibt die verfassungsrechtliche Kritik an diesem Gesetz und geht der Frage nach, wer den Fall zum Bundesverfassungsgericht bringen könnte.

§ 175 StGB a.F.: Bundesjustizminister Maas hat vor einigen Tagen angekündigt, die Verurteilungen von Männern aufzuheben, die aufgrund des bis 1994 geltenden § 175 Strafgesetzbuchs wegen sexueller Handlungen mit anderen Männern erfolgt sind. In einem Interview mit dem Focus (ani) beschreibt Ansgar Dittmar von der AG der Schwulen und Lesben in der SPD, wie eine Entschädigung aussehen könnte. Er spricht sich dabei für eine pauschale Entschädigung aus, die einer Institution zugute kommen soll, die die Lebensgeschichten der Opfer aufarbeitet.

Fernsehrichtlinie: Die Europäische Kommission hat den Entwurf für eine Richtlinie für audiovisuelle Medien vorgelegt, die die bisherige Fernsehrichtlinie ablösen soll. Das HBl (Ruth Berschens) stellt die geplante Neuregelung vor, die unter anderem auch Dienste wie Youtube und ähnliche Plattformen verpflichten soll, Beiträge aus ihrem Angebot zu entfernen, die Hassreden gegen Ausländer oder Grundrechte enthalten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. Mai 2016: Noch mehr Investitionsschutz / Noch immer kein Kükenschutz / Gesundheitsschutz durch Schockbilder . In: Legal Tribune Online, 23.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19439/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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