Die juristische Presseschau vom 23. Februar 2016: Mid­del­hoff-Urteil rechts­kräftig / Bun­de­stro­janer im Ein­satz / Refe­ren­da­riat ohne Rechts­ex­t­remen

23.02.2016

Der BGH verwirft die von Thomas Middelhoff eingelegte Revision. Ob er seine Haft antreten muss, ist fraglich. Außerdem in der Presseschau: Innenministerium bestätigt Trojaner-Einsatz und kein Referendariat für Rechtsextremen.

Thema des Tages

BGH zu Thomas Middelhoff: Im November 2014 verurteilte das Landgericht Essen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Nach einem jetzt bekannt gegebenen Beschluss aus der letzten Woche hat der Bundesgerichtshof die gegen die Verurteilung eingelegte Revision als unbegründet verworfen. Ob und wann Middelhoff die Strafe antreten wird, sei gegenwärtig noch unklar, schreibt die Welt (Carsten Dierig). Denn bestreiten die Verteidiger Middelhoffs die Haftfähigkeit ihres Mandanten, der sich während der Untersuchungshaft eine schwere Autoimmunkrankheit zugezogen haben soll. Die Entscheidung über den Haftantritt obliegt der Staatsanwaltschaft Bochum. Nach dem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) ist der juristische Ärger für den Manager noch nicht ausgestanden. Zwar habe das Landgericht Essen eine Anklage wegen einer Sponsorenzahlung Middelhoffs an die Universität Oxford nicht zugelassen. Die Anklagebehörde habe hiergegen jedoch Beschwerde eingelegt. Ein weiteres Verfahren drohe allerdings wegen mutmaßlich von Middelhoff und anderen Arcandor-Vorständen veranlassten Bonus-Zahlungen.

Rechtspolitik

Bundestrojaner: Den vom Bundesinnenministerium bestätigten Einsatz sogenannter Trojaner zur Überwachung von Rechnern und Smartphones durch das Bundeskriminalamt kommentiert Günther Nonnenmacher (FAZ) als "zwiespältiges Instrument". Der "erhebliche Grundrechtseingriff" erinnere "mehr an Geheimdienstarbeit als an die klassische Strafverfolgung". Gleichzeitig dürfe nicht vergessen werden, dass den Staat eine Pflicht zur Gefahrenabwehr treffe. Grundrechtliche Bedenken sollte durch die notwendige richterliche Anordnung gewahrt sein. Dass dieses vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Erfordernis effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten vermag, stellt Heribert Prantl (SZ) in Frage. Die Beweislast trage der Staat, er müsse "beweisen, dass es grundrechtskonforme Wanzen gibt". Christian Bommarius (BerlZ) bezweifelt dagegen vor allem den praktischen Nutzen der Methode. Statt Polizei und Justiz besser auszustatten arbeite der Bundesinnenminister offenbar nach der Losung: "Angriff ist die beste Verteidigung der Grundrechte".

Fremdenfeindlichkeit: Die nach den Vorfällen von Clausnitz von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) an die "schweigende Mehrheit" gestellte Forderung, eine "neue Kultur des Widerspruchs" gegenüber fremdenfeindlichen Ausschreitungen zu schaffen, kommentiert Reinhard Müller (FAZ) zurückhaltend. Denn lehne diese bürgerliche Mehrheit Gewalt ebenso ab wie die Bundesregierung. Im Gegensatz zu ihr sei sie aber nicht dafür verantwortlich, wenn der Staat "sein Gewaltmonopol offenbar nicht überall durchsetzen kann". Stefan Locke (FAZ) macht in einem Leitartikel für die Häufung derartiger Ausschreitungen gerade in Sachsen eine "Melange aus falschem Sachsenstolz, kollektiven Wegschauen und fehlenden Konsequenzen in der Zivilgesellschaft wie in der Politik" verantwortlich. Jahrzehntelang seien im Freistaat rechtsextreme Straftaten verharmlost oder verschwiegen worden. Auch aktuell bewiesen Ankläger und Gerichte keinen besonderen Ermittlungseifer gegenüber fremdenfeindlichen Übergriffen oder hetzerischen Aussagen auf Demonstrationen, so könnten sich fremdenfeindliche Täter "in weiten Teilen Sachsens ziemlich sicher fühlen."

Sexualstrafrecht: Aus Anlass der aktuellen Debatte über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts fasst Rechtsanwalt Alexander Stevens auf lto.de die aktuelle Rechtslage zusammen und untersucht im Anschluss, inwiefern auch niederschwellige sexuelle Belästigungen pönalisiert werden könnten. Ein neues österreichisches Strafgesetz hierzu betrachtet der Autor wegen einer "schwammigen Gesetzesformulierung", die "ersichtlich mehr Auslegungsspielraum als Rechtssicherheit" biete, kritisch. In einem Rechtsstaat müsse "klar sein, welche Verhaltensweisen (noch) erlaubt sind und welche zur Strafbarkeit führen können".

Kosten des Atomausstiegs: Nach Bericht der Welt (Martin Greive/Daniel Wetzel) will die von der Bundesregierung eingesetzte Atomkommission die Kosten der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll dem Bund übertragen. Im Gegenzug müssten sich betroffene Energieunternehmen mit bis zu 18 Milliarden Euro an einem staatlichen Sondervermögen, etwa einem öffentlich-rechtlichen Fonds beteiligen. Grundlage einer derartige Einigung wäre nach dem Kommissionsbericht allerdings auch "eine Beendigung der anhängigen Rechtsstreite der Betreiber mit den Ländern und dem Bund". Bereits für den 15. März ist eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht angesetzt. Klaus Stratmann (Hbl) hält nach den Vorschlägen ein "Ergebnis mit Augenmaß" für möglich. Die Kommission habe deutlich zu verstehen gegeben, dass sie den Unternehmen "eine reelle Überlebenschance" einzuräumen gedenkt.

Sicherheitsunternehmen: Nach zahlreichen Übergriffen von Sicherheitspersonal gegenüber Flüchtlingen plant die Bundesregierung eine Verschärfung von Bestimmungen für Sicherheitsunternehmen. Die von angestellten Wachleute sollen nach dem Entwurf künftig alle drei Jahre überprüft werden, schreibt die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo). Leitendes Personal solle sich nach dem Entwurf einer verbindlichen Prüfung unterziehen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Februar 2016: Middelhoff-Urteil rechtskräftig / Bundestrojaner im Einsatz / Referendariat ohne Rechtsextremen . In: Legal Tribune Online, 23.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18503/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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