Die juristische Presseschau vom 22. Juli 2015: BVerfG kippt Be­treu­ungs­geld – ver­fas­sungs­wid­ri­ge Stimm­zet­tel – at­trak­ti­ve Bou­ti&

22.07.2015

Das BVerfG hält das Betreuungsgeld für verfassungswidrig. Außerdem in der Presseschau: verfassungswidrige Stimmzettel, "Richter Gründlich" im Interview, attraktive Boutiquen und Schmerzensgeld für eine defekte Zugtoilette.

Thema des Tages

BVerfG zu Betreuungsgeld: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld findet sich in der gesamten Tagespresse. Gute Darstellungen und Analysen bieten u.a. die FAZ (Joachim Jahn), die SZ (Wolfgang Janisch) und die taz (Christian Rath); einen schnellen Überblick bietet spiegel.de. Durchgehend wird hervorgehoben, dass sich das Gericht nicht inhaltlich zur Verfassungsmäßigkeit eines Betreuungsgeldes positioniert habe. Die Welt (Sabine Menkens) stellt noch einmal die "schizophrene" Rolle der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) dar, die das Gesetz als Gegnerin des Betreuungsgeldes vor Gericht verteidigen musste.

Christian Bommarius (Berliner Zeitung) meint, dem Betreuungsgeld-Gesetz sei die Verfassungswidrigkeit "in leuchtend roter Farbe und mit einem Ausrufungszeichen versehen" auf die Stirn geschrieben gewesen. Als "juristisches Lehrstück über das Scheitern politischer Egoismen" analysiert Thomas Sigmund (Handelsblatt) das Urteil, Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) fordert jetzt eine "Diskussion ohne Ideologie". Reinhard Müller (FAZ) wagt die Prognose, dass das Gericht das Betreuungsgeld nicht für "offensichtlich gleichheitswidrig" halte – weil es dies sonst "wohl angedeutet" hätte und es nicht bei Zuständigkeitsargumenten belassen hätte. Heribert Prantl (SZ) deutet in seiner Analyse der Auswirkungen des Urteils auf die bayerische Politik an, dass "ein nicht mehr so konservativ besetztes" Gericht Betreuungsgeld-Modelle wegen der mit ihnen verbunden Festschreibung der Frauenrolle auch inhaltlich kippen könnte. Simone Schmollack (taz) tritt entschieden dafür ein, die freiwerdenden Mittel in den Kita-Ausbau zu stecken.

lto.de beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Urteils: Welche Länder wollen eigene Modelle entwickeln, was geschieht mit bereits bewilligten oder gestellten Anträgen auf Betreuungsgeld? Letzteres interessiert auch die SZ (Ulrike Heidenreich). Während die SZ (Robert Roßmann) in einem weiteren Artikel den inhaltlichen Streit der Regierungskoalition zum Betreuungsgeld darstellt, beschäftigt sich die FAZ (Johannes Leithäuser) damit, was mit dem gesparten Geld künftig geschehen soll. Mit den Auswirkungen der Entscheidung setzt sich auch die taz (Simone Schmollack) auseinander. In einem weiteren Artikel der FAZ (Dietrich Creutzburg/Joachim Jahn) wird eine Äußerung aus den Reihen der Bundesregierung zitiert, angesichts der Entscheidung sei eine bloße Weiterreichung der Mittel an die Länder "verfassungsrechtlich kaum vorstellbar".

Rechtspolitik

Bayerisches Versammlungsgesetz: Die CSU will das Bayerische Versammlungsrecht verschärfen und Verstöße gegen das Vermummungsverbot wieder als Straftat und nicht nur als Ordnungswidrigkeit geahndet wissen. Während die Freien Wähler das Projekt unterstützten, übten SPD und Grüne scharfe Kritik an dem Entwurf, so lto.de.

Asylrecht: Während der bayerische Ministerpräsident seine Pläne verteidigt, "Aufnahmeeinrichtungen" für Asylbewerber mit wenig Aussicht auf ein Bleiberecht zu schaffen, nimmt auch die Kritik daran zu, berichtet die FAZ (Albert Schäffer). Dabei komme diese zumeist aus den Reihen der Bundestags-Opposition, von den Landesregierung sei sie "allenfalls verhalten zu hören", weiß die SZ. Sie bietet in einem gesonderten Artikel einen Überblick über die Reaktionen aus den Ländern.

Jasper von Altenbockum (FAZ) reagiert auf die Kritiker und sieht die Verantwortung für die jüngsten Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nicht bei den Politikern, die scharf gegen Asylmissbrauch wettern, sondern bei denen, die diesen nicht erkennen oder benennen wollen.

Cannabis-Legalisierung: Der Vorstoß des Bremer Regierungschefs Carsten Sieling (SPD) für eine Legalisierung von Cannabis findet Unterstützung in weiteren Bundesländern. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich für eine Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums aus; auch Hamburg erwägt entsprechende Regelungen, so die FAZ. Eine umfassende Bestandsaufnahme zu dem Thema findet sich auf zeit.de (Lisa Caspari/Alina Schadwinkel).

Daniel Deckers (FAZ) kritisiert die Entwicklung scharf und meint, eine "jahrzehntelange Verharmlosung des Cannabiskonsums" identifizieren zu können.

Teilhabegesetz: In einem Gastbeitrag für die FAZ äußerst sich der Geschäftsführer des Deutschen Städtetags Stephan Articus zum geplanten Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung. Das Vorhaben sei "eines der größten Sozialprojekte der vergangenen Jahrzehnte." Nachdem der Bericht der Arbeitsgruppe vorliege, gelte es auf dem Weg zum Gesetzentwurf nun, "das Machbare vom Wünschenswerten zu trennen" – was nicht einfach werde.

Lockerung des Tanzverbots: Unter der Überschrift "Das Ländle macht sich locker" beschäftigt sich die Welt (Hannelore Crolly) mit der von der baden-württembergischen Landesregierung geplanten "maßvollen Lockerung des Tanzverbots" an religiösen Feiertagen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Juli 2015: BVerfG kippt Betreuungsgeld – verfassungswidrige Stimmzettel – attraktive Bouti& . In: Legal Tribune Online, 22.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16317/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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