Die juristische Presseschau vom 22. Mai 2012: Hertha auch vor Gericht Verlierer – Verfassungsschutz contra Gemeinnutz – Grundrechte-Report für Sozialrechte

22.05.2012

Das Urteil des DFB-Sportgerichts ist heute Thema des Tages. Über die Bewertung des Schiedsspruchs gehen die Meinungen auseinander. Außerdem in der Presseschau: Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit, Eckpunkte zum Urheberrecht, Vorstellung des Grundrechte-Reports, Aktien-Manipulation vor Gericht, StPO-Reform in China und eine Anleitung zum Nichterwerb des Sorgerechts.

Relegationsstreit: Das Sportgericht des Deutschen Fußballbundes hat entschieden, dass das Relegations-Rückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin nicht wiederholt werden muss, obwohl Düsseldorfer Fans kurz vor Ende der Partie das Feld gestürmt hatten und das Spiel unterbrochen werden musste. Hertha BSC Berlin wolle nun in die zweite Instanz vor das DFB-Bundesgericht, so die FAZ (Peter Heß).

Der Sportrechtler Johannes Arnhold (lto.de) hält einen Erfolg der Berliner allerdings für "unwahrscheinlich" – auch wenn es die erste Instanz unterlassen habe, neben den Regelbeispielen der Spiel- und Verfahrensordnung auch ungeschriebene Gründe für eine Spielwiederholung zu prüfen.

Jens Bierschwale (welt.de) hält dagegen ein Wiederholungsspiel für "das richtige Signal".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Gemeinnutz ade: Wenn ein Verein vom Verfassungsschutz beobachtet wird, soll er seine Gemeinnützigkeit und damit verbundene Steuervorteile künftig automatisch verlieren. Dies sieht der Enwurf vom "Jahressteuergesetz 2013" vor, wie die taz (Malte Kreuzfeldt/Christian Rath) berichtet. Bislang komme den Finanzämtern hinsichtlich dieser Entscheidung ein Ermessensspielraum zu; Finanzgerichte hätten einen Widerruf der Gemeinnützigkeit wiederholt aufgehoben, wie ein Überblick der taz (Christian Rath) zeigt.

Malte Kreutzfeldt kritisiert in einem separaten Kommentar in der taz die mit der Änderung verbundene Ausweitung der "Macht des Verfassungsschutzes gegenüber politischen Verbänden".

Kommunal quotiert: Der Düsseldorfer Staatsrechtler Sebastian Roßner setzt sich auf lto.de mit der von den baden-württembergischen Regierungs-Grünen geplanten Geschlechterquote bei Kommunalwahlen auseinander. Er hält den Plan wegen der Einschränkung der Wahlgleichheit und der Freiheit der politischen Parteien für verfassungsrechtlich problematisch – und hält auch eine Rechtfertigung aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht für möglich.

Smart Defense: Skeptisch zeigt sich der Leitartikel der FTD gegenüber der auf dem NATO-Gipfel erwogenen Strategie der "Smart Defense", nach der bestimmte militärische Entscheidungen für alle Mitgliedstaaten verbindlich per Mehrheit gefällt werden sollen. Die Zeitung sieht dadurch insbesondere den Parlamentsvorbehalt für Militäreinsätze gefährdet – und das "wäre ein letztlich zu hoher Preis für die gute Idee, Kosten zu senken."

Urheberrecht: SPD und Piratenpartei haben jeweils Eckpunkte zur Reform des Urheberrechts veröffentlicht. Mit den Thesen der SPD, die sich gegen eine "Kulturflatrate" wendet, beschäftigt sich ausgiebig die FAZ (Caroline Freisfeld), im FAZ-Feuilleton nimmt Fridtjof Küchemann die "verblüffenden Übereinstimmungen" in den Blick, während internet-law.de (Thomas Stadler) sich mit den Vorschlägen beider Parteien auseinandersetzt und diese auch verlinkt.

Heribert Prantl (SZ) argumentiert für eine Modernisierung des bislang kaum verständlichen Urheberrechts und erhofft sich davon eine größere "Akzeptanz des geistigen Eigentums". Die vom bisherigen Recht provozierte "Freibier-Mentalität" sei "verständlich, aber nicht tolerierbar".

Leistungsschutzrecht: Nach einem Bericht des Focus (Frank Thewes/Robert Vernier) blockiert Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Gesetzentwurf für die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage. Die Autoren argumentieren ihrerseits recht pointiert für dessen Einführung.

Weitere Themen – Justiz

Grundrechte-Report: Gestern wurde der von acht Bürgerrechtsorganisationen herausgegebene "Grundrechte-Report 2012" von der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in Karlsruhe der Öffentlichkeit vorgestellt. Ihrer Meinung nach müssten vor allem "die sozialen Rechte der Menschen mehr ins öffentliche Bewusstsein", berichtet die taz (Christian Rath). Auch die SZ (Helmut Kerscher) widmet der alljährlichen Vorstellung des "alternativen Verfassungsschutzberichts" einen Artikel.

Islamisten-Ermittlungen: Über die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen den Islamisten Abu Ibrahim berichtet zeit.de. Dieser hatte per Video im Internet zur Ermordung von Mitgliedern der rechtsextremen Partei "Pro NRW" aufgerufen.

Entschädigung für Verwahrte: Das Land Baden-Württemberg hat gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe zur Entschädigung von vier rechtswidrig Sicherungsverwahrten erwartungsgemäß Berufung eingelegt. Das Land war zu einer Entschädigungszahlung von insgesamt 240.000 Euro verurteilt worden, erinnert knapp die SZ.

Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Der Focus (Petra Hollweg) berichtet über die Verhandlung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines inzwischen 25-jährigen Mörders und bemängelt den fehlenden Aufklärungswillen des Gerichts bei der ursprünglichen Verurteilung. Dies erschwere nun die Verhängung der Sicherungsverwahrung, weil so oberflächliche und damit angreifbare psychiatrische Gutachten begünstigt würden.

Stalker gesteht: Nach einem Bericht der FR hat der im Fall der getöteten Leipziger Studentin angeklagte Stalker die Attacke mit einem Hammer gestanden.

Aktien-Manipulation: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat auf eine Anzeige der Finanzaufsicht Bafin hin gegen vier Männer Anklage erhoben, weil diese illegale Geschäfte mit einer "Ramschaktie" getätigt haben sollen. Der Vorwurf lautet auf Marktmanipulation, weil sie den Kurs des Papiers durch gestreute Kaufempfehlungen in die Höhe getrieben hätten, berichtet die FAZ (ols).

Auch die FTD (Renate Daum) berichtet und stellt den Fall in Zusammenhang mit dem jüngst härteren Durchgreifen deutscher Strafverfolgungsbehörden – bislang gelte Deutschland als "El Dorado" für "Aktienabzocke".

Infomatec: Die FTD (Renate Daum) berichtet exklusiv von einem Urteil des Oberlandesgerichts München. Dieses hätte in einem Kapitalanleger-Musterverfahren gegen den Settop-Boxen-Hersteller Infomatec erstmals weitgehend zugunsten der Anleger entschieden. Mehrere Pflichtmitteilungen des am "Neuen Markt" gehandelten Unternehmens seien fehlerhaft gewesen. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig.

Gema vs. Youtube: Im Rechtsstreit zwischen der Gema und Youtube hat nun auch die Rechteverwertungsgesellschaft Berufung gegen das Urteil des Hamburger Landgerichts eingelegt. Ihr gehe das Urteil in Sachen Urheberrechtsschutz "noch nicht weit genug", berichtet die FAZ (Michael Hanfeld). Hintergrund ist der Streit um von Nutzern eingestellte urheberrechtlich geschützte Musikvideos auf der Online-Videoplattform.

Das erstinstanzliche Urteil analysiert derweil Thomas Hoeren auf blog.beck.de.

Tauschbörsen: Eine Ehefrau haftet nicht für die illegale Tauschbörsennutzung ihres Ehemannes, auch wenn sie ihm die Nutzung ihres Internetanschlusses ermöglicht. Eine "Aufsichtspflicht" gegenüber dem Ehepartner bestehe nicht, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).

Kritik im Netz: Als "Urteil der Woche" bespricht der Rechtsanwalt Christian Solmecke für die FTD eine Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth zur auf einem Internetportal geäußerten anonymen Kritik an einem Zahnarzt. Eine solche müsse der Betreiber sorgfältig prüfen, wenn der Kritisierte der Bewertung begründet entgegentrete.

Akademische Klagewelle: Mit der zunehmenden Neigung von Studierenden, wegen versagter Studienplätze oder misslungener Klausuren vor Gericht zu ziehen, beschäftigt sich spiegel.de (Lena Greiner). Dies sei eine "Goldgrube" für Anwälte – und meist nur etwas für Kinder aus wohlhabendem Hause.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Chinesische StPO: Mit der Kritik an der neuen chinesischen Strafprozessordnung beschäftigt sich heute die FAZ (Petra Kolonko). Diese stärke die "die Macht der Staatsanwaltschaft, Polizei und der Ermittlungsbehörden" und schwäche die Rechte von "Verdächtigen, Festgenommenen und ihrer Anwälte" – und das nicht nur in politischen Fällen. Chinesische Behörden und die offizielle Presse feierten das neue Regelwerk dagegen als Fortschritt, unter anderem wegen des nun normierten Beweisverwertungsverbots bei Folter.

Cybermobbing: Für 30 Tage muss ein US-Student hinter Gitter, weil er seinen homosexuellen Mitbewohner über ein im Internet veröffentlichtes Video mobbte und so in den Selbstmord trieb. Dazu kommt eine Bewährungsstrafe von drei Jahren, wie spiegel.de berichtet.

Sonstiges

Testamentsvollstreckung: In einem Gastbeitrag für die FAZ informieren die Rechtsanwälte Hans Flick und Christian von Oertzen über die Vor- und Nachteile der Testamentsvollstreckung und deren optimale Ausgestaltung.

Das Letzte zum Schluss

Sorgerechtsverhinderung: Wie man sich anstellen muss, um als nichtehelicher Vater das Sorgerecht für sein Kind möglichst nicht zugesprochen zu bekommen, schildert blog.beck.de (Hans-Otto Burschel). Eine gute Idee ist in diesem Zusammenhang, die Zahlung von Kindesunterhalt schlicht von der Gewährung von Umgang mit dem Kind abhängig zu machen – da versteht das Kammergericht nämlich keinen Spaß.

 Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

 Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Mai 2012: Hertha auch vor Gericht Verlierer – Verfassungsschutz contra Gemeinnutz – Grundrechte-Report für Sozialrechte . In: Legal Tribune Online, 22.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6243/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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