Die juristische Presseschau vom 21. August 2014: Waffenlieferung an Kurden – NSU-Opfer verklagt Thüringen – Todesurteil gegen Deutschen

21.08.2014

Die Bundesregierung hat die umstrittene Waffenlieferung an die kurdischen Perschmerga-Milizen beschlossen. Außerdem in der heutigen Presseschau: Ex-BGH-Richter fordert Neuregelung der Verfahrenseinstellung im Strafprozess, der BGH erlässt den ersten Freispruch in einem Fall künstlicher Canabinoide, ein NSU-Opfer verklagt Thüringen auf Schadensersatz, ein Deutscher wird in China zum Tode verurteilt und ein Angeklagter wird bei der Verfahrensverzögerung kreativ.

Thema des Tages

Waffenlieferung an Kurden: Die Bundesregierung hat beschlossen, dass Deutschland Waffen an die kurdischen Perschmerga-Milizen im Irak liefern wird, zur Unterstützung im Kampf gegen die Dschihadistentruppe Islamischer Staat (IS). Welche Waffen konkret geliefert werden, soll bis nächsten Mittwoch entschieden werden. Die Waffen sollen dem vorhandenen Kontingent der Bundeswehr entnommen werden. Damit liege streng genommen kein Waffenexport vor, der dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterläge, sondern eine staatliche Ausrüstungshilfe. Es wurde betont, dass es sich um eine Exekutiventscheidung handelt, die keine Entscheidung des Parlamentes erfordert. Eine Versendung von Ausbildern der Bundeswehr sei nicht geplant, so dass kein Auslandseinsatz der Bundeswehr vorliegt. Unter anderem die SZ (Stefan Braun), die taz (Tobias Schulz), die Welt (Thorsten Jungholt) und die FAZ (Johannes Leithäuser) berichten. Im Interview mit der Zeit (Peter Dausend/Tina Hildebrandt) gibt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die extreme Gewalt der IS-Milizen und die Gefahr dschihadistischer Fanatisierung, von Kämpfern die später nach Europa zurückkehren, als Gründe für die Entscheidung an sowie die Bedeutung und damit Verantwortung Deutschlands in der Welt.

Severin Weiland (spiegel.de) meint, die Entscheidung sei überfällig, beende die "Politik des Raushaltens" und sieht auch ein Schutzinteresse Deutschlands verteidigt gegen ein mögliches Ausbildungslager für Terroristen. Till Hoppe (Handelsblatt) hält eine Begründung der Lieferung mit dem moralischen Argument, einen drohenden Völkermord verhindern zu müssen, für unehrlich. Damit sei kaum zu erklären, warum andernorts, etwa im syrischen Konflikt, nicht derart eingegriffen werde. Stefan Reinecke (taz) meint, dass es hauptsächlich darum geht "Tabus zu knacken und die tief sitzende bundesrepublikanische Skepsis gegenüber dem Militärischen sturmreif zu schießen." Das sei aber ein denkbar schlechtes, ja unmoralisches Argument.

Die taz (Christian Rath) legt die rechtlichen Anforderungen für Lieferungen von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern dar. Die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" konkretisieren die vagen gesetzlichen Voraussetzungen für Genehmigungen und lassen die Lieferungen nur bei "Angriffen von Außen" durch die IS-Milizen zu. Eine Zustimmung des Bundestages sei gesetzlich nicht vorgesehen. In den Irak dürfen Lieferungen aufgrund des EU-Waffenembargos nur ausnahmsweise zur Terrorbekämpfung mit der Zustimmung der Zentralregierung in Bagdad erfolgen.

Rechtspolitik

Digitale Agenda vorgestellt: Die Bundesregierung hat die Digitale Agenda vorgestellt. Der Rechtswissenschaftler Philipp Ross bespricht auf lto.de das Vorhaben. Neben flächendeckender Breitbandinfrastruktur, Förderung der Digitalwirtschaft und digitaler Verwaltungsangebote, steht auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung auf dem Aufgabenplan. Die Mediale Kompetenz soll gestärkt werden und die Potentiale für Bürgerbeteiligung genutzt. Die Digitale Sicherheit soll gefördert werden, wozu bereits das IT-Sicherheitsgesetz vorgestellt wurde und die Sicherheitsbehörden sollen zur Cyber-Crime-Bekämpfung besser gewappnet werden. Es berichten unter anderem auch die taz (Konrad Litschko) und die Zeit (Heike Schmoll). Insgesamt bleibt die Agenda ein "Hausaufgabenheft" für die Bundesregierung, wie sie Verkehrsminister Dobrindt (CDU) bezeichnete. Das Meinungsecho ist dementsprechend kritisch, netzpolitik.org (Markus Beckedahl) gibt einen Überblick.

Neuregelung der Verfahrenseinstellung gefordert: Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Neskovic spricht sich in der FAZ für eine bessere gesetzliche Regelung der Verfahrenseinstellung gegen Auflage im Strafprozess aus. Die jetzige Regelung ermögliche eine Ausweitung der Anwendung, die für den Rechtsstaat gefährlich sei. Er hält wirkungsvolle Kontrollmechanismen für nötig die etwa in Rechtsmitteln und dem damit einhergehenden Begründungserfordernis bestehen könnten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. August 2014: Waffenlieferung an Kurden – NSU-Opfer verklagt Thüringen – Todesurteil gegen Deutschen . In: Legal Tribune Online, 21.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12957/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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