Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2014: Harte Worte in Hannover – Teurer Vergleich – BVerfG zum Rückwirkungsverbot

21.02.2014

Im Wulff-Prozess wird plädiert, die Staatsanwaltschaft möchte das Verfahren aber gerne fortsetzen. Außerdem in der Presseschau: Minderheitenschutz für Homophobe, BVerfG zum Rückwirkungsverbot, Deutsche Bank und Kirch-Erben vergleichen sich in Millionenhöhe, Stefan Mappus gegen den Landtag, Friedrich und das Dienstrecht und dienstfrei zum Karneval.

Thema des Tages

Christian Wulff: Der vor dem Landgericht Hannover laufende Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) wegen des Vorwurfs der Vorteilsgewährung und -annahme neigt sich dem Ende zu. Die Plädoyers sahen dabei statt fein ziselierter juristischer Argumentation eine Auseinandersetzung "mit Säbeln, bisweilen auch mit der Dachlatte", so spiegel.de (Gisela Friedrichsen), bzw. einen "ganz außergewöhnlichen Auftritt des Staatsanwalts," so die SZ (Annette Ramelsberger). Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer habe vor allem den Angeklagten selbst angegriffen und ihm und seinen Anwälten "Prozesspropaganda" vorgeworfen. Dass die Anklagebehörde sich zur Durchführung der Hausdurchsuchung mit dem Angeklagten zeitlich verständigt habe, sei von diesem nicht genügend gewürdigt worden. Auf einen Schlussantrag habe der Staatsanwalt verzichtet und stattdessen auf die Fortsetzung der Beweisaufnahme gedrungen, weil das Urteil erst bei noch nicht erreichter Entscheidungsreife gefällt werden dürfe. In der Darstellung der FAZ (Robert von Lucius) soll dieses Vorgehen "den Grund für eine Revision bereiten." Wulff selbst habe sich demgegenüber konziliant gezeigt und die Verantwortung für das Verfahren Generalstaatsanwalt Frank Lüttig gegeben. Die Welt (Ulrich Exner) berichtet ebenfalls ausführlich.

Für Heribert Prantl (SZ) passt das "absolut unübliche" Plädoyer zum Verfahren, das schon lange eine "schmotzige Angelegenheit" geworden sei. Hätte die Staatsanwaltschaft "offener, abwägender, achtsamer und redlicher" ermittelt, dann hätte die "Sache vorab und ohne Auflagen eingestellt werden müssen." Trotz des zu erwartenden Freispruchs bleibe der "Schatten des ungeschickten Umgangs mit Versäumnissen, des Missmanagements und falschen Glamours" noch länger an Wulff haften, meint Reinhard Müller (FAZ). Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) schließlich attestiert dem Verfahren, versucht zu haben, "jenen schwer durchschaubaren, nur halböffentlichen Graubereich zu belegen, in dem die guten Sitten" mit wechselnder Strenge oder auch gar nicht beachtet würden. Den demokratischen Entscheidungsprozess zeichne gegenüber dem feudalen aus, dass er "transparenter, offener, nachprüfbarer, eindeutiger" sei; was strafrechtlich noch nicht relevant sei, könne immer noch gegen "Sitte und Anstand" verstoßen.

Rechtspolitik

Abgeordnetenbestechung: Den Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung analysiert Sebastian Wolf für lto.de. Der Mitarbeiter von Transparency International Deutschland begrüßt, dass über die geltende Strafbarkeit der Käuflichkeit bei Abstimmungen und Wahlen künftig alle korruptiv beeinflussten Handlungen oder Unterlassungen bei der Wahrnehmung des Mandats bestraft werden sollen, hält aber mehrere Formulierungen des Entwurfs noch für klärungsbedürftig.

Europäische Staatsanwaltschaft: Den Vorschlag zur Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft unterzieht Almut Peters (verfassungsblog.de) einer kritischen Würdigung. So sei zum Beispiel problematisch, dass die geplante Behörde bei ihrer Arbeit Ermittlungskompetenzen verschiedener Mitgliedsstaaten gleich einer "Rosinenpickerei" kombinieren könne und hierdurch den fair trial-Grundsatz gefährde.

Homosexualität und Minderheitenschutz: Ein "Plädoyer für den Schutz einer neuen Minderheit" hält Rechtsprofessor Christian Hillgruber (FAZ) in einem Gastbeitrag für den Staat und Recht-Teil des Blattes. Nachdem es zumindest in Deutschland, Westeuropa und Nordamerika Homosexuellen "dank einer eindrucksvollen Lobbyarbeit" gelungen sei, ihre Agenda der vollständigen Gleichberechtigung zu "einer Agenda der Mehrheitsgesellschaft zu machen", würden jene, die "Homosexualität für moralisch fragwürdig und homosexuelle Praxis für anstößig halten", an der Ausübung ihrer Freiheit, "Homosexualität weiterhin negativ zu bewerten" durch öffentliche Meinung und Gerichte gehindert. Dabei verdiene auch diese Freiheit "nicht weniger Respekt und Schutz."

Frontex: Der Innenausschuss des Europaparlaments hat sich für eine Neufassung der Einsatzregeln der Grenzschutzagentur Frontex ausgesprochen. So sollen künftig Flüchtlingsboote auf offener See nicht mehr abgefangen und zurückgeschickt, sondern nur noch gewarnt und angewiesen werden, nicht in Territorialgewässer eines Mitgliedsstaates einzudringen, schreibt die FAZ (Nikolas Busse).

Eigentum: Ausgehend von dem Vorschlag einer Vermögensabgabe zur Stabilisierung des Euro macht sich Reinhard Müller (FAZ) im Staat und Recht-Teil der Zeitung Gedanken über das Eigentum. In den Worten des früheren Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) charakterisiere nicht zuletzt dieses die Einzigartigkeit des Menschen, nach Müller geht jedoch die grundgesetzlich verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums "oft unter."

Datenschutz: Reinhard Müller (FAZ) referiert im Zeitgeschehen-Teil der Zeitung Bedenken deutscher Datenschützer wegen der Übernahme des Nachrichten-Programms WhatsApp durch Facebook. Zwar müsse amerikanischen Unternehmen nicht generell misstraut werden, wegen fehlender datenschutzrechtlicher Regulierung in den USA würden diese jedoch gegenüber europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil genießen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2014: Harte Worte in Hannover – Teurer Vergleich – BVerfG zum Rückwirkungsverbot . In: Legal Tribune Online, 21.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11119/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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