Die juristische Presseschau vom 3. August 2017: BVerfG zu IHK-Pflicht­mit­g­lied­schaft / EGMR ver­hin­dert Abschie­bung / Pen­si­ons­welle

03.08.2017

Recht in der Welt

Türkei – Menschenrechtsverstöße: Der Rechtsprofessor Andreas Zimmermann und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Elisa Freiburg gehen in einem Gastbeitrag in der FAZ der Frage nach, wie Deutschland Menschenrechtsverletzungen in der Türkei durch völkerrechtliche Verfahren klären lassen kann. Insoweit werden die rechtlichen Möglichkeiten aufgeworfen und erörtert; den Autoren erscheint dabei eine Staatenbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am sinnvollsten. Eine Entscheidung durch eine unabhängige Instanz könne der Entpolitisierung der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Türkei dienen, sie sei angesichts der wert- und regelorientierten Außenpolitik Deutschlands auch ernstlich in Betracht zu ziehen.

Türkei – Putsch-Prozess: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will nach einem Bericht der Welt (Boris Kálnoky) als Nebenkläger in dem Prozess gegen 486 Personen, die als Putsch-Beteiligte angeklagt sind, zugelassen werden. Überdies haben auch die Regierungspartei AKP sowie zwei Oppositionsparteien die Absicht, als Nebenkläger aufzutreten. Das Auftreten als Nebenkläger sei eine Machtdemonstration; alles andere als ein sehr strenger Richterspruch könne nun kaum mehr erwartet werden.

Italien  Seenotretter: Die italienische Küstenwache hat ein Schiff der deutschen Seenotrettungsorganisation "Jugend Rettet" beschlagnahmt. Es bestehe der Verdacht, dass die Besatzung des beschlagnahmten Schiffes "Iuventa" Menschen, die sich nicht in Lebensgefahr befanden, noch in Anwesenheit von Schleppern an Bord genommen habe. Es berichten die FAZ (Jörg Bremer) und die Welt (Constanze Reucher).

Thailand  Ex-Regierungschefs: Zwei frühere thailändische Ministerpräsidenten sind vor einem Gericht in Bangkok vom Vorwurf des Machtmissbrauchs freigesprochen worden. Nach Ansicht des Gerichts haben die Politiker ihre Macht bei der Niederschlagung eines Protestes nicht missbraucht, wie die taz weiß.

Sonstiges

Pensionswelle in der Justiz: Der Deutsche Richterbund und die Gewerkschaft der Polizei befürchten eine Erosion des Rechtsstaats, wie die FAZ (Eckart Lohse) berichtet. Grund dafür sei eine Pensionswelle, die auf Justiz und Polizei zukomme; es müssten dringend neue Juristen und Polizisten eingestellt werden. Äußerst problematisch gestalte sich auch die Nachwuchsgewinnung, denn die Gehälter in der freien Wirtschaft seien meist wesentlich attraktiver. Es berichten auch die Welt (Tobias Heimbach) und die SZ.

Helene Bubrowski (FAZ) meint, der Rechtsstaat wirke letztlich durch die Menschen, die für ihn arbeiteten. Es bleibe zu hoffen, dass die Warnung von Richterbund und Polizeigewerkschaft nicht zu spät komme.

Gesichtserkennung: Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hält den Pilotbetrieb eines Gesichtserkennungssystems am Berliner Bahnhof Südkreuz für unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es reiche nicht aus, Passanten mit Hinweisschildern auf das Gesichtserkennungssystem hinzuweisen, die Beschilderung und damit das Wissen der Betroffenen um die Informationserhebung führe nicht zu einer den Eingriff ausschließenden Einwilligung. Der Pilotbetrieb sei damit rechtlich unzulässig; dies berichtet netzpolitk.org (Constanze Kurz).

Migrationssteuerung: Der Rechtsprofessor Daniel Thym entwickelt in einem Gastbeitrag in der FAZ ein Konzept für eine neue europäische Migrationspolitik. Die Migration könne gesteuert werden, ohne die Menschenrechte zu verraten; umgekehrt sei aber das europäische Wertefundament bedroht, wenn der staatliche Steuerungsanspruch aufgegeben werde.

Rekordbußgeld für Anrufe: Die Bundesnetzagentur hat wegen unerlaubter Telefonwerbung gegen den Stromversorger Energy2day ein Bußgeld in Höhe von 300.000 Euro verhängt. Bei der Summe handelt es sich um eine Rekordsanktion, wie die FAZ (Helmut Bünder) und die SZ melden.

Polizeiliches Fehlverhalten: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Julian Seibert kritisiert auf juwiss.de die unkritische Haltung der Politik gegenüber rechtswidrigem Verhalten von Polizisten. Eine sachliche und ausgewogene Aufarbeitung in der öffentlichen Diskussion werde so wesentlich beeinträchtigt. Ebenso sei die juristische Aufarbeitung polizeilichen Fehlverhaltens oft unzureichend, der Grund hierfür sei systembedingt und liege in dem weit verbreiteten Unwillen der Polizei, gegen Kollegen zu ermitteln. Es sei vor diesem Hintergrund erforderlich, die Ermittlungen gegen Polizeibeamte einer externen, unabhängigen Ermittlungsbehörde zu übertragen.

Gute Gesetze: lto.de (Tanja Podolski) wirft aus Anlass unlängst beschlossener Gesetzesvorhaben, zum Beispiel dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, einen positiven Blick auf Gesetzesänderungen, die als wichtige Errungenschaften gelten können. Gesetzesänderungen seien nämlich nicht immer schlecht gewesen; Erwähnung finden unter anderem das gleichberechtigte Wahlrecht für Mann und Frau, die Abschaffung der Todesstrafe sowie die Beseitigung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter Männern.

Das Letzte zum Schluss

Bewaffnete Braut: Nur wenige Stunden nach der Trauung hat eine 25-jährige Frau im US-amerikanischen Tennessee eine Pistole aus ihrem Brautkleid gezogen und ihren Bräutigam mit der Waffe bedroht. Die alarmierte Polizei führte die Frau noch in ihrem Hochzeitskleid ab – ein frühes und jähes Ende für die gemeinsamen Flitterwochen. Mit dem alles andere als romantischen Fall werde sich nun ein Gericht befassen, berichtet spiegel.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/fs

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. August 2017: BVerfG zu IHK-Pflichtmitgliedschaft / EGMR verhindert Abschiebung / Pensionswelle . In: Legal Tribune Online, 03.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23771/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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