Die juristische Presseschau vom 2. August 2017: Modell­ver­such zur Gesicht­s­er­ken­nung / NSU-Pläd­o­yers / Putsch-Pro­zess in der Türkei

02.08.2017

 

Justiz

OLG München – NSU: In den Plädoyers im Prozess um den sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" hat sich die Staatsanwaltschaft mit der Rolle des Mitangeklagten Ralf Wohlleben befasst. Hierüber berichten spiegel.de (Julia Jüttner) und taz (Konrad Litschko). Wohlleben sei das "Mastermind" der NSU-Helfer gewesen, er habe die Tatwaffe besorgt und sei damit der Beihilfe zum neunfachen Mord schuldig. In einem separaten Bericht fasst die SZ (Anette Rammelsberger) das dreitägige Plädoyer der Staatsanwaltschaft zur Rolle der Hauptangeklagten Beate Zschäpe zusammen. Sie sei gleichberechtigte Mittäterin der Terrorzelle gewesen. Ihre Einlassung, von den Taten nichts gewusst und sich den Haupttätern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untergeordnet zu haben, sei unglaubwürdig angesichts des engen Zusammenlebens des Trios und der Tatsache, dass sie nach dem Tod der beiden das Bekennervideo verschickt habe. Die Plädoyers werden nach der Sommerpause fortgesetzt.

BAW – Messerangriff von Hamburg: Christian Rath kommentiert auf taz.de die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, die Ermittlungen im Fall des Hamburger Messerangreifers Ahmad A. zu übernehmen. In ihrer Begründung versuche sie, den Verdacht eventueller Versäumnisse der Sicherheitsbehörden zu entkräften. So habe der Angreifer nach ihrer Auffassung den Tatentschluss kurzfristig getroffen, was die Behörden entlaste, denen der Mann zwar vorher schon bekannt war, die ihn jedoch nicht als Gefährder eingestuft hatten. Auch betone die Bundesanwaltschaft die islamistische Gesinnung des Mannes. Folglich würde es weniger schwer wiegen, dass die Sicherheitsbehörden einer Empfehlung des Landesamtes für Verfassungsschutz nach einer psychologischen Begutachtung des Mannes nicht nachgekommen seien, da nicht die Erkrankung, sondern die Radikalisierung ausschlaggebend gewesen sei. Insgesamt bleibe der Gerichtsprozess gegen Ahmad A. abzuwarten, der ein mögliches Ermittlungsversagen aufdecken werde.

BVerfG – Missbrauchsgebühr: Ein Anwalt muss 500 Euro Missbrauchsgebühr zahlen, weil er sich in einer Verfassungsbeschwerde beleidigend geäußert hat. Seine Erinnerung gegen die Gebühr verwarf das Bundesverfassungsgericht. lto.de (Pia Lorenz) erläutert aus diesem Anlass die zugrundeliegende Norm, § 34 BVerfGG, die die grundsätzliche Kostenfreiheit des verfassungsgerichtlichen Verfahrens mit einer Missbrauchsklausel versehe. Das Gericht erhebe die Gebühr in seltenen Ausnahmefällen, um missbräuchliche Verfassungsbeschwerden zu sanktionieren. 

BGH – Keine Entschädigung für Demjanjuk-Witwe: Der Bundesgerichtshof hat die Klage der Witwe des ehemaligen KZ-Wachmanns John Demjanjuk auf Zahlung einer Entschädigung zurückgewiesen. Dies berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). John Demjanjuk hatte sich durch eine Schlagzeile der "Bild"-Zeitung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt gesehen und dagegen geklagt, war jedoch vor einer Entscheidung verstorben. Die Witwe hatte die Klage weiter führen wollen. Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung sei jedoch nicht vererbbar, da er vorrangig der höchstpersönlichen Genugtuung diene, entschied das Gericht. Entsprechend hatte es schon 2014 im Fall des verstorbenen Sängers Peter Alexander geurteilt.

ArbG Regensburg – Besoldung von BAMF-Mitarbeitern: Ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat vor dem Arbeitsgericht Regensburg gegen die Höhe seiner Besoldung geklagt. Hierüber berichtet die SZ (Bernd Kastner)Der 59-Jährige war in die niedrigste Besoldungsstufe eingeordnet und damit einem Berufsanfänger gleichgestellt worden, ohne dass seine umfangreiche Berufserfahrung berücksichtigt wurde. Das Tarifrecht sehe eine solche Berücksichtigung als "förderliche Zeit" nur dann vor, wenn sich zu wenige oder nur zu gering qualifizierte Bewerber für die betreffende Stelle beworben haben. Für die Stellen im BAMF habe es indes einen Bewerberüberhang gegeben, bekundete die Behörde. Das Verfahren könnte Präzedenzcharakter entfalten, da nahezu alle der im Zuge der Flüchtlingskrise vom BAMF neu eingestellten Mitarbeiter in die niedrigste Besoldungsstufe ohne Berücksichtigung ihrer Berufserfahrung eingeordnet worden waren. 

BVerwG – Statistische Datenerhebung: Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat einen von einer Berliner Anwaltskanzlei vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend gemachten Klageanspruch anerkannt, mit dem diese sich gegen umfangreiche Auskunftsverlangen seitens der Statistikbehörde wehrte. Dies berichtet lto.de (Maximilian Amos). Nun wird ein entsprechendes Anerkenntnisurteil des Gerichts erwartet. Das Datenauskunftsverlangen, dessen Nichtbefolgung bußgeldbewehrt ist, stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Die Datenerhebung sei zwar quantitativ nicht zu bemängeln, jedoch seien mit der verwendeten Methode repräsentative Ergebnisse nicht zu erwarten, weshalb der Eingriff insgesamt unverhältnismäßig sei.

 

Korrektur: In dem Beitrag zur Besoldung von Bamf-Mitarbeitern war ursprünglich vom Amtsgericht Regensburg die Rede. Richtigerweise wurde natürlich vor dem Arbeitsgericht Regensburg verhandelt. Danke an den Leser für den Hinweis!

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. August 2017: Modellversuch zur Gesichtserkennung / NSU-Plädoyers / Putsch-Prozess in der Türkei . In: Legal Tribune Online, 02.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23737/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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