Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Supermarkt-Attentäter. Außerdem in der Presseschau: Musterklage soll doch kommen, BVerfG entscheidet bald zum EZB-Anleihenkauf, Plädoyer im NSU-Prozess und Cristiano Ronaldo vor Gericht.
Thema des Tages
BAW – Messer-Angriff von Hamburg: Die Bundesanwaltschaft hat im Fall der Hamburger Messerattacke die Ermittlungen wegen besonderer Bedeutung des Falles übernommen, berichten unter anderem die FAZ (Eckart Lohse) und spiegel.de. Beim Angreifer Ahmad A. liege ein radikal-islamischer Hintergrund nahe, auch wenn derzeit keine Hinweise auf Mitgliedschaft in einer Terror-Organisation bestünden. Der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammende abgelehnte Asylbewerber palästinensischer Volkszugehörigkeit hat am Freitag einen Mann mit einem Messer getötet und mehrere weitere Menschen verletzt. In den daraufhin entbrannten Äußerungen zu schärferen Abschieberegelungen spricht sich der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) im Interview mit der SZ (Ronen Steinke, SZ-Zusammenfassung) gegen eine Kasernierung aller Ausreisepflichtigen aus und fordert Auffanglager außerhalb der EU, ein geordnetes Einwanderungsrecht sowie eine gemeinsame europäische Grenzpolizei. spiegel.de (Max Holscher/Vanessa Steinmetz) erklärt im Faktencheck das Scheitern der Abschiebungen. Da der Angreifer nicht als Gefährder eingestuft worden war, erläutert zeit.de (Angelika Finkenwirth) die Voraussetzungen der Einstufung.
Reinhard Müller (FAZ) stellt fest, dass die "allgemeine Pflicht zur Gefahrenabwehr" gelte, wenn eine Abschiebung faktisch nicht möglich ist.
Rechtspolitik
Musterklage: Nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sich offen für die Einführung eines Musterklageverfahrens gezeigt hat, wird die Einführung dieser Verfahrensform erneut diskutiert. Die taz (Christian Rath), die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und die SZ (Kristinia Ludwig/Robert Roßmann) stellen den alten sowie den leicht abgewandelten Gesetzentwurf von Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, vor. Danach soll ein Musterprozess von Verbraucherverbänden geführt werden können. Auf die Musterfeststellung könnten sich dann Verbraucher berufen, die sich zuvor in ein Register haben eintragen lassen. Nach dem neuen Entwurf soll die Zahl der erforderlichen Verbraucher nicht mehr bei zehn liegen, sondern offengelassen werden.
Heribert Prantl (SZ) befürwortet die Initiative. Die Verbraucher in Deutschland seien ohne eine Sammelklage in einer aussichtslosen Position, wie etwa das Vorgehen von VW gegenüber seinen deutschen Kunden zeige.
Justiz
BVerfG – EZB/Staatsanleihen: Nach Informationen der SZ (Wolfgang Janisch) könnte das Bundesverfassungsgericht bereits im August über die Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) entscheiden. Dabei geht es um die Frage, ob die EZB mit dem Ankaufprogramm Wirtschaftspolitik betreibt und damit gegen die EU-Verträge verstößt. Nicht unwahrscheinlich sei, dass das Gericht die Frage wie bereits 2012 beim Outright-Monetary-Transactions-Programm erneut dem Europäischen Gerichtshof vorlegt.
OLG München – NSU-Prozess: Die FAZ (Karin Truscheit), die SZ (Annette Ramelsberger), die taz (Konrad Litschko), zeit.de (Tom Sundermann) sowie spiegel.de (Julia Jüttner) fassen das fortgesetzte Plädoyer der Bundesanwaltschaft zusammen. Sie sieht den Vorwurf der Beihilfe zu neun Morden gegenüber Carsten S. und Ralf Wohlleben bestätigt. Dies gründe sich insbesondere auf die Beschaffung der Mordwaffe Ceska, deren Weg konkret nachgezeichnet werden konnte. Carsten S. wurde seine umfassende Aussage zugutegehalten.
LG Stuttgart – Schlecker-Insolvenz: Die SZ (Stefan Mayr) berichtet von der Vernehmung der beiden Gutachter im Schlecker-Prozess. Sie sollen aufzeigen, ab welchem Zeitpunkt dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit drohte und die Beiseiteschaffung von Vermögenswerten damit den Vorwurf des Bankrotts begründet. Während der eine Gutachter Ende 2009 nannte, sprach sich der von Schlecker beauftragte Gutachter für Spätsommer 2011 aus.
LG Berlin – Mohamed A.: Die Welt (Thomas Schmoll) stellt den Fall des Libanesen Mohamed A. vor. Dieser soll in der Justizvollzugsanstalt Tegel, wo er wegen eines Raubdeliktes einsitzt, Terrordrohungen geäußert haben. Eine Verlängerung der Haft sei in Aussicht, da er weitere Delikte begangen habe. Sollte der Libanon den Ausreisepflichtigen danach nicht aufnehmen, wäre Sicherungshaft und umfassende Überwachung durch bis zu 30 Beamten möglich.
LG Dessau – chinesische Studentin: Im Fall einer getöteten chinesischen Studentin hat die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Dessau für den 21-jährigen Angeklagten die lebenslange Freiheitsstrafe und für seine Ex-Lebensgefährtin acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Die beiden sollen die Frau so schwer misshandelt und vergewaltigt haben, dass sie an den Folgen verstarb. Das Urteil könnte kommenden Freitag folgen, meldet spiegel.de.
LG Köln zu Haarfarbe: Das Landgericht Köln hat den Schadensersatzanspruch eines Models gegen einen Friseursalon bejaht, dem wegen einer fehlerhaften Haarfärbung Aufträge entgangen sind. Die Färbung sei von der gewünschten gold-braunen Farbe ins Rötliche abgewichen und damit mangelhaft gewesen. Die konkreten Verdiensteinbußen muss das Model noch nachweisen, meldet lto.de.
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: Die FAZ (Konrad Schuller) stellt den Streit innerhalb der nationalkonservativen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", PiS, vor, den das Veto Andrzej Dudas gegen Teile der Justizreform ausgelöst hat. Während der Justizminister den Präsidenten scharf attackierte, stand ihm Hochschulminister Jaroslaw Gowin zur Seite und bezeichnete die Entwürfe als so fehlerhaft, dass Duda keine andere Wahl gehabt hätte, als sie zu stoppen.
USA – Sanktionen gegen Russland: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hält die amerikanischen Strafmaßnahmen gegen Russland für völkerrechtswidrig, weil sie auch Sanktionen gegen deutsche Unternehmen enthalten, die mit russischen zusammenarbeiten. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) zeigt Auswegmöglichkeiten auf. Man könnte sich auf eine ältere Blockade-Verordnung der EU berufen, die Secondary Sanctions aus den USA abwehren soll, vor der Welthandelsorganisation klagen oder Strafzölle gegen profitierende US-Unternehmen verhängen.
Spanien – Ronaldo: Der Fußballer Cristiano Ronaldo muss sich wegen möglicher Steuerhinterziehung vor einem Gericht in Madrid verantworten. Ihm wird vorgeworfen, mithilfe von Briefkastenfirmen insgesamt 14,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Vom Prozessauftakt berichten die FAZ (Hans-Günter Kellner), die SZ (Javier Cáceres) und spiegel.de (Tim Röhn).
Sonstiges
Privatschulen: Die FAZ (Jan Grossarth) stellt ein Gutachten der Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung zu Privatschulen vor. Dieses sieht keine Verletzung des Sonderungsverbots aus dem Grundgesetz durch Privatschulen. Das Gutachten stellt die Antwort auf ein Gutachten des Wissenschaftszentrums Berlin dar, das zum Schluss kam, dass das Schulgeld wesentlich günstiger sein müsste und mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien aufzunehmen seien.
EU-Flüchtlingspolitik: Die Promovendin Raluca Bejan zeichnet auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) den Konflikt zwischen den westlichen und östlichen EU-Staaten nach, den das Relocations-Verfahren ausgelöst hat. Zwar habe der Generalanwalt die Einwände der Länder Slowakei und Ungarn in den beiden vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengten Verfahren zurückgewiesen. Doch lohne sich auch ein kritischer Blick auf den von der EU gewählten Verteilungsschlüssel.
SS-Richter Konrad Morgen: Auch die FAZ (Christiane Liermann) bespricht nun die Biografie des SS-Richters Konrad Morgen, die vom Autorenpaar Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman verfasst wurde. Morgen war ein überzeugter Nationalsozialist und kannte die Vernichtungslager, versuchte jedoch, einzelne SS-Angehörige wegen Korruption und Tötungsdelikten vor Gericht zu bringen. Es liege damit eine Studie der abgründigen Ambivalenz eines deutschen Juristenlebens vor.
Michael Knape: Der Polizeirechtsexperte Michael Knape erhält keinen neuen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Wie spiegel.de (Maik Baumgärtner) darstellt, könnte diese Entscheidung auf die Einflussnahme des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt zurückgehen. Kanpe habe zu seinem Missfallen öffentlich die Rechtmäßigkeit des Testeinsatzes von Tasern in Zweifel gezogen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. August 2017: Hamburger Messer-Attentat / Musterklage / EZB-Anleihenkauf . In: Legal Tribune Online, 01.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23421/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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