Im NSU-Prozess wird das erste Plädoyer der Anklage verlesen. Außerdem in der Presseschau: Maas für Musterfeststellungsklage, BGH erlaubt Tan-Gebühren und ein AfD-Politiker steht vor Gericht.
Thema des Tages
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte hat der Vertreter der Generalbundesanwaltschaft die Verlesung des Plädoyers begonnen. Die SZ (Annette Ramelsberger), die FAZ (Karin Truscheit), die taz (Konrad Litschko), die Welt (Gisela Friedrichsen), spiegel.de (Julia Jüttner) und zeit.de (Tom Sundermann) stellen die Eckdaten des Prozesses dar und geben die Argumente der Bundesanwaltschaft wieder. Diese sieht die Anklage in allen Punkten bestätigt. Zschäpe sei als Mittäterin schuldig, da sie die Mordtaten durch ihre Funktion als "Tarnkappe" des Trios erst ermöglicht habe. Die Abkehr vom rechten Gedankengut sei nicht glaubhaft, da sie als überzeugte und gefürchtete Nationalsozialistin in den Untergrund gegangen sei und noch nach dem Tod der beiden Mittäter durch Verbreiten des Bekennervideos für eine weiteren Demütigung der Opfer gesorgt habe.
Helene Bubrowski (FAZ) lobt das Gericht, das über vier Jahre lang akribisch versucht habe, das Mosaik der Taten zusammenzusetzen, und nun eine Entscheidung treffen könne. Heribert Prantl (SZ) kritisiert, die Bundesanwaltschaft dürfe den Behörden keinen Persilschein ausstellen, weil staatliche Verstrickung gerade nicht Gegenstand des Prozesses gewesen sei. Gigi Deppe (swr.de) findet angesichts des abgelehnten Antrags unverständlich, dass moderne Hilfsmittel wie Video- und Tonbandaufzeichnungen von der deutschen Justiz noch immer so vehement abgelehnt werden.
Rechtspolitik
Sanierungsgewinne: Der Bundestag hat ein Gesetz zur Nichtbesteuerung von Sanierungsgewinnen beschlossen, das derzeit von der EU-Kommission auf europarechtliche Zulässigkeit hin geprüft wird. Rechtsanwalt Götz Lautenbach prüft auf dem Handelsblatt-Rechtsboard, welche Neuerungen sich aus dem Gesetz ergeben und stellt die dazugehörige Verwaltungsanweisung vor.
Musterfeststellungsklage: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verteidigt in einem Gastbeitrag im Hbl seinen Vorstoß, die Musterfeststellungsklage einzuführen. Gerade aufgrund der neuen Vorwürfe von Kartellabsprachen zwischen Automobilherstellern seien Instrumente für eine zügige und einheitliche Rechtsverfolgung erforderlich. Das Recht, solche Klagen zu betreiben, solle den Verbraucherschutzverbänden, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern vorbehalten bleiben.
Justiz
EuGH zu Aufsichtsratsmitbestimmung: Rechtsprofessor Martin Höpner erläutert auf verfassungsblog.de das Erzberger-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Im Verfahren ging es um die Frage, ob die deutschen Regelungen zur Aufsichtsratsmitbestimmung gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen.
EuGH – Fanpages: Der Europäische Gerichtshof hat über die Frage zu entscheiden, ob die Betreiber von sogenannten Fanpages auf Facebook für die datenschutzrechtlichen Verstöße von Facebook mitverantwortlich gemacht werden können. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Johannes Marosi stellt auf juwiss.de die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor. Kernfrage ist dabei, ob die Nutzung der Infrastruktur von Facebook ausreicht, um eine beiderseitige Verantwortlichkeit zu begründen, was der Autor bejaht.
EuGH – Fluggastabkommen: Der Europäische Gerichtshof wird am heutigen Mittwoch über ein vom EU-Parlament beantragtes Gutachten zum Fluggast-Abkommen zwischen der EU und Kanada entscheiden. Danach sollen auch intime Fluggastdaten fünf Jahre lang gespeichert werden, wie die SZ (Wolfgang Janisch) erklärt. Der Generalanwalt Paolo Mengozzi habe bereits deutlich gemacht, dass er die lange Frist für nicht erforderlich und die Speicherung von Daten wie der Religionszugehörigkeit für unzulässig hält.
BVerfG zu einstweiliger Verfügung: Gegner einer einstweiligen Verfügung können bereits vor Einlegung eines Widerspruchs Verfassungsbeschwerde erheben, wenn ihnen das Recht auf rechtliches Gehör ohne sachlichen Grund verwehrt worden ist und das Gericht mit dem Antragsteller verdeckt Kontakt aufgenommen hat. Die Verfassungsbeschwerde ist trotz noch nicht ausgeschöpften Instanzenzugs wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren zulässig. Im entschiedenen Fall wehrte sich das Magazin "Der Spiegel" gegen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, die nach telefonischer Rücksprache mit dem Antragssteller erlassen worden war, ohne die Vertreter des Medienunternehmens anzuhören. Die Entscheidung stellen die taz (Christian Rath) und Rechtsanwalt Martin W. Huff auf lto.de vor.
BGH zu Tan-Gebühren: Banken ist erlaubt, Gebühren für das das Versenden von Tan-SMS beim Online-Banking zu verlangen. Sie dürfen allerdings nur tatsächlich verwendete Tan abrechnen, entschied nun der Bundesgerichtshof. Die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Franz Nestler/Hendrik Wieduwilt), die taz (Christian Rath) sowie swr.de (Gigi Deppe) erläutern das Urteil.
BGH zu Pauschalreisen: Pauschalreiseanbieter wie Tui dürfen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs Vorauszahlungen von 40 Prozent verlangen, berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Marcus Jung). Zukünftig kommt es darauf an, ob der Reiseveranstalter typischerweise selbst gegenüber der Fluglinie in Vorleistung treten und welchen Mittelwert er entrichten muss.
AG Mainz – AfD-Politiker: Der rheinland-pfälzische AfD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Sebastian Münzenmaier, steht wegen versuchten Raubes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, als Teil einer Hooligangruppe einen Bus mit Fans einer gegnerischen Mannschaft angegriffen zu haben, meldet focus.de.
Klagen im Kartellfall: Vor dem Hintergrund der neuen Vorwürfe von Kartellabsprachen zwischen Automobilherstellern stellt das Hbl (Christoph Schlautmann) ein Abtretungsmodell der US-Kanzlei Hausfeld vor, das sie im Fall des Lkw-Kartells anwendet. Dabei treten die Geschädigten ihre Ansprüche ab, die dann gemeinsam eingeklagt werden. Um die Zulässigkeit des Vorgehens abzusichern, hat die Kanzlei ein US-Unternehmen als Finanzierer ins Boot geholt.
Freiheit der Kunst – "Esra": Zum zehnjährigen Jubiläum der "Esra"-Entscheidung befasst sich Rechtsprofessorin Sophie Schönberger auf verfassungsblog.de mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches das Verbot des Buchs "Esra" von Max Biller bestätigte. Der Schriftsteller und Jurist Georg M. Oswald erläutert auf verfassungsblog.de, welche Probleme die Entscheidung für Schriftsteller mit sich gebracht hat.
Recht in der Welt
USA – Jeff Sessions: Wie die FAZ (Andreas Ross) und die SZ (Reymer Klüver) berichten, will US-Präsident Donald Trump den Justizminister Jeff Sessions womöglich in nächster Zeit entlassen. Der Präsident werfe Sessions vor, ihn bei den Ermittlungen wegen geheimer Absprachen mit Russland im Stich gelassen zu haben. Sessions hatte sich in Ermittlungen in diesem Zusammenhang für befangen erklärt.
EGMR zu Sexualität von Frauen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte, dass ein Gericht in Portugal eine Frau widerrechtlich diskriminierte. Das Gericht hatte den Schadensersatzanspruch einer 50-Jährigen gekürzt, die wegen einer fehlerhaften gynäkologischen Operation Schmerzen beim Geschlechtsverkehr hatte. Die portugiesischen Richter hatten argumentiert, Sexualität spiele für Frauen ab 50 Jahren keine wichtige Rolle mehr, meldet spiegel.de.
Sonstiges
Soziale Zukunft Europas: Der emeritierte Rechtsprofessor Eberhard Eichenhofer analysiert auf verfassungsblog.de das im April dieses Jahres veröffentlichte Reflexionspapier der EU-Kommission zur "sozialen Zukunft Europas". Aus dem Papier folgten zwar keine praktischen Maßnahmen, jedoch begreife es die EU richtigerweise als ein "soziales Europa", das ein Wohlstands- und Wohlfahrtsversprechen enthalte. Ein gemeinsames Handeln in der Sozialpolitik sei die Grundvoraussetzung der europäischen Integration.
Interne Untersuchungen: Im Recht-und-Steuern-Teil der FAZ beschreibt Rechtsanwalt Thorsten Mäger, welchen Schwierigkeiten Kanzleien bei sogenannten Internal Investigations begegnen können. Umstritten sei, ob die aus der Befragung gewonnen Aufzeichnungen beschlagnahmt werden dürfen. Zudem müsse die Kanzlei den Spagat zwischen Unternehmen und Behörde bewältigen.
Cum-cum-Geschäfte: Das Bundesfinanzministerium hat in einem Schreiben die sogenannten Cum-cum-Geschäfte als missbräuchlich im Sinne der Abgabenordnung bezeichnet. Dabei werden Aktienan- und -verkäufe kurzfristig getätigt, um die Kapitalertragssteuer für ausländische Anleger zu umgehen. Rechtsanwalt Wilhelm Haarmann bringt in der FAZ seine Bedenken gegen das Schreiben zum Ausdruck.
Autokartell: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) erläutert, was ein verbotenes Kartell ist, welche Bußgelder drohen und wer gegen die Autokonzerne klagen könnte. Die SZ (Caspar Busse) erklärt die Kronzeugenregelung im Kartellrecht. Danach wird das Unternehmen, das als erstes ein Kartell meldet, von dem Bußgeld verschont. Dies diene der besseren Aufklärung und einer Verunsicherung der Kartellangehörigen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. Juli 2017: Plädoyer im NSU-Prozess / Musterfeststellungsklage / BGH zu Tan-Gebühren . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23619/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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