Die Ehe für alle soll am Freitag beschlossen werden. Außerdem in der Presseschau: WLAN-Störerhaftung wird beseitigt, EuGH zu verbotenen Beihilfen, ehemaliger Richter zu Haftstrafe verurteilt und ein Amtsgericht zur Nutzung von WhatsApp
Thema des Tages
"Ehe für alle": Über die Einführung der Ehe auch für homosexuelle Paare soll voraussichtlich diesen Freitag im Bundestag abgestimmt werden. Nachdem die SPD eine Abstimmung gefordert hatte, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Wunsch, den Fraktionszwang für die Abstimmung aufzuheben. Bei der Forderung "Ehe für alle" geht es um die völlige rechtliche Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren, die bisher nicht besteht. Die Zustimmung für einen entsprechenden Gesetzentwurf gilt als sicher. Es berichten unter anderem die SZ (Robert Rossmann), die FAZ (Günter Bannas/Majid Sattar) und zeit.de (Katharina Schuler).
spiegel.de (Max Holscher/Annett Meiritz), der Tsp (Jost Müller-Neuhof u.a.) und die taz (Simone Schmollack) erklären in einem Faktencheck, welche Neuerungen gegenüber der geltenden Rechtslage zu erwarten sind. lawblog.de (Udo Vetter) kritisiert die Praxis des Fraktionszwangs als grundgesetzwidrig.
Heribert Prantl (SZ) verweist auf das Bundesverfassungsgericht, das in seiner Rechtsprechung bisher noch nicht mit der Mann-Frau-Struktur der Ehe gebrochen habe. Reinhard Müller (FAZ) hält an der Privilegierung der heterosexuellen Ehe fest, da nur sie Kinder hervorbringe. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) begrüßt, dass die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolge, sondern als Folge eines "genuin politischen Prozesses".
Rechtspolitik
Wissenschaftsurheberrecht: An heutigen Mittwoch entscheidet der Rechtsausschuss des Bundestages, ob das Gesetz zum Wissenschaftsurheberrecht noch in dieser Woche vom Bundestag beraten wird. Im Bereich der Bildung und Wissenschaft soll es danach möglich sein, bis zu 15 Prozent eines Werkes ohne Zustimmung der Urheber zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Die Urheber und Verlage erhalten nach diesem Entwurf eine pauschale Vergütung, berichten die SZ (Johan Schloemann) und die FAZ (Thomas Thiel).
NetzDG: Nun berichtet auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) von Änderungen am Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Insbesondere sind Ausnahmen zur Löschfrist von einer Woche eingeführt worden – für den Fall, dass der Nutzer Gelegenheit zur Stellungnahme erhält oder wenn das soziale Netzwerk die Entscheidung über den Inhalt an eine Einrichtung regulierter Selbstverantwortung überträgt.
WLAN-Störerhaftung: Am Freitag wird nun auch die Abschaffung der Störerhaftung von WLAN-Betreibern beschlossen, wie die taz (Tanja Tricarico) und netzpolitik.org (Tomas Rudl) darstellen. Betreiber offener WLANs sollen demnach nicht mehr zur Sicherung des Zugangs durch Passwörter verpflichtet sein. Allerdings sei kritisch zu sehen, dass Rechteinhaber bei Urheberrechtsverletzungen weiterhin Netzsperren verlangen könnten.
Gesetzesvorhaben: Das Hbl (dah u.a.) fasst noch einmal zusammen, welche Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode umgesetzt wurden und welche nicht. Während die "Ehe für alle", das NetzDG und das freie WLAN komme, scheiterten Initiativen wie die Musterfeststellungsklage und das Mietrechtspaket II.
Geldwäschegesetz: Am Montag ist das neue Geldwäschegesetz in Kraft getreten, das der besseren Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dienen soll. Die Rechtsanwälte Michael Stulz-Herrnstadt und Christoph Engelmann erläutern in der FAZ, wie sich das neue Gesetz auf die Glücksspielbranche auswirkt. Künftig sollen sämtliche Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen den geldwäscherechtlichen Vorgaben unterliegen.
Justiz
EuGH zu Beihilfen: Rechtsprofessor Dennis Klein erörtert auf lto.de ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu verbotenen staatlichen Beihilfen. Das Gericht erklärte die Steuerbefreiung einer von der katholischen Kirche betriebenen Schule von der Immobiliensteuer für unzulässig. Das Urteil zeige, "dass das europäische Beihilfeverbot generell eine enorme steuerliche Sprengkraft entfaltet".
BVerwG – Asyl: Wie die taz (Christian Rath) erläutert, hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof erneut die Frage vorgelegt, ob ein in einem EU-Land anerkannter Flüchtling wegen der schlechten Lebensbedingungen weiterhin in Deutschland Asyl beantragen kann. Diesmal geht es um einen Eritreer, der in Deutschland Asyl beantragte, nachdem er in Italien als Flüchtling anerkannt worden war. Er machte geltend, dass er in Italien keinen Zugang zum Arbeitsmarkt habe. Ein ähnlicher Fall vom März betraf in Bulgarien anerkannte Flüchtlinge.
BAG – Schienenkartell: Am Donnerstag wird das Bundesarbeitsgericht im sogenannten Schienenkartell-Fall entscheiden. Dabei geht es um die Frage, ob Unternehmen hohe Kartellbußen auf Manager abwälzen können. Klägerin ist die Thyssen Krupp GmbH, die wegen Preisabsprachen mit einem Bußgeld von 191 Millionen Euro belegt worden war und nun Regress beim ehemaligen Geschäftsführer nehmen will. Die Rechtsanwälte Fabian Badtke und Sophia Habbe stellen in einem Gastbeitrag in der FAZ die Hintergründe dar. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet auch in einem separaten Artikel.
LG Kassel zu Richter: Das Landgericht Kassel hat einen ehemaligen Richter zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung verurteilt. Dieser hatte während seiner Zeit als Proberichter einen Angeklagten für eine "Probehaft" in eine Gefängniszelle einsperren lassen, um eine abschreckende Wirkung zu erzeugen. Für dieses Vorgehen besteht allerdings keine Rechtsgrundlage, erläutert die FAZ (Alexander Haneke).
AG Bad Hersfeld zu WhatsApp: Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Bad Hersfeld müssen WhatsApp-Nutzer die Einverständniserklärung aller ihrer Kontakte im Adressbuch einholen, dass sie ihre Daten an WhatsApp weiterleiten dürfen, bevor sie die App installieren. Im Kleingedruckten bestätige der Nutzer, dass er zur Weiterleitung der Daten autorisiert sei. swr.de (Jutta Braunschädel) und zeit.de (Torsten Kleinz) stellen die Entscheidung vor.
VG Berlin zu Mindestgröße: Das Verwaltungsgericht Berlin hält die Mindestkörpergröße von 1,60 Metern als Einstellungsvoraussetzung für Frauen bei der Polizei für zulässig. Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) meldet, sprach das Gericht dem Dienstherren einen weiten Einschätzungsspielraum bei der Festlegung von Auswahlkriterien im Sinne des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz zu. Die Festlegung der Mindestkörpergröße bedürfe auch keiner gesetzlichen Grundlage.
LG Aachen zu Diskriminierung: Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Doris Liebscher bespricht auf juwiss.de von einem Urteil des Landgerichts Essen, das einen Fitnessstudiobetreiber zu einer Entschädigungssumme von 2.500 Euro nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz verurteilt hatte. Dieser hatte Kunden aus rassistischen Gründen abgelehnt. Die Autorin bedauert, dass das Gericht bei der Berechnung der Entschädigung den Gleichheitsaspekt und das verletzte Inklusionsinteresse außer Acht gelassen habe.
OVG Münster zu Vorratsdatenspeicherung: Nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Vorratsdatenspeicherung für den Provider Spacenet ausgesetzt hat, diskutiert swr.de (Gigi Deppe), welche Folgen dies für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung hat. Da das Urteil nur inter partes gilt, müssten andere Unternehmen ebenfalls Eilanträge stellen, was bisher nur die Telekom getan habe.
LG Leipzig – Udo Foht: Der ehemalige MDR-Unterhaltungschef, Udo Foht, muss sich wegen Betrugs, Untreue, Steuerhinterziehung und Bestechlichkeit vor dem Landgericht Leipzig verantworten, berichtet die FAZ (Michael Hanfeld). Er soll ein Finanzierungsgeflecht geschaffen haben, in dem er von mehreren Produzenten Gelder gegen Auftragsvergabe annahm und gegenüber dem MDR Beträge abrechnen ließ, für die keine Gegenleistungen erbracht wurden.
BVerwG zu Plagiat: Nach einem Bericht der FAZ (Jochen Zenthöfer) hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass der Professorin Margarita Mathiopoulos der Doktorgrad aberkannt werden kann. Die Universität Bonn hatte den Titel entzogen, nachdem Plagiate im Vroniplag Wiki veröffentlicht worden waren.
Recht in der Welt
EU-Kommission – Google: Die EU-Kommission hat gegen Google eine Kartellbuße in Höhe von 2,42 Milliarden Euro verhängt, berichten unter anderem die FAZ (Werner Mussler), die taz (Eric Bonse) und das Hbl (Till Hoffe u.a.). Sie wirft dem Konzern vor, seine Marktstellung missbraucht und gegen Wettbewerbsregeln verstoßen zu haben. Der Konzern habe bei der Suche konkurrierende Preisvergleichsangebote systematisch schlechter dargestellt und den eigenen Shopping-Dienst bevorzugt.
USA – Einreiseverbot: Nun besprechen unter anderem die SZ (Reymer Klüver) und Rechtsanwalt Robert Peres auf lto.de die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, die den Einreisestopp für Bürger aus sechs vorwiegend muslimischen Ländern teilweise wieder erlaubt. Eine Ausnahme soll gelten, wenn die Personen einen Bezug zu den USA glaubhaft machen können.
Niederlande – Srebrenica: Ein niederländisches Gericht in Den Haag hat die Niederlande wegen des Massenmords von Srebrenica verurteilt. Das Gericht sah die niederländische UN-Truppe "Dutchbat" als mitverantwortlich für den Tod von 350 Menschen an, da sie sich kampflos ergeben und Tausende Flüchtlinge nicht geschützt hatte. Es berichten unter anderem die SZ (Thomas Kirchner) und die taz (Erich Rathfelder).
Thomas Kirchner (SZ) hebt positiv hervor, dass die Opfer im Rechtsstaat eine Instanz gefunden hätten, die ihre Belange in ausreichendem Maße berücksichtigt habe.
EuGH zu Impfung/Beweislast: Die SZ (Kathrin Zinkant) stellt Kritik an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zusammen, welches bei Produkthaftungsfällen bereits hinreichende Indizien zum Nachweis der Kausalität ausreichen lässt. Dies könnte "willkürlichen Behauptungen Tür und Tor öffnen".
Sonstiges
Verfassung: Privatdozent Fabian Steinhauer erläutert auf verfassungsblog.de die Verfassungslehre von Carl Schmitt und befasst sich mit der Reproduktion von juristischem Wissen sowie dem Verfassen als kulturtechnischer Operation.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Juni 2017: Ehe für alle / WLAN-Störerhaftung beseitigt / EU-Kommission gegen Google . In: Legal Tribune Online, 28.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23303/ (abgerufen am: 17.04.2024 )
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