Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. Juni 2017: Kameras im Gerichts­saal / Sparen an der Justiz / Vor­schlag für Ver­fas­sungs­richter

26.06.2017

Der Bundestag hat in der vergangenen Woche Gerichtssäle bedingt für Bild- beziehungsweise Tonaufnahmen geöffnet. Außerdem in der Presseschau: Wie viel Geld für die Justiz ausgegeben wird und Josef Christ soll Richter des BVerfG werden.

Thema des Tages

Kameras im Gerichtssaal: spiegel.de stellt das am vergangenen Donnerstagabend vom Bundestag beschlossene Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren vor. Danach können künftig bei den obersten Bundesgerichten Bild- oder Tonaufnahmen der Urteilsverkündungen zugelassen werden. Außerdem wurde für alle Gerichte die grundsätzliche Möglichkeit von Ton-Übertragungen in separate Pressearbeitsräume geschaffen. Tagesschau.de (Frank Bräutigam) beleuchtet die Hintergründe und das Zustandekommen der Neuregelung. Im Medienteil der Samstags-SZ überlegt Wolfgang Janisch weitergehend, ob auch ein eigener Kanal "Gerichtsfernsehen" zulässig wäre. Er bejaht die Zulässigkeit, sieht es allerdings eher als langfristiges Projekt. Zunächst müsste geklärt werden, welche Fälle überhaupt für das Fernsehen geeignet seien. Auf jeden Fall werde, so Janisch, "der diskrete Charme der BGH-Rechtsprechung ein Ende haben".

Reinhard Müller (Samstags-FAZ) sieht in dem neuen Gesetz ein Misstrauensvotum gegenüber der Justiz. Es sei nicht Aufgabe der Justiz, Bilder zu produzieren. Zum Schluss fragt Müller: "Wo soll das hinführen?"

Rechtspolitik

Staatstrojaner: Am Donnerstag hat der Bundestag Gesetzesänderungen verabschiedet, die den Strafverfolgungsbehörden erlauben, in bestimmten Fällen auf Computer, Tablets oder Smartphones zuzugreifen und dort eine Überwachungssoftware zu installieren. Die FAS (Moritz Eichhorn) fasst die Neuregelungen und auch die Kritik daran zusammen.

In seiner Leitglosse meint Jasper von Altenbockum (Samstags-FAZ), dass das Gesetz "ein hohes Maß an Vertrauen in die Weisheit des Staates" voraussetze. Denn einerseits arbeite der Staat selbst an Verschlüsselungen, um Gefahren abzuwehren, andererseits durchbreche er sie systematisch. Es sei schwierig zu ahnen, welche Folgen das Gesetz haben werde. Der Autor ist aber grundsätzlich der Auffassung, dass der Lauschangriff mittels Hacker-Software notwendig sei, da die Hersteller der entsprechenden Kommunikationsdienste mit Polizei und Geheimdiensten nicht zusammenarbeiten können oder wollen. Daniél Kretschmar (Samstags-taz) meint dagegen in seiner Kolumne, dass die neuen Möglichkeiten zur Überwachung ein fataler Fehler seien. Wegen des abgekürzten Verfahrens – die Neuregelungen wurden erst über einen Änderungsantrag des Rechtsausschusses eingefügt – sei die Debatte um den Staatstrojaner selbst ein Trojanisches Pferd, und zwar zur Aushebelung der Bürgerrechte. Und auch Christian Bommarius (FR) kritisiert die Verabschiedung "im Geheimen". Das sei ein bedrückendes Beispiel der "Demokratieverachtung" wird der SPD-Politiker Heil zitiert. Um den Respekt, den ihr Berlin verweigere, werde die Demokratie in Karlsruhe nicht lange bitten müssen, meint Bommarius.

Effektivierung des Strafverfahrens: Was das neue, in der vergangenen Woche verabschiedete Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens neben dem Staatstrojaner noch enthält, erläutert Udo Vetter auf lawblog.de. So wurde eine Zeugenerscheinungspflicht eingeführt, die Vetter ausführlich thematisiert.

§ 175 StGB: Die Samstags-FAZ (Marlene Grunert) berichtet über die Beschlussfassung des Bundestages zur Rehabilitation homosexueller Justizopfer, die auf Grund des früheren § 175 StGB verurteilt wurden. Außerdem weist sie ebenfalls auf die Neuregelungen zu Fernseh- und Rundfunkaufnahmen in Gerichtssälen der obersten Bundesgerichte hin.

Gesetzgebungsmarathon im Bundestag: lto.de hat die wichtigsten Beschlüsse des Bundestags am vergangenen Donnerstag zusammengestellt.

Justizausgaben: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat laut einer Meldung auch in der Samstags-FAZ (Marcus Jung) die Sach- und Personalkosten für die Richter und Staatsanwälte in den einzelnen Bundesländern nebeneinandergestellt. Im Verhältnis zum jeweiligen Gesamthaushalt liegen die Ausgaben danach zwischen 1,4 und 4,7 Prozent. Die Erhebung ist eine Reaktion auf die jüngste Kritik von Bundesjustizminister Heiko Maas an einem mangelhaften Personalausbau in der Justiz, heißt es im Artikel. Ein Link auf die gesamte Zusammenstellung des DAV ist bei lto.de zu finden.

NetzDG: Unter anderem die Samstags-FAZ (Kerstin Schwenn), Samstags-SZ (Robert Rossmann) und lto.de vermelden, dass sich die Koalitionsfraktionen auf Änderungen beim Entwurf des NetzDG geeinigt haben. Das Gesetz könnte deshalb in dieser Woche, der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause, verabschiedet werden. Der Kompromiss sieht vor, die Sieben-Tage-Frist, in der die Social-Media-Plattformen rechtswidrige Inhalte löschen müssten, zu lockern. Die Unternehmen sollen beispielsweise auch unabhängige Beschwerdestellen schaffen und auf diese die Bearbeitung übertragen können. Die Sieben-Tage-Frist soll dann nicht mehr gelten.

Insgesamt positiv zum geplanten Gesetz äußert sich Joachim Käppner (Montags-SZ). Bei aller Kritik sei es jetzt höchste Zeit dafür. Und an die Adresse der Unternehmen gerichtet: Wer viel zu wenige und unterbezahlte Mitarbeiter für das Löschen krimineller Beiträge einsetze, dürfe sich nicht beschweren, wenn ihn nun der Staat in die Pflicht nehme.

Störerhaftung: Die Samstags-FAZ (Jonas Jansen) beleuchtet die Diskussion um das geplante WLAN-Gesetz. Nachdem im vergangenen Jahr bereits das Telemediengesetz reformiert wurde, damit Betreiber öffentlicher WLAN-Netzwerke weniger leicht für Rechtsverletzungen durch die Nutzer haftbar gemacht werden können, liegt nun ein weiterer Gesetzentwurf der Bundesregierung zur WLAN-Störerhaftung vor. Laut FAZ sind sich allerdings die Koalitionsfraktionen noch nicht einig, die SPD befürchte ein Scheitern des Vorhabens, die CDU/CSU sei optimistisch, doch noch zu einem Ergebnis zu kommen.

In seinem separaten Kommentar weist Jonas Jansen (FAZ) darauf hin, dass Hoteliers, Cafébetreiber und alle Nutzer seit Jahren hier auf ein richtiges Gesetz warteten.

Josef Christ als Schluckebier-Nachfolger: Der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts Josef Christ ist laut lto.de vom Wahlausschuss des Bundestages als Nachfolger von Wilhelm Schluckebier als Richter des Bundesverfassungsgerichts vorgeschlagen worden. Er muss jetzt noch vom Bundestag bestätigt werden. Die Amtszeit von Schluckebier endet im November 2017.

Verbändebeteiligung im Gesetzgebungsverfahren: Die Linke hat die Bundesregierung nach den Stellungnahmefristen für die Beteiligung von Verbänden und NGOs an Gesetzentwürfen der Bundesregierung gefragt, berichtet die Montags-taz (Anna Lehmann). Anlass war der Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht – hier sollte innerhalb von nur zwei Werktagen Stellung genommen werden. Das war keine Ausnahme: Laut taz hatten die Verbände und NGOs beim Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen und auch beim Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit jeweils nur vier Tage Zeit, sich zu äußern. Durch die Beteiligung von Verbänden soll den Ressorts die Möglichkeit gegeben werden, "die Interessen der Betroffenen zu berücksichtigen".

Mietpreisbremse: Im Focus diskutieren Bundesjustizminister Heiko Maas, der Präsident des Deutschen Mieterbundes Franz-Georg Rips und der Präsident des Immobilienverbandes Deutschland Michael Schick die Effektivität der Mietpreisbremse. Maas und Rips wollen nachbessern, Schick fordert eine effektive Baupolitik statt Verschärfungen im Mietrecht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. bis 26. Juni 2017: Kameras im Gerichtssaal / Sparen an der Justiz / Vorschlag für Verfassungsrichter . In: Legal Tribune Online, 26.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23277/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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