Die juristische Presseschau vom 21. Juni 2017: Keine Abstim­mung über Homo-Ehe / Kom­mis­sion zu Auto­nomen Fahren / EGMR zu Anti-Schwulen-Gesetz

21.06.2017

Der Bundestag muss nicht mehr in dieser Legislaturperiode über die "Ehe für alle" abstimmen. Außerdem in der Presseschau: Ethik-Kommission legt Bericht über Autonomes Fahren vor und EGMR verurteilt Russland wegen homophobem Gesetz.

Thema des Tages

BVerfG zu Abstimmung über Homo-Ehe: Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion abgelehnt, den Rechtsausschuss im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, noch in dieser Legislaturperiode über die "Ehe für alle" abzustimmen. Zuvor waren verschiedene Gesetzentwürfe mehrmals vertagt worden. Das Bundesverfassungsgericht begründete die Ablehnung damit, dass der Antrag in der Hauptsache offensichtlich unbegründet sei. Zwar beinhalte das Gesetzesinitiativrecht auch das Recht, dass innerhalb einer angemessenen Frist über den Entwurf abgestimmt werde. Genaue Vorgaben würden sich dem Grundgesetz jedoch nicht entnehmen lassen. Das Recht werde nur dann entleert, wenn ohne sachlichen Grund nicht über den Entwurf abgestimmt werde. Daran fehle es hier, da bis zuletzt diskutiert worden sei. Über den Beschluss berichten die FAZ (Alexander Haneke), die taz (Christian Rath) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof).

Reinhard Müller (FAZ) meint zwar, dass die Abstimmung "irgendwie verschleppt" worden sei, sieht jedoch keine Entleerung des Initiativrechts. Zudem werde jedenfalls in der nächsten Legislaturperiode die Ehe für alle ohnehin kommen. Kritisch wird der Beschluss von Christian Rath (taz) gesehen. Das Parlament genieße ein hohes Ansehen, weil es das höchste Entscheidungsorgan im Staat sei. Diesen Nimbus hätten die Richter mit ihrer Entscheidung nicht gerade gestärkt.

lto.de (Pia Lorenz) analysiert die Entscheidung und lässt Verfassungsrechtler zu Wort kommen.

Rechtspolitik

Autonomes Fahren: Die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Ethik-Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Verfassungsrichters Udo Di Fabio hat ihren Abschlussbericht zum Autonomen Fahren abgegeben. Darin wird die Ermöglichung von selbstfahrenden Autos grundsätzlich begrüßt. Bei Unfällen dürfe der Computer nicht nach persönlichen Merkmalen entscheiden. Vertretbar sei jedoch eine Programmierung, die zu einer möglichst kleinen Zahl von Personenschäden führt. Zudem werden strenge Datenschutzvorschriften und eine gesetzliche Haftung von Herstellern gefordert. Die wichtigsten Aussagen werden von der SZ (Markus Balser), der taz (Dario Dietsche) und netzpolitik.org (Constanze Kurz) zusammengefasst.

Wolfgang Janisch (SZ) meint, die Kommission habe gut daran getan, sich nicht auf "tragic choices" einzulassen, weil diese nicht eindeutig normierbar seien. Mit den Prinzipien Verantwortung und Behutsamkeit biete der Bericht dem Gesetzgeber eine Orientierung. Svenja Bergt (taz) sieht das Problem des Autonomen Fahrens weniger im dystopischen Einzelfall als vielmehr in der möglichen Überwachung im Alltag. Daher brauche es ein "Gesetz, das den Nutzern solcher Fahrzeuge die Hoheit über ihre Daten gibt".

zeit.de (Catharina Felke) hat mit dem Philosophen Matthias Lutz-Bachmann, der der Ethik-Kommission angehört, über ethische Dilemma-Situationen gesprochen.

Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Der Untersuchungsausschuss zu den sogenannten Cum-Ex-Geschäften hat seinen Abschlussbericht vorgelegt. Einigkeit besteht danach darüber, dass die Geschäfte illegal waren. Die Opposition wirft den Regierungsfraktionen jedoch vor, die Verantwortung der damaligen Finanzminister kleinzureden, wie die SZ (Klaus Ott), die FAZ (Manfred Schäfers) und das Hbl (Frank M. Drost) berichten.

Sozialkassen: Der Rechtsprofessor Gregor Thüsing kritisiert in der FAZ ein zweites Gesetz zur Sicherung der Sozialkassen. Schon das erste Gesetz, mit dem der Inhalt von rechtswidrigen Tarifverträgen rückwirkend in Gesetzesform gegossen worden sei, sei verfassungswidrig gewesen. Das zweite Gesetz sehe für die übrigen Sozialkassen vor, dass ein Gericht den Beklagten zur vorläufigen Zahlung verpflichtet, es sei denn, das Gericht halte die Allgemeinverbindlicherklärung für offensichtlich unwirksam oder der Beklagte mache glaubhaft, dass die vorläufige Leistungspflicht ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Damit werde eine elementare Grundregel des Prozessrechts umgedreht.

DNA-Analyse: In einem ausführlichen Beitrag befasst sich deutschlandfunk.de (Gudula Gudula Geuther/Ludger Kazmierczak) mit der geplanten erweiterten DNA-Analyse, mit der Rückschlüsse auf äußere Merkmale des mutmaßlichen Täters gezogen werden sollen. Der Beitrag beleuchtet nicht nur die Entwicklung in den Niederlanden, sondern auch verfassungsrechtliche Fragen sowie die technischen Probleme.

Europäische Insolvenzverordnung: Der Rechtsanwalt Peter Hoegen stellt in der FAZ die neue Europäische Insolvenzverordnung vor, die am 26. Juni in Kraft tritt. Die neue Verordnung ziehe erstmals präventive Sanierungsverfahren ein und schärfe die Kriterien für den Interessenmittelpunkt, der für das anwendbare Recht entscheidend sei. Zudem werde ein Konzerninsolvenzrecht "light" eingeführt, das auf Kooperation und Koordinierung der Einzelverfahren setze.

Sicherheit und Freiheit: Anlässlich der Diskussionen im Anschluss an Terroranschläge befasst sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin Judith Sikora auf juwiss.de mit dem Verhältnis von Sicherheit und Freiheit. Ein "Grundrecht auf Sicherheit" als solches kenne das Grundgesetz nicht; das bloße Sicherheitsgefühl sei kein Rechtsgut. Zudem zeige das Beispiel Großbritanniens, dass mehr polizeiliche Befugnisse nicht automatisch zu mehr Sicherheit führten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Juni 2017: Keine Abstimmung über Homo-Ehe / Kommission zu Autonomen Fahren / EGMR zu Anti-Schwulen-Gesetz . In: Legal Tribune Online, 21.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23237/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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