Dextro Energy darf nicht mit korrekten Aussagen über die Wirkung von Traubenzucker werben. Außerdem in der Presseschau: De Maizière will DNA-Analysen ausweiten und BGH muss über Raser urteilen.
Thema des Tages
EuGH zu Traubenzuckerwerbung: Der Traubenzuckerhersteller Dextro Energy darf nicht mit Aussagen über die Wirkungsweise von Glucose werben, obwohl diese nachweislich wahr sind. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die Europäische Kommission hatte, gestützt auf die Health-Claims-Verordnung, die Genehmigung von gesundheitsbezogenen Aussagen wie "Glucose unterstützt die körperliche Betätigung" abgelehnt, obwohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem Gutachten deren Richtigkeit bescheinigte. Der Europäische Gerichtshof bestätigte nun diese Entscheidung. Die Kommission dürfe eine Aussage auch dann ablehnen, wenn sie den allgemein akzeptierten Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen zuwiderlaufe, zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels verleite, dieses gutheiße oder von vernünftigen Essgewohnheiten abbringe. Es berichten die FAZ (Marcus Jung), die SZ (Valentin Dornis), die Welt (Carsten Dierig) und die BadZ (Christian Rath).
Auf lto.de erläutert die Rechtsanwältin Christine Konnertz-Häußler ausführlich die rechtlichen Grundlagen und den Verfahrensverlauf.
Rechtspolitik
Kernbrennstoffsteuer: Nachdem das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Brennelementesteuer diese Woche für verfassungswidrig erklärt hat, drängt die SPD auf einen neuen verfassungskonformen Anlauf. In Betracht komme eine Brennelementesteuer, die als Verbrauchssteuer durchgehe, oder auch die Einführung einer Abgabe. Beides stoße jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken, so die taz (Malte Kreutzfeldt). Daher werde auch eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen.
Forensische DNA-Analysen: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will laut SZ (Christina Berndt) zur Innenministerkonferenz Mitte Juni eine Vorlage zur erweiterten Nutzung von DNA-Analysen zur Strafverfolgung mitbringen. Danach sollen aus der DNA entnommene Informationen über das vermutliche Aussehen des mutmaßlichen Täters genutzt werden können. Kritik von Wissenschaftlern, die den Nutzen anzweifeln und auf die Risiken hinweisen, haben bisher kein Gehör gefunden.
Ronen Steinke (SZ) warnt davor, alle technisch möglichen Informationen auch zu nutzen, denn sonst "stünde der Verdächtige nackt da". Bei der vorgeschlagenen Nutzung von Informationen über Haar- und Hautfarbe gehe es jedoch "um nichts Geheimes, nur um Dinge, die großteils im Ausweis stehen".
NetzDG: Laut SZ (Pia Ratzesberger) stößt das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz zur Bekämpfung von rechtswidrigen Inhalten in sozialen Netzwerken auf Widerstand aus Brüssel. Die Kommission prüfe derzeit, ob das Gesetz mit Unionsrecht vereinbar sein wird. Eine Regulierung auf EU-Ebene sei nicht geplant.
Europäische Staatsanwaltschaft: 18 EU-Staaten haben sich auf die Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft verständigt. Das melden zeit.de und lto.de. Das European Public Prosecutor's Office (EPPO) soll seinen Sitz in Luxemburg haben und bei Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Union ermitteln. Zuvor war die Einrichtung als Vorhaben aller 28 EU-Staaten gescheitert.
Urheberrechts-Richtlinie: Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat sich erstmals mit der geplanten Urheberrechts-Richtlinie befasst. Die Einführung von verpflichtenden Uploadfiltern sei abgelehnt, das EU-weite Leistungsschutzrecht angenommen worden, so netzpolitik.org (Markus Beckedahl).
BKA-Gesetz: Der Rechtsprofessor Matthias Bäcker kritisiert auf verfassungsblog.de die vom Bundestag verabschiedete Änderung der Informationsordnung des BKA-Gesetzes. Der Gesetzgeber könne zwar die bisherigen Dateien durch einen einheitlichen Informationsbestand ersetzen, wenn die Zweckbindung sichergestellt werde. Das beschlossene Gesetz schreibe jedoch bestehende rechtsstaatliche Defizite fort und sorge für zusätzliche Unklarheiten.
Justizminister Heiko Maas: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) zeichnet das Bild eines Justizministers Heiko Maas in der Krise. Für Kritik würden etwa handwerkliche Unzulänglichkeiten von Gesetzentwürfen und PR-Missgeschicke sorgen. Die wichtigsten Vorhaben seien entweder gescheitert oder, wie die Mietpreisbremse, nicht wirksam. Wichtig sei für den Justizminister daher, dass das – ebenfalls sehr umstrittene – Netzwerkdurchsetzungsgesetz noch verabschiedet werde.
Justiz
OLG Düsseldorf zu MyTaxi: Eine Passage in der Satzung einer Bonner Taxi-Genossenschaft, die die Nutzung der Taxi-App "MyTaxi" ausschließt, ist rechtswidrig. Das hat der Kartellsenat am Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden. Mit der App können Fahrgäste vermittelt, Fahrten bewertet und die Bezahlung abgewickelt werden. Der Ausschluss durch die Genossenschaft sei eine ungerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkung, zitiert die FAZ (Hendrik Wieduwilt) den Anwalt von "MyTaxi".
LG Berlin zu Spendenkonto für Horst Mahler: Eine Berliner Bank durfte das Konto der Gattin von Horst Mahler kündigen, nachdem dieses als Spendenkonto für den untergetauchten und nach Ungarn geflohenen Rechtsextremen genutzt worden war. Das hat das Landgericht Berlin entschieden, wie spiegel.de und lto.de melden. Die Bank müsse es nicht dulden, eine Strafvereitelung zu unterstützen.
BGH – Raser-Unfall: Der Bundesgerichtshof muss über die Strafen gegen zwei Raser entscheiden, die vom Landgericht Köln wegen fahrlässiger Tötung zu Bewährungsstrafen verurteilt worden waren. Die Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich lediglich gegen den Strafausspruch, der aus ihrer Sicht nicht hinreichend das "Rechtsempfinden der Bevölkerung" berücksichtigt habe. In der Verhandlung machte der Senat deutlich, dass der Rahmen für Korrekturen der Strafzumessung bei der Revision begrenzt sei. Die Frage, ob das Verhalten von Rasern möglicherweise auch als Totschlag oder Mord zu qualifizieren sei, ist gar nicht Gegenstand der Revision. Über den Fall und die Verhandlung berichten die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath) und lto.de.
EuGH – Dublin III: Österreich und Slowenien sind für die Prüfung der Anträge von Asylbewerbern zuständig, die im Rahmen der Massenbewegung im Jahr 2015 über Kroatien eingereist sind. Zu diesem Ergebnis kommt Eleanor Sharpston, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof. Zwar sehe die Dublin-III-Verordnung vor, dass der Staat zuständig ist, in den der Asylbewerber zuerst illegal einreist. Im Falle der von Kroatien tolerierten und sogar geförderten Durchreise sei jedoch keine illegale Einreise in diesem Sinne gegeben. Die Dublin-III-Verordnung sei "schlicht nicht für solche außergewöhnlichen Umstände gedacht gewesen". Über das Gutachten schreiben die FAZ (Eckart Lohse) und lto.de (Tanja Podolski).
LG Berlin – PKV-Beiträge: Im Streit um die Erhöhung von Beiträgen zu privaten Krankenversicherungen ist erst im Herbst mit einer Entscheidung des Berliner Landgerichts zu rechnen. Ein für Mittwoch vorgesehenes Urteil wurde verschoben. In dem Fall geht es um die Frage, ob ein Treuhänder, der für eine Krankenversicherung die Beitragsanpassungen überprüft, im erforderlichen Maße unabhängig ist, wenn er einen großen Teil seines Umsatzes mit einem Auftraggeber macht. Den Rechtsstreit und seine Hintergründe beleuchtet die SZ (Ilse Schlingensiepen).
LG Kassel – Rechtsbeugung: Laut Hannelore Crolly (Welt) wirft der Fall des jungen Amtsrichters Christoph R., der wegen Rechtsbeugung angeklagt ist, nachdem er als Richter einen Angeklagten in eine Gewahrsamszelle einsperren ließ, ein Schlaglicht auf die problematische Ausbildung von Richtern: "Ob kostengünstiges 'Training on the Job' tatsächlich der rechte Weg ist, um den Richternachwuchs heranzuziehen?"
Recht in der Welt
Polen – Justizreform: Das polnische Parlament hat am Donnerstagabend über zwei Gesetze abgestimmt, mit denen der Einfluss von Exekutive und Legislative auf die Justiz ausgeweitet wird. Das schreibt die FAZ (Konrad Schuller). Danach soll der Justizminister künftig die Präsidenten aller Gerichte ohne Angabe von Gründen austauschen können. Im "Landesjustizrat", der bei der Ernennung von Richtern eine wichtige Rolle spielt, sollen zukünftig nur noch Richter sitzen, die vom Parlament gewählt werden. Die regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" sehe darin einen Schlag gegen die "Gerichtokratie", die Opposition spreche von einer "Säuberung" der Justiz.
USA – Comey vs. Trump: Der ehemalige FBI-Chef James Comey hat schwere Vorwürfe gegen den US-Präsidenten Donald Trump erhoben. Trump habe in einem persönlichen Gespräch gesagt, er hoffe, dass die Ermittlungen gegen den damaligen Sicherheitsberater Michael Flynn fallen gelassen würden. Dies habe Comey als Anweisung verstanden. Treffen die Aussagen Comeys zu, so könnte die Affäre nicht nur in einem Amtsenthebungsverfahren münden, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen für Trump haben. Von der Anhörung Comeys berichten u.a. die FAZ (Andreas Ross) und die Welt (Clemens Wergin).
Nikolas Busse (FAZ) gibt zu bedenken, dass es sich bei der Behinderung der Justiz um einen schwammigen Straftatbestand handele. Zudem müsse sich Trump vor dem Kongress verantworten, dem es weniger um rechtliche als um politische Fragen gehe. Clemens Wergin (Welt) misst den Äußerungen Comeys ein "besonderes juristisches Gewicht und starke Glaubwürdigkeit" bei, wenn auch "die Sache wegen der verfassungsrechtlichen Sonderstellung des Präsidenten wohl kaum jemals vor Gericht enden wird".
Die taz (Bernd Pickert) erläutert erneut die Voraussetzungen einer Amtsenthebung. Das Hbl (Torsten Riecke) stellt den beruflichen Werdegang des Juristen James Comey vor.
Sonstiges
Hanfeinfluss am Steuer: lawblog.de (Udo Vetter) schildert den Fall eines Mandanten, der seinen Führerschein abgeben musste und einer Blutprobe unterzogen wurde, nachdem er unter Cannabis-Einfluss im Straßenverkehr angetroffen wurde. Die Polizisten hätten noch nicht die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes mitbekommen, durch die Cannabis zum verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel geworden ist. Dadurch scheide auch ein Verstoß gegen § 24a Straßenverkehrsgesetz aus, wenn eine entsprechende Verschreibung vorliege.
GWB-Novelle: Rechtsanwalt Jens Steger erläutert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die Änderungen durch die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Das Hauptaugenmerk liege auf der Erleichterung der Durchsetzung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen, etwa durch eine langsamere Verjährung und Informationsansprüche. Zudem habe das Bundeskartellamt Befugnisse zur Öffentlichkeitsarbeit und Kompetenzen für Verbraucherschutz bekommen.
SS-Richter Konrad Morgen: Auch die SZ (Gustav Seibt) stellt nun das Buch "Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin" von Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman vor, das den Fall des SS-Richters Konrad Morgen moralphilosophisch und rechtstheoretisch untersucht. Morgen habe, nachdem er über einen unterschlagenen Goldklumpen auf den Massenmord der Nazis aufmerksam geworden sei, versucht, diesen juristisch zu stoppen. Die Autoren erschütterten in dem Buch die Auffassung, dass der Rechtspositivismus den Weg in den Unrechtsstaat eröffnet habe.
Das Letzte zum Schluss
AG Dortmund zu rauchenden Nachbarn: Ein Dortmunder Ehepaar hat Begrenzungen im Nikotin-Konsum zu erleiden. Weil ein Nachbar sich eingeschränkt fühlte, wurde das Ehepaar aus Dortmund verurteilt, von 0 bis 3 Uhr, 6 bis 9 Uhr, 12 bis 15 Uhr und 18 bis 21 Uhr das Rauchen auf dem Balkon zu unterlassen. Über das Urteil des Amtsgerichts Dortmund berichtet bild.de (Michael Engelberg/Andreas Wegener).
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Juni 2017: Traubenzuckerwerbung verboten / Ausweitung von DNA-Analysen / Raser vor dem BGH . In: Legal Tribune Online, 09.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23148/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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