Der US-Jurist Larry Thompson nimmt seine Arbeit bei VW auf. Außerdem in der Presseschau: Musterfeststellungsklage kommt nicht, es wird Kritik an der Mietpolitik laut und die Gesichtserkennung in Ladenlokalen will geprüft sein.
Thema des Tages
VW-Skandal: Der vom US-Justizministerium zur Aufarbeitung des VW-Skandals bestellte Jurist Larry Thompson hat seine Arbeit beim VW-Konzern in Wolfsburg aufgenommen. Das Hbl (Lukas Bay u.a., handelsblatt.com-Kurzfassung) porträtiert in einem ausführlichen Beitrag den ehemaligen Staatssekretär im US-Justizministerium, der reiche Erfahrung mit Wirtschaftsskandalen vorweisen kann. Thompson soll den Konzern überwachen, eine neue Unternehmenskultur etablieren und weitere Verstöße verhindern helfen. Sein Mandat ist auf drei Jahre angelegt und mit umfangreichen Befugnissen verbunden, etwa mit der Bewertung des Vorstandes und der leitenden Geschäftsführung in der Compliance. Nach Ende des Mandats und Vorlage eines Abschlussberichts muss das US-Justizministerium entscheiden, ob VW seinen Pflichten nachgekommen ist.
Rechtspolitik
Musterfeststellungsklage: Nach Informationen der FAZ (Hendrik Wieduwilt) wird die geplante Einführung der Musterfeststellungsklage aus zeitlichen Gründen in dieser Bundestagslegislaturperiode nicht mehr kommen. Damit sollten nach Vorbild des Kapitalanleger-Musterverfahrens Umstände festgestellt werden können, die für eine Vielzahl von Verbrauchern von Bedeutung sind.
Reform der EU: In einem Interview mit zeit.de (Steffen Dobbert) fordert Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament, eine umfassende Reform der Europäischen Union. Nach Vorbild des deutschen Föderalismus solle eine föderale EU geschaffen werden. Statt der EU-Kommission, so Verhofstadt, könnte es künftig eine europäische Regierung aus zwölf bis 15 Regierungsmitgliedern geben.
Europäischer Verteidigungsfonds: Die EU-Kommission stellt am heutigen Mittwoch den Europäischen Verteidigungsfonds vor, der einen wesentlichen Baustein einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungsunion bilden soll. Daneben präsentiert die Kommission ein Diskussionspapier zur Zukunft der europäischen Verteidigung, berichtet vorab die SZ (Daniel Brössler/Alexander Mühlauer).
Daniel Brössler (SZ) merkt an, dass die EU-Kommission mit dem Vorhaben einen Weg in Richtung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft beschreite.
Mietrecht: Der Deutsche Mieterbund (DMB) kritisiert in einer Stellungnahme die Wohnungspolitik der Bundesregierung, berichten unter anderem die SZ (Markus Mayr/Benedikt Müller) und die FAZ (Henrike Roßbach). Neben fehlendem Ausbau bezahlbaren Wohnraums wird die Wirkungslosigkeit der Mietpreisbremse hervorgehoben. Um Missbrauch vorzubeugen, sollten die Vermieter verpflichtet werden, bei einem neuen Vertrag die bisherige Miete anzugeben. Daneben fordert der DMB die Umsetzung der Pläne des Bundesjustizministers zum besseren Schutz der Mieter vor Modernisierungskosten.
NetzDG: Wie lto.de meldet, übt auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Kritik am geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Das noch nicht veröffentlichte Gutachten verweise auf eine mögliche Grundrechts- und Europarechtswidrigkeit vorgeschlagener Regelungen. Die Welt (Christian Meier/Matthias Kamann) fasst noch einmal die Kritik aus dem Bundesrat und den einzelnen Parteien zusammen.
Justiz
Anwaltsgericht Köln zu Unfallflucht: Das Anwaltsgericht Köln hat eine Geldbuße der Rechtsanwaltskammer Köln in Höhe von 400 Euro gegen einen Anwalt bestätigt, der wegen Unfallflucht verurteilt worden ist. Dieser fuhr in einem Parkhaus ohne Angabe der Personalien davon, nachdem er ein anderes Fahrzeug beschädigt hatte. Das Anwaltsgericht befand die zusätzliche Geldbuße als notwendig, um das "Ansehen der Rechtsanwaltschaft" zu wahren, stellt nun auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) dar.
OVG Berlin-Brandenburg zu Auskunftsanspruch: Der Promovend Felix Rhein stellt in der FAZ die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zum Auskunftsanspruch von Journalisten über die Hintergrundgespräche der Kollegen vor. Während das Verwaltungsgericht den Anspruch mit der Begründung bejaht habe, die Journalisten seien der Pressefreiheit auch ausgesetzt, hat das Oberverwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Erforderlich sei jedoch eine gesetzliche Regelung, die bisher fehle, sodass Gerichte auf das Grundgesetz als Anspruchsgrundlage zurückgreifen müssten.
BVerfG - Kernbrennstoffsteuer: Am heutigen Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung verkünden, ob die 2010 eingeführte Steuer auf Kernbrennstoffe verfassungskonform ist. Das Finanzgericht Hamburg hatte das Verfahren vorgelegt. Entscheidende Frage ist wohl, ob die Steuer als "Verbrauchssteuer" vom Bund eingeführt werden konnte, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch) in einem Vorbericht.
LG Berlin – PKV-Beitragserhöhungen: Das Hbl (Carsten Herz/Peter Thelen) beschreibt in einem Vorbericht einen Fall vor dem Landgericht Berlin, der die Rechtmäßigkeit von Beitragserhöhungen privater Krankenversicherungen zum Gegenstand hat. Das Urteil wird mit Spannung erwartet, weil das Amtsgericht Potsdam in einem ähnlich gelagerten Fall gegen den Versicherer entschieden hat und immense Rückzahlungsforderungen drohen. Dabei geht es um die Frage, wie die Unabhängigkeit der Treuhänder sicherzustellen ist, die die Berechnungsgrundlage überprüfen.
StA Hechingen – Bundeswehrskandal: Die Staatsanwaltschaft Hechingen hat die Vorermittlungen wegen der Vorfälle in der Bundeswehrkaserne in Pfullendorf eingestellt. Die Vorwürfe wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hätten sich nicht bestätigt, berichtet die Welt (Thorsten Jungholt).
Getöteter Junge: spiegel.de (Conny Neumann/Benjamin Schulz) befasst sich mit dem Fall des afghanischen Asylbewerbers, der am Samstag einen fünfjährigen Jungen getötet hat. Der Mann war bereits vorbestraft und konvertierte im Gefängnis zum Christentum, was seine Abschiebung verhinderte. Im Interview mit spiegel.de (Anna Reimann) erläutert Rechtsanwalt und Pro-Asyl-Gründer Victor Pfaff die Hintergründe zum Asylverfahren und zur Abschiebung.
Da der Afghane eine elektronische Fußfessel trug, nimmt die SZ (Joachim Käppner) den Fall zum Anlass, Kritik an der Fußfessel für Gefährder zu üben. Sie verhindere keine Verbrechen, sondern mache sie nur leichter verfolgbar.
Recht in der Welt
USA – Bill Cosby: spiegel.de (Marc Pitzke) und die FAZ (Christiane Heil) stellen den Prozessauftakt gegen den US-Schauspieler Bill Cosby dar, der wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung vor Gericht steht. Nach den Eröffnungsplädoyers habe eine Zeugin über das Vorgehen Cosbys berichtet, der sie betäubt und missbraucht haben soll.
Vereinigtes Königreich – Brexit: Rechtsprofessor Marc-Philippe Weller und der Promovend Manuel Gonzalo Casas untersuchen in der FAZ, welche Folgen der Brexit für Dauerschuldverhältnisse haben könnte. Dabei ordnen sie die Folgen als Störung der "großen Geschäftsgrundlage" ein und fordern eine EU-weite Geschäftsgrundlagenregelung.
Sonstiges
Alberico Gentili: Professor Roland G. Asch widmet dem Juristen Alberico Gentili einen Gastbeitrag in der FAZ. Der italienische Jurist lebte zu Zeiten der französischen Konfessionskriege und war ein Wegbereiter des modernen Völkerrechts. Die Idee eines Religionskrieges habe er abgelehnt, da Glaubensfragen kein legitimer Grund für einen Angriff auf einen souveränen Staat seien.
Gesichtserkennung: Die Supermarktkette Real und die Deutsche Post wollen in einigen ihrer Filialen Systeme zur Gesichtserkennung und individualisierten Videowerbung einsetzen. Die Rechtsanwälte Markus Dinnes und Hauke Hansen analysieren auf lto.de, ob die Praxis mit dem Bundesdatenschutzgesetz vereinbar ist. Man müsse die Praxis entweder als Datenverarbeitung oder Videoüberwachung einstufen können und selbst dann wäre sie nicht per se unzulässig, sondern es müsse eine Abwägung erfolgen.
Bekennerschreiben: Angesichts der aktuellen Terroranschläge beleuchtet die BerlZ (Christian Bommarius) die Geschichte des Bekennerschreibens bei politischen Morden und Attentaten. Dabei blickt der Autor auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Terrorgruppen.
Das Letzte zum Schluss
Intergalaktische Beute: Ein Mann muss sich in Kalifornien vor Gericht verantworten, weil er mehrere hundert Sammlerfiguren im Wert von 200.000 Euro aus dem Star-Wars-Museum nahe San Francisco entwendet haben soll. Beim Rancho-Obi-Wan-Museum handelt es sich um die weltweit größte Sammlung von Star-Wars-Andenken mit seltenen Sammlerstücken, meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Juni 2017: US-Aufseher bei VW / Kritik am NetzDG / PKV-Beitragsfragen . In: Legal Tribune Online, 07.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23083/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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