Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2017: Sürücü-Brüder frei­ge­spro­chen / Gut­ach­t­er­st­reit im NSU-Pro­zess / Straf­bare "Likes"

31.05.2017

Justiz

BVerfG – EZB-Anleihenkäufe: Der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Gerichtet ist das Begehren auf den Ausstieg Deutschlands aus dem Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank, wie das Hbl meldet. Der Antragsteller argumentiert, die Fortsetzung des Programms sei für den deutschen Staatshaushalt mit unverhältnismäßig hohen Risiken verbunden.

BGH zu Sachverständigen: Die Rechtsanwälte Christian Hinz und Ashkan Rahmani besprechen in einem Beitrag in der FAZ einen Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Ablehnung Sachverständiger wegen Befangenheit. Das Gericht habe das Ablehnungsrecht auf eine Vorbefassung des Sachverständigen mit Blick auf sämtliche gleichgelagerten Fälle ausgedehnt. Nicht mehr relevant sei, ob die Vortätigkeit für eine der Prozessparteien erfolgte. Der Beschluss sei zu begrüßen, berge aber praktische Herausforderungen sowohl für Sachverständige als auch Prozessbeteiligte.

OLG München – NSU: Der vom Oberlandesgericht München bestellte psychiatrische Gutachter Henning Saß hat sich gegen die Kritik an seinem Gutachten, das Beate Zschäpe als voll schuldfähig und gefährlich einschätzt, verwahrt. Die Verteidigung hatte zwei weitere Gutachter beauftragt, die Saß in seiner Beurteilung der Schuldfähigkeit Zschäpes widersprechen. Insbesondere gegen das Gutachten des emeritierten Professors Joachim Bauer wehre sich der Psychiater Saß vehement; Bauers Einschätzungen seien "offensichtlich nicht gestützt auf die speziellen Kenntnisse und Erfahrungen in der forensischen Psychiatrie", er äußere lediglich spekulative Vermutungen, wie die SZ (Annette Ramelsberger/Wiebke Ramm) schreibt. Es berichten ebenfalls die FAZ (Karin Truscheit) und die Welt (Gisela Friedrichsen).

OLG Hamburg – Erdogan: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat mit Mustafa Kaplan einen neuen Anwalt gefunden. Der Politiker möchte im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg ein Verbot von Jan Böhmermanns "Schmähgedicht" erreichen. Sein bisheriger Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger hatte angesichts der Nazi-Vergleiche, die Erdogan in Bezug auf die Bundesregierung äußerte, sein Mandat niedergelegt, wie die FAZ und lto.de melden.

OLG Hamburg zu Barclays: Das Versprechen "0 Euro für Bargeld weltweit", mit dem die Barclays Bank wirbt, ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg irreführende Werbung. Es könnten nämlich durchaus außerhalb Europas Gebühren anfallen, auf diese werde nur im Kleingedruckten hingewiesen. Es berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).

KG Berlin – Facebook-Erbe: Die SZ (Wolfgang Janisch) geht mit Blick auf ein heute zu verkündendes Urteil des Kammergerichts Berlin der Frage nach, ob Eltern auf das Facebook-Konto ihres verstorbenen Kindes zugreifen dürfen. Das Landgericht Berlin hatte in der Vorinstanz zu Gunsten der Eltern entschieden, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem sozialen Netzwerk und dem verstorbenen Mädchen auf die Eltern als Erben übergehe. Zentrales Problem sei allerdings der Schutz des Fernmeldegeheimnisses der Kommunikationspartner; die Vertraulichkeit der Kommunikation der Facebook-Freunde müsse mit dem Eigentumsrecht der Erben abgewogen werden, so Janisch.

LG Koblenz – Neonazi-Prozess: Das Landgericht Koblenz hat einen Prozess gegen 17 mutmaßliche Mitglieder des rechtsextremen "Aktionsbüros Mittelrhein" nach mehr als 300 Verhandlungstagen eingestellt. Grund für die Einstellung sei die "überlange Verfahrensdauer" von fast fünf Jahren, wie die SZ und spiegel.de schreiben. Nachdem der Vorsitzende das Ruhestandsalter erreichte, hätte der Prozess neu beginnen müssen. Die Anklage hatte auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung gelautet.

LG Leipzig zu Professoren-Berufung: Das Landgericht Leipzig hat einem Wissenschaftler, der sich als Professor an der Universität Leipzig beworben hatte und von der Berufungskommission als der am besten geeignete Kandidat eingeordnet worden war, einen Schadensersatz in Höhe von circa 1,1 Millionen Euro zugesprochen. Der Freistaat Sachsen müsse dem Kläger bis zum Jahr 2029, dem Jahr seiner voraussichtlichen Pensionierung, Ersatz dafür leisten, dass dieser nun eine schlechter bezahlte Anstellung innehabe, wie spiegel.de berichtet. Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass die Rektorin der Universität ihre Amtspflichten verletzt habe, indem sie die zweitplatzierte Bewerberin bevorzugte.

AG München zu Altglas: Das Amtsgericht München hat den Erlass zweier Strafbefehle gegen ein Ehepaar, das mit Hilfe eines Greifarmes Pfandflaschen aus einem Altglascontainer entnahm, abgelehnt. Es sei kein "messbarer Diebstahlschaden" entstanden, denn die Flaschen würden mit dem Einwurf in den Container dem Pfandkreislauf entzogen – es könne somit lediglich um den Materialwert gehen. Dieser war so gering, dass seine Berechnung nicht möglich war, wie faz.net (Karin Truscheit) schreibt. Udo Vetter gibt auf lawblog.de zu bedenken, dass auch geringwertige Sachen entwendet werden könnten. Es fehle aber an der Aneignungsabsicht.

AG München zu eBay: Das Amtsgericht München hat entschieden, dass es sich bei der wahrheitsgemäßen Bewertung eines eBay-Verkäufers um eine vertragliche Nebenpflicht handelt, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) schreibt. Dem Kläger war zu Unrecht vorgehalten worden, er habe die Ware nicht in der Originalverpackung verkauft, außerdem habe er die Selbstabholung nicht ermöglicht.

EuGH – Freizügigkeit nach Einbürgerung: Der Generalanwalt Yves Bot geht vor dem Europäischen Gerichtshof davon aus, dass Bürger der Europäischen Union auch nach einer Einbürgerung mit ihren Familienangehörigen zusammenleben können müssen, wie lto.de (Tanja Podolski) berichtet. Im konkreten Fall gehe es um einen albanischen Mann, der mit einer Spanierin, die die britische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, verheiratet sei und dem eine Aufenthaltskarte verweigert wurde. Auf die Klage des Mannes wendete sich der High Court of Justice nun an den Europäischen Gerichtshof mit der Frage, ob die britische Regelung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht mit Unionsrecht, insbesondere mit der Freizügigkeitsrichtlinie, vereinbar sei.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2017: Sürücü-Brüder freigesprochen / Gutachterstreit im NSU-Prozess / Strafbare "Likes" . In: Legal Tribune Online, 31.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23071/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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