Spanien muss Schadensersatz zahlen, weil es Energieförderung gekürzt hat. Außerdem in der Presseschau: Türkisches Referendum über Todesstrafe soll nicht in Deutschland stattfinden und der Beginn des NSU-Prozesses jährt sich zum vierten Mal.
Thema des Tages
ICSID zu Energieförderung in Spanien: Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten hat einem luxemburgischen Investor 128 Millionen Euro Schadensersatz zugesprochen, weil die spanische Regierung in den Jahren 2010 bis 2014 die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien gekürzt hat. Spanische Investoren unterlagen vor den nationalen Gerichten, wie die Montags-taz (Reiner Wandler) schreibt.
Für Ulrike Herrmann (Montags-taz) zeigt der Fall, wie gefährlich die sogenannten Investitionsschutzklauseln seien. Es werde eine "Paralleljustiz für ausländische Konzerne" etabliert. Gerichte in demokratischen Ländern wie Spanien würden ausgehebelt.
Rechtspolitik
Funkzellenabfrage: Die Möglichkeit der Funkzellenabfrage könnte ausgeweitet werden. Das geht laut netzpolitik.org (Andre Meister) aus Äußerungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und von Bundesinnenminister Thomas de Maizière sowie Kanzlerin Angela Merkel hervor. Hintergrund ist ein geplantes Gesetz zur Bekämpfung von Wohnungseinbruchsdiebstählen. Bisher darf die Funkzellenabfrage bei einem entsprechenden Verdacht nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden.
Referendum zu Todesstrafe in der Türkei: In der deutschen Politik herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein türkisches Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht auf deutschem Boden stattfinden dürfte. Laut Samstags-SZ (Michael Bauchmüller/Stefan Braun) hält der wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine entsprechende Verweigerung der Genehmigung für rechtlich zulässig. Die Völkerrechtler Christian Tomuschat und Stephan Schill sehen sogar Argumente für eine entsprechende Verpflichtung aus dem Sechsten Zusatzprotokoll zur europäischen Menschenrechtskonvention.
Unterstützung erhält die Politik auch von Reinhard Müller (Samstags-FAZ): "In die Form einer Abstimmung gepresste Menschenverachtung" habe auf deutschem Boden nichts zu suchen.
Verfassungsrecht und Sozialpolitik: Im Interview mit der Montags-taz (Christian Rath) äußert sich die Verfassungsrichterin Susanne Baer zum Verhältnis von Verfassungsrecht und Sozialpolitik. Das Verfassungsgericht würde nur die Leitplanken setzen, innerhalb derer über die Sozialpolitik gestritten werden müsste. Wichtige Grenzen würden sich aus dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ergeben, das hinter den Urteilen zu Hartz IV und zum Asylbewerberleistungsgesetz stehe. Die Aufnahme von sozialen Grundrechten wie einem Recht auf Arbeit in das Grundgesetz sieht die Richterin kritisch. Diese würden entweder nicht einklagbar sein und damit die Bedeutung der Verfassung schwächen oder die Gerichte überfordern und die politische Debatte lähmen.
Richter am BVerfG: Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit den anstehenden Nachwahlen von Bundesverfassungsrichtern. Innerhalb von gut einem Jahr würden drei Stellen frei werden. Da auch die Stelle des derzeitigen Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof darunter sei, gehe es auch um den zukünftigen Präsidenten. In Betracht kämen unter anderem die derzeitige EGMR-Richterin Angelika Nußberger, der Präsident des Bundessozialgerichts Rainer Schlegel, und der Staatsrechtslehrer Christian Waldhoff.
Burkaverbot und Leitkultur: Der Richter und Juradozent Lorenz Leitmeier kritisiert auf lto.de die von Bundesinnnenminister Thomas de Maizière aufgewärmte Leitkultur-Debatte sowie das vom Bundestag verabschiedete Gesetz, das Beamten und Soldaten verbietet, im Dienst ihr Gesicht zu verhüllen. Da es keinen einzigen derartigen Fall gebe, handele es sich um "Symbolgesetz ohne jedwede Relevanz". Der Bundestag sei jedoch kein Wahlkampfstand.
"State of the Union": Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) berichtet von der Konferenz "State of the Union" des Europäischen Hochschulinstituts. Michel Barnier, Chefunterhändler der EU für die Brexit-Verhandlungen, forderte dort, dass die Einhaltung der Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien auch nach dem Brexit vom Europäischen Gerichtshof überwacht werden müsste.
Justiz
BVerwG zu pensioniertem Richter: Einem pensionierten Richter darf es für eine Übergangszeit untersagt werden, als Anwalt vor seinem ehemaligen Gericht aufzutreten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht nach Meldungen von Samstags-FAZ (Marcus Jung) und lto.de entschieden. Die Tätigkeit sei geeignet, den Anschein zu erwecken, dass die vertretenen Rechtssachen in ungebührlicher Weise gefördert werden. Daher würden dienstliche Interessen beeinträchtigt.
LG Hamburg zu Berichten über Michael Schumacher: Das Landgericht Hamburg hat den Verlag der Zeitschrift "Bunte" dazu verurteilt, 50.000 Euro Entschädigung an Michael Schumacher zu zahlen. Das melden spiegel.de und lto.de. Die "Bunte" hatte im Dezember 2015 fälschlicherweise berichtet, dass der ehemalige Rennfahrer wieder laufen könne. Dass das Magazin Recherchebemühungen anstellte, wertete das Gericht zu seinen Gunsten. Eine Anzeige in der "Bild"-Zeitung erhöhte hingegen die Entschädigungssumme.
EuGH zu Kopftuch am Arbeitsplatz: Die Samstags-FAZ (Marcus Jung) beleuchtet, welche Auswirkungen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat, mit dem ein Kopftuchverbot durch den Arbeitgeber für grundsätzlich zulässig erklärt wurde. Es kommen Arbeitsrechtler zu Wort, die empfehlen, etwaige Kleidungsvorschriften möglichst klar und verständlich in Betriebsvereinbarungen festzulegen. In vielen Branchen bestehe jedoch gar kein Bedarf für Verbote; teilweise werde eine Kopfbedeckung aus hygienischen Gründen sogar vorgeschrieben.
LAG Hessen zu Rest-Urlaubstagen: Werden in der Entgeltabrechnung die Rest-Urlaubstage aufgeführt, kann daraus hervorgehen, dass sie über den 31. März hinaus in das nächste Jahr mitgenommen werden sollen. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen in einem Urteil entschieden, auf das die Rechtsanwältin Regina Steiner in der Samstags-FAZ aufmerksam macht. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 169,5 Urlaubstage geltend gemacht hat.
EuG – EU-Bauproduktenverordnung: Die Bundesregierung klagt gegen die Europäische Kommission, weil sie die EU-Normen über Bauprodukte für schlecht gemacht und lückenhaft hält. Unter anderem geht es um die Frage, ob recycelte Autoreifen für Sportböden verwendet werden dürfen oder ob gesundheitliche Gründe dem entgegenstehen. Unterstützung erhält die Bundesregierung von der Bauindustrie, die steigende Kosten durch einen höheren Kontrollaufwand und ein niedrigeres Sicherheitsniveau befürchtet. Den Streit schildert die Samstags-FAZ (Henrike Roßbach).
Schiedsgerichte/OLG Frankfurt – Punktabzug für Fußballvereine: Die Fußball-Drittligisten VfR Aalen und FSV Frankfurt sind mit ihren Rechtsmitteln gegen Sanktionen des Deutschen Fußball-Bundes vorerst gescheitert. Sie wehrten sich gegen einen Punktabzug, der infolge der Insolvenzanmeldung verhängt wurde. Es bleibe noch der Weg vor das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen. Anschließend könnte zwar das OLG Frankfurt angerufen werden, dieses entscheide allerdings nur nach einem sehr eingeschränkten Maßstab. Die rechtlichen Grundlagen erläutert Sven Kaltenbach, Richter am Landgericht Ulm, auf lto.de.
KG Berlin – Kaufpreis für Kläranlage: Weil beim Vertragsschluss über den Verkauf einer Kläranlage bei Berlin der branchenübliche Zusatz "zzgl. Mehrwertsteuer" vergessen wurde, entgehen der Deutschen Immobilien Leasing, einer Tochter der Deutschen Bank, voraussichtlich 37 Millionen Euro. Eine Klage auf höhere Kaufpreiszahlung hat das Landgericht Berlin bereits abgewiesen. Jetzt muss das Kammergericht entscheiden. Unterdessen bereiten sich auch Anleger, die einen Fehler bei der Bank sehen, auf eine Klage vor. Das berichtet der Focus (Andreas Große Halbuer/Wolfgang Reuter, focus.de-Kurzfassung).
GBA – Syrischer Anwalt erstattet Anzeige: Die Montags-taz (Kristof Botka) stellt den syrischen Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunnis vor, der mit Unterstützung der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen sechs syrische Geheimdienstoffiziere erstattet hat. Ziel ist es, Haftbefehle wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu erwirken.
OLG München – NSU-Prozess: Zum vierten Jahrestag des Beginns des NSU-Prozesses sprach die Samstags-taz (Konrad Litschko) mit dem Nebenklagevertreter Mehmet Daimagüler, der den Prozess als belastend beschreibt. Der Anwalt hält die Länge des Verfahrens für berechtigt und rechnet mit einer Verurteilung von Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft bei gleichzeitiger Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Wesentliche Fragen, insbesondere zur Rolle des Staates, würden jedoch unbeantwortet bleiben. Einen Überblick über den bisherigen Verlauf des Prozesses gibt lto.de.
Digitale Zeugen: Die FAS (Piotr Heller) beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die die Zunahme von intelligenten Geräten für Strafprozesse mit sich bringt. In den USA komme es zu ersten Fällen, in denen ein Herzschrittmacher oder ein Fitnessarmband zu Belastungsmitteln würden. Auch in Deutschland würden immer öfter Smartphones ausgewertet. Das werfe datenschutzrechtliche Fragen auf.
Recht in der Welt
Italien – Seenotrettung: Ein italienischer Staatsanwalt wirft Menschenrechtsorganisationen, die im Mittelmeer Seenotrettung betreiben, vor, mit Schleppern zu kooperieren und diese zu unterstützen. Obwohl er keine Beweise vorlegt, ist in Italien eine heftige Debatte ausgebrochen, die die Samstags-FAZ (Jörg Bremer) und spiegel.de (Hans-Jürgen Schlamp) schildern.
Türkei – Entlassungen in Justiz: In der Türkei sind weitere 107 Richter und Staatsanwälte entlassen worden. Das meldet spiegel.de. Ihnen werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen, die von der Regierung für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht wird.
Juristische Ausbildung
Menschenrechtsarbeit: Die Samstags-Welt (Marie Thérèse Nercessian) porträtiert Yaroslavna Sychenkova, die an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder einen LL.M. in International Human Rights and Humanitarian Law erworben hat und jetzt an einer Traineeship des European Center for Constitutional and Human Rights teilnimmt, wo sie Folter-Opfer aus Syrien berät. Später möchte die 26-Jährige bei einer Menschenrechtsorganisation arbeiten.
Sonstiges
Big Brother Award: Die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage hat der türkisch-islamischen Union Ditib wegen der Affäre um spitzelnde Imame den Negativpreis "Big Brother Award" verliehen. Im Vorfeld hatte Ditib den Datenschützern bereits mit rechtlichen Schritten gedroht und darauf verwiesen, dass die Ermittlungen nur gegen einzelne Imame geführt würden. Weitere Preisträger sind der IT-Branchenverband Bitkom für Lobbyarbeit gegen Datenschutz und zwei Münchener Universitäten für den Umgang mit den Daten ihrer Studierenden. Über die Preisverleihung berichten spiegel.de (Judith Horchert), zeit.de (Eike Kühl) und netzpolitik.org (Markus Reuter).
Alice Weidel vs. NDR: Der NDR weigert sich laut einer Meldung von spiegel.de, im Streit mit der AfD-Politikerin Alice Weidel eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Satiriker Christian Ehring hatte die Spitzenkandidatin als "Nazi-Schlampe" bezeichnet, um sich über ihre Äußerungen zu politischer Korrektheit lustig zu machen. Wegen dieses Zusammenhangs sieht lhr-law.de (Arno Lampmann) in der Äußerung keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung.
Gemeinsamer Bundesausschuss: Die Rechtsprofessorin Astrid Wallrabenstein befasst sich auf lto.de mit Legitimationsproblemen des Gemeinsamen Bundesausschusses, einem Gremium, das etwa entscheidet, welche Behandlungen von den Krankenkassen übernommen werden. In einem Beschluss von November 2015 habe das Bundesverfassungsgericht Zweifel an einer hinreichenden demokratischen Legitimation angedeutet. In einem Präzedenzfall sei aber noch nicht entschieden worden. Daneben stelle sich die Frage, wie Patienten besser die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses angreifen könnten.
Das Letzte zum Schluss
Mit Haustieren Steuern sparen: Haustiere können nicht nur – wie bei der Hundesteuer – zu einer erhöhten Steuerbelastung führen, sondern auch ein Einsparpotenzial bieten. So können bestimmte Kosten als "haushaltsnahe Dienstleistungen" von der Steuer abgesetzt werden. Das hat der Bundesfinanzhof 2015 entschieden. Was das für Tierhalter bedeutet, erklärt die Montags-SZ (Berrit Gräber).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. bis 8. Mai: ICSID verurteilt Spanien / Kein Todesstrafen-Referendum in Deutschland / Vier Jahre NSU-Prozess . In: Legal Tribune Online, 08.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22843/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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