Der deutsche Erdoğan-Anwalt legt sein Mandat nieder. Außerdem in der Presseschau: Kein Flüchtlingsstatus für syrischen Wehrdienstverweigerer und Großkanzleien sind jetzt offen für Teilzeit und Diversity.
Thema des Tages
Erdoğan-Anwalt beendet Mandat: Der Münchener Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger hat sein Mandat für den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan niedergelegt. Dies berichtet der Branchendienst Meedia (Marvin Schade). Von Sprenger hatte Erdoğan in dessen Rechtsstreit gegen den Satiriker Jan Böhmermann vertreten. Als Grund für die Mandatsniederlegung nannte von Sprenger die wiederholten Nazi-Vergleiche Erdoğans. Von Sprenger sei von diesen "persönlich betroffen", da sein Vater während des Nationalsozialismus im Gefängnis gesessen habe. Gegenüber der SZ (erweiterte sueddeutsche.de-Fassung) dementierte Sprenger indes, sich derartig zu den Gründen geäußert zu haben.
Udo Vetter (law-blog.de) kritisiert die mutmaßliche Äußerung Sprengers, da eine persönliche Enttäuschung mit Blick auf den Mandanten der anwaltlichen Schweigepflicht unterfalle und eine Distanzierung ein schlechtes Licht auf den Mandanten werfe.
Rechtspolitik
Peter Müller zur Rolle des Parlaments: Im Interview mit der FAZ (Reinhard Müller) bekräftigt Verfassungsrichter Peter Müller, die zu erwartende Vergrößerung des Deutschen Bundestages nach der nächsten Wahl auf bis zu 700 Abgeordnete sei Resultat einer gesetzgeberischen Entscheidung, nicht der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Die vom Gericht vorgenommene Stärkung der Rechte des Parlaments sei verfassungsrechtlich geboten und werde trotz der Komplexität einiger Sachfragen auch angemessen umgesetzt.
Ombudsstellen für Zeugen: Nach dem Freispruch für den wegen Körperverletzung mit Todesfolge Angeklagten im Fall Niklas P. vor dem Landgericht Bonn fordert die FDP die Einrichtung von Ombudsstellen für jugendliche Zeugen. Dies meldet spiegel.de. Zeugen, die vor einer Aussage aus Angst vor Rache zurückschreckten, sollten hier vertraulich aussagen können. Auf diese Weise könnten "Schweigespiralen" wie im Fall Niklas P. durchbrochen werden.
Justiz
OVG NRW zu Flüchtlingsstatus bei Wehrpflicht: Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass wehrpflichtigen Syrern, die sich ihrem Dienst durch Flucht entzogen haben, kein Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 Asylgesetz zusteht. Dies berichtet lto.de (Tanja Podolski). Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe keine politische Verfolgung, da auch das syrische Regime Flucht vor dem Wehrdienst nicht als politische Opposition verstehe, sondern lediglich als Furcht vor dem Kriegseinsatz als solchem.
EuGH-Generalanwalt – Mitbestimmung: Der Generalanwalt beim EuGH hat in seinem Schlussantrag in der Sache "Erzberger" ausgeführt, es sei EU-rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Mitglieder des Tui-Aufsichtsrates nur von im Inland beschäftigten Arbeitnehmern gewählt werden könnten. Rechtsanwalt André Zimmermann erläutert das Verfahren auf dem Handelsblatt-Rechtsboard. Einerseits könnten sich nicht alle der außerhalb Deutschlands tätigen Arbeitnehmer auf die Freizügigkeit berufen, andererseits seien die deutschen Mitbestimmungsregeln als wesentlicher Bestandteil der deutschen Sozialordnung eine ausreichende Rechtfertigung einer Beschränkung.
EuGH zu Vogelschlag: Fluggäste haben keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihr Flug wegen Vogelschlags Verspätung hat. Derartige Vorkommnisse stünden außerhalb der Verantwortung der Fluggesellschaften, entschied der Europäische Gerichtshof. Dies berichten SZ und BerlZ (Stefan Sauer). Verbraucherschützer kritisierten das Urteil, da sich Hersteller und Fluggesellschaften etwa mit konstruktiven Verstärkungen am Flugzeug durchaus gegen Vogelschlag wappnen könnten.
EuGH zu Bargeld auf Flugreisen: Die Einfuhr von Bargeldmengen im Wert von über 10.000 Euro muss auch dann angemeldet werden, wenn sich die Transportperson nur in Transitzonen an einem EU-Flughafen aufhält. Dies entschied der Europäische Gerichtshof im Fall eines Mannes, der bei einem Bargeldtransport von 1,6 Millionen Dollar von Cotonou (Benin) nach Libanon in Paris umgestiegen war. Es berichtet lto.de.
AG Medebach verurteilt Jugendamtsbetreuerin: Nach dem Hungertod eines von ihr betreuten Zweijährigen ist die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes vom Amtsgericht Medebach wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dies meldet sueddeutsche.de. Trotz gewichtiger Warnungen habe die Betreuerin keine Prüfung einer Kindeswohlgefährdung vorgenommen.
LAG Berlin zu Kopftuch: Das Landesarbeitsgericht Berlin hat nun die schriftliche Begründung seines Kopftuch-Urteils aus dem Februar vorgelegt. Das Gericht stützt die Entscheidung, der wegen ihres Kopftuches nicht eingestellten muslimischen Pädagogin einen Schadensersatz von 8.500 Euro zuzusprechen, auf eine verfassungskonforme Auslegung des Berliner Neutralitätsgesetzes. Es berichtet die taz-Berlin (Christian Rath). Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes von 2015 sei ein Kopftuchverbot nur bei einer "konkreten Gefahr" für den Schulfrieden zulässig. Diese habe hier nicht vorgelegen. Schulbezirksweite Kopftuchverbote seien nur in Bezirken wie Kreuzberg möglich, nicht aber in Frohnau oder Schmargendorf.
LG München – Burger-Franchise: Das Landgericht München verhandelt die Auseinandersetzung der Inhaber der Burgerketten "Hans im Glück" und "Peter Pane", wie die SZ (Ulrike Schuster) berichtet. "Hans im Glück" erhebt den Vorwurf, der ehemalige Franchise-Nehmer, dessen Filialen nunmehr unter dem Namen "Peter Pane" firmieren, sei hinsichtlich der Einhaltung des Franchise-Konzeptes vertragsbrüchig geworden und schadensersatzpflichtig in Höhe von acht Millionen Euro. Ein Urteil wird für Juli erwartet.
StA Kiel – Kutten-Link nicht strafbar: Die Staatsanwaltschaft Kiel hat die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kieler Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piratenpartei) wegen Verbreitung des Kennzeichens einer verbotenen Vereinigung nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 Vereinsgesetz abgelehnt. Dies meldet lto.de. Breyer hatte auf Twitter einen bild.de-Artikel über den Diebstahl von Kutten der Rocker-Gruppe "Bandidos" aus einer Asservatenkammer der Polizei geteilt. Der von ihm mit dem Kommentar: "Auch bei der Polizei wird geklaut" versehene Artikel enthielt ein Bild der Rocker-Kutte. Die darauf erfolgte Anzeige des LKA bezeichnete Breyer als "Racheaktion."
Diversity in Großkanzleien: Das Hbl (Désirée Balthasar) erläutert verschiedene Strategien von Großkanzleien, mit denen diese sich für Top-Absolventen attraktiver darzustellen versuchten. Hierzu gehöre neben der vermehrten Bereitstellung von Teilzeitstellen auch eine Erhöhung der Diversität unter den Mitarbeitern. Hintergrund für diesen Imagewechsel sei ein Talentemangel: Viele Topjuristen bevorzugten inzwischen den öffentlichen Dienst oder schieden aufgrund der hohen Arbeitsbelastung nach einigen Jahren wieder aus den Kanzleien aus.
Recht in der Welt
Griechenland – Auslieferungen: Ein griechisches Gericht hat die Auslieferung zweier türkischer Soldaten abgelehnt, die nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 nach Griechenland geflohen waren. Dies berichtet spiegel.de. Die türkische Justiz wirft den Männern vor, an dem Putsch beteiligt gewesen zu sein. Das griechische Gericht führt an, es sei nicht auszuschließen, dass den Soldaten in der Türkei ein unfaires Verfahren oder Folter drohe.
Ungarn – Anklage gegen Schleuser: Die ungarische Staatsanwaltschaft hat gegen vier Männer Anklage wegen Mordes erhoben, die für den Tod von 71 Flüchtlingen verantwortlich sein sollen. Dies meldet die FAZ. Die Leichen der Flüchtlinge waren im August 2015 in einem Kühllaster in Österreich aufgefunden worden.
Schweiz – Verfassung und Völkerrecht: Rafael Häckl und Stefan Schlegel erläutern auf juwiss.de ein geplantes Verfassungsreferendum in der Schweiz. Nach dem Gesetzentwurf soll in der Schweizerischen Bundesverfassung ein "Vorrang" derselben gegenüber dem Völkerrecht festgelegt werden. Häckl und Schlegel kritisieren, der Gesetzentwurf führe zu massiven Rechtsunsicherheiten und zu einer mangelnden Verlässlichkeit der Schweiz als Vertragspartnerin.
USA – Jens Söring: Die SZ (Karin Steinberger) porträtiert den US-amerikanischen Sheriff Chip Harding, der sich für die Freilassung des in Virginia inhaftierten deutschen Staatsbürgers Jens Söring einsetzt. Dieser ist wegen des Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin 1985 in Haft, bestreitet die Tat jedoch. Nach umfangreichen Recherchearbeiten ist auch der Sheriff von Sörings Unschuld überzeugt. Die Ergebnisse seiner Untersuchung hat er nun dem Gouverneur von Virginia übergeben.
Sonstiges
Schleswig-Holstein – Abschiebehaft: Mangels Kapazitäten zur Unterbringung konnte die Kieler Polizei einen 25-jährigen Albaner, der per Haftbefehl zur Abschiebung ausgeschrieben war, nicht inhaftieren. Dies berichten focus.de und lto.de. Das Land unterhält bereits seit 2014 kein eigenes Abschiebegefängnis mehr; auch bundesweit fand sich im betreffenden Zeitraum kein anderer Platz für den Mann. Eine gemeinsame Unterbringung mit Strafhäftlingen ist nach einem EuGH-Urteil unzulässig. Innenminister Sudt (SPD) fordert nun, eine gemeinsam zu nutzende Abschiebehaftanstalt für die norddeutschen Länder zu schaffen.
BKartA – Wettbewerb bei Ablesediensten: Das Bundeskartellamt fordert verstärkten Wettbewerb bei Anbietern von Ablesediensten, wie lto.de und SZ (Benedikt Müller) melden. Mehr als 50 Prozent des Umsatzes im Jahr 2014 entfielen auf die beiden Unternehmen Ista und Techem. Eine Belebung des Wettbewerbs könne zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen.
Das Letzte zum Schluss
Kein rechtsfreier Raum: Nachdem ein Besucher einer Tabledance-Bar in Berlin-Kreuzberg auch nach mehrfachen Ermahnungen nicht davon abließ, die Tänzerinnen zu berühren, setzten sich diese körperlich zur Wehr. Dies meldet die BerlZ. Die anschließende Rangelei endete für den Mann mit einer Platzwunde. Gegen ihn wird nun strafrechtlich ermittelt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Mai 2017: Erdoğan-Anwalt beendet Mandat / Kein Flüchtlingsstatus für wehrpflichtigen Syrer/ Imagewandel für Großkanzleien . In: Legal Tribune Online, 05.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22831/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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