Verfassungsfeindliche Parteien sollen künftig von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden. Außerdem in der Presseschau: Kritik am NetzDG wird laut, Vorwürfe gegen Richter in NS-Prozess und die Völkerrechtswidrigkeit von US-Angriffen.
Thema des Tages
Ausschluss von Parteifinanzierung: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat einen Gesetzentwurf zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung vorgelegt. Unter anderem die Samstags-SZ (Robert Rossmann), die Samstags-FAZ (Eckart Lohse), die Samstags-taz (Christian Rath), der Samstags-Tsp (Jost Müller-Neuhof), deutschlandfunk.de (Gudula Geuther) und spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt) stellen die Pläne vor. Danach soll es für einen Ausschluss von der Finanzierung ausreichen, dass die Partei den Willen aufweist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Über einen Ausschluss soll das Bundesverfassungsgericht nach einem Antrag von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat entscheiden. Auch private Spenden sollen dann nicht mehr steuerbegünstigend berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich um eine Formulierungshilfe für das Parlament, da es üblich ist, dass Regelungen zur Parteienfinanzierung von den Fraktionen vorgeschlagen werden.
Peter Carstens (FAS) verweist auf einen bereits vor zehn Jahren diskutierten Entwurf sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot. Mit einer Änderung solle man bis nach den Wahlen warten, da die NPD sich sonst als Opfer stilisieren könne. zeit.de (Ludwig Greven) kritisiert das Vorhaben als undemokratisch: "Solange eine Partei nicht verboten ist, sollte sie am politischen Wettbewerb teilnehmen dürfen."
Rechtspolitik
NetzDG: Der Spiegel (Katrin Elger) sowie spiegel.de (Melanie Amann/Gerald Traufetter) fassen die Kritik der Koalitionsparteien am Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zusammen. Kritisiert wird insbesondere die Delegation der Löschpflicht auf Private sowie der Auskunftsanspruch der Betroffenen. Rechtsanwältin Antonia Schnitzler stellt den Entwurf auf lto.de vor und bemängelt, dass bei einer Löschpflicht für Private der Rechtsschutz gegen den Eingriff in die Meinungsfreiheit beschnitten wird. Begrüßenswert wären Regelungen zur Verbesserung der Strafverfolgung. Auch die FAS (Morten Freidel) erläutert den Entwurf ausführlich. verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) geht (in englischer Sprache) auf die Kritikpunkte von Opposition und Netzwerkaktivisten ein.
Datenschutz: Der emeritierte Rechtsprofessor und ehemalige Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig diskutiert in einem Gastbeitrag in der Montags-SZ die Neuregulierung des modernen Datenschutzes. Dieser sollte sich auf Regulierung und Ordnung des Informationsverkehrs fokussieren sowie einen Rechtsrahmen für Schutzmechanismen und Ausgleichsansprüchen gegenüber privaten Datenzugriff bieten.
Strafvollzug: Die Montags-FAZ (Karin Truscheit) spricht mit dem ehemaligen Gefängnisleiter Thomas Galli über sein neues Buch "Die Gefährlichkeit des Täters", in dem er für eine Neuausrichtung des Strafvollzugs plädiert. Kurze Haftstrafen sollten demnach durch Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit ersetzt werden. Dagegen sollten hochgefährliche Sexualstraftäter in speziellen Einrichtungen gesichert werden, statt sie jahrelang erfolglos zu therapieren.
Justiz
Landgericht Neubrandenburg – SS-Sanitäter: Am Landgericht Neubrandenburg findet eines der letzten NS-Verfahren, gegen den ehemaligen SS-Sanitäter Zafke, statt. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger beklagen, der Vorsitzende Richter Kabisch zeige mangelnden Aufklärungswillen. Das Verfahren musste erneut begonnen werden, da er einen Befangenheitsantrag nicht beschied und nun seit Monaten eine Entscheidung über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten verweigert. Die Samstags-taz (Klaus Hillenbrand) stellt eine Petition vor, die KZ-Überlebende und renommierte Historiker deshalb gestartet haben. Der Nebenklage-Vertreter Thomas Walther habe den Richter nun wegen Rechtsbeugung angezeigt, weil er seine Mandanten und Auschwitz-Überlebenden erneut als Nebenkläger abgelehnt hat, berichtet die WamS (Per Hinrichs).
OVG Berlin-Brandenburg – Zweckentfremdungsverbot: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Zweckentfremdungsgesetzes vorgelegt. Danach darf Wohnraum nur noch mit Genehmigung des Bezirksamtes für andere Zwecke genutzt werden. Konkret geht es nun um die Frage, ob die teilweise Rückwirkung des Gesetzes rechtens ist, da auch Wohnungen betroffen sind, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes als Ferienwohnungen vermietet wurden. Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) und zeit.de stellen die Entscheidung kurz dar.
BGH zu Pay-By-Call: Rechtsanwalt Felix Hilgert bespricht auf lto.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Nutzung von kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummern beim sogenannten Pay-by-call-Verfahren. Dabei hat das Gericht die Zurechnungsnorm aus dem Telekommunikationsgesetz unbeachtet gelassen, wonach der Anschlussinhaber für alle über seinen Anschluss in Anspruch genommenen Leistungen haftet, soweit er nicht nachweist, dass ihm die Nutzung nicht zuzurechnen ist. Die Wahl solcher Nummern sei kein Telekommunikations-, sondern ein Zahlungsdienst, für den verbraucherfreundliche Regeln gälten.
ArbG Köln zu Imamen: Die Klage zweier Imame gegen den türkischen Moscheenverband Ditib ist vor dem Arbeitsgericht Köln gescheitert. Sie sind in der Folge des Putschversuchs durch den türkischen Staat entlassen worden, behaupteten jedoch, dass Ditib der Arbeitgeber sei und das Arbeitsverhältnis weiterbestehe. Wie taz.de (Christian Rath) berichtet, konnten sie vor Gericht jedoch nicht belegen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Verband zustande gekommen war.
LG Tübingen zu Mord mit Dönermesser: Ein 22-jähriger Mann ist vom Landgericht Tübingen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt, die die Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet. Der Mann hatte seine Lebensgefährtin mit einem Messer in einem Dönerlokal getötet und auf der Flucht mehrere Menschen verletzt.
Strafverfolgung von Polizeibeamten: In einem ausführlichen Blogbeitrag beschäftigt sich blog.delegibus.com (Oliver García) mit Problemen in der Strafverfolgung polizeilichen Fehlverhaltens. Geschildert werden zahlreiche Fälle, in denen bei Polizeigewalt nicht oder unzureichend ermittelt wurde und die Gerichte anschließend milde urteilten. Daneben wird die Praxis dargestellt, bei Anzeigen von Betroffenen mit Gegenanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu reagieren.
GBA – "Komitee": Der Spiegel (Maik Baumgärtner) bringt einen Bericht zu den Ermittlungen gegen drei Verdächtige, die dem linksextremistischen "Komitee" zugerechnet werden und sich in Venezuela aufhalten. Der Organisation werden ein Brandanschlag auf ein Gebäude sowie ein versuchter Anschlag auf ein Gefängnis zugerechnet. Die Beamten würden die Gruppe seit zwanzig Jahren mit unverhältnismäßigem Aufwand an Mitteln und Personal verfolgen, während der NSU in derselben Zeit unbehelligt morden konnte.
StA München I – Masri: Wie der Spiegel (Martin Knobbe, spiegel.de-Fassung) meldet, hat die Staatsanwaltschaft München I die Ermittlungen gegen mehrere CIA-Agenten eingestellt, die für die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri nach Afghanistan verantwortlich sein sollen. Es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, wurde dem Anwalt Masris mitgeteilt.
Recht in der Welt
Syrien – US-Angriff: Tim René Salomon untersucht auf juwiss.de die Vereinbarkeit US-amerikanischer Angriffe in Syrien mit dem Völkerrecht. Die Angriffe verstießen gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot, da weder eine Resolution des Sicherheitsrats noch ein Fall der Selbstverteidigung vorliege. Ein unilaterales Interventionsrecht aus humanitären Gründen wird dagegen aus Missbrauchsgründen überwiegend abgelehnt. Zu demselben Ergebnis kommen auch die Montags-taz (Christian Rath) und die Samstags-SZ (Stefan Ulrich).
USA – Neil Gorsuch: Bundesrichter Neil Gorsuch ist vom US-Senat als neuer Richter am Supreme Court bestätigt worden, wie die Samstags-SZ (Stefan Kornelius) berichtet. Zuvor hatten die Republikaner die Regelungen zur Bestätigung von Supreme-Court-Richtern geändert und den sogenannten Filibuster ausgeschlossen. Mit diesem konnte die "confirmation" durch die Opposition verhindert werden, indem Dauerreden gehalten werden. zeit.de (Thorsten Schröder) beschreibt Gorsuch als Konservativen und zeigt die mögliche künftige Entwicklung des Supreme Courts auf.
Österreich – Pkw-Maut: Wie spiegel.de meldet, will die österreichische Regierung im Sommer gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Dies kündigte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) an, der sich auf ein Gutachten berief, das einer Klage gute Aussichten bescheinigte.
Italien – Genua-Proteste: Italien bietet den Opfern von brutalen Polizeiübergriffen bei den Genua-Protesten von 2001 nun eine Entschädigung von 45.000 Euro an. Außerdem soll ein ausdrückliches Folterverbot ins Gesetz aufgenommen werden. Damit seien sechs Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gütlich beigelegt worden, stellt spiegel.de (Hans-Jürgen Schlamp) dar und zeichnet auch die innerstaatliche juristische Aufarbeitung der Vorfälle nach.
Sonstiges
Udo Di Fabio: Die Montags-Welt (Thorsten Jungholt) spricht mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Themen sind unter anderem das Rechtsstaatsverständnis, Sicherheitspolitik, aktuelle Gesetzesreformen sowie die Zuwanderungspolitik.
Hans Dieter Beck: Anlässlich des 85. Geburtstags von Hans Dieter Beck würdigt die Montags-SZ (Heribert Prantl) den bekannten juristischen Verleger. Er habe den Verlag C. H. Beck durch zupackende Entscheidungen und patriarchale Managementmethoden zum Marktführer gebracht. Nun gelte es, sich angesichts der fortschreitenden Europäisierung des Rechts zu positionieren.
Film "Verleugnung": Der Spiegel (Martin Wolf) weist auf den Film "Verleugnung" hin, der am 13. April in die Kinos kommt. Gegenstand ist der britische Prozess gegen die Historikerin Deborah Lipstadt, die vom Holocaustleugner David Irving wegen Verleumdung angezeigt worden war, weil sie ihn als solchen bezeichnet hatte. Wegen der Beweislast musste im Rahmen des Verfahrens bewiesen werden, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ms
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. bis 10. April 2017: Reform der Parteifinanzierung / Kritik am NetzDG / NS-Verfahren vor LG Neubrandenburg . In: Legal Tribune Online, 10.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22619/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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