Anton Schlecker betont seine Unschuld. Außerdem in der Presseschau: Bundesrat beschloss Entwurf zur Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien, das Brexit-Gesetz wurde verabschiedet und Polizei-Kompetenzen bei Messengern sind fraglich.
Thema des Tages
LG Stuttgart – Schlecker: "Dass dieses Unternehmen kaputtgehen könnte, hätte ich nie gedacht." Die SZ (Stefan Mayr) widmet der Aussage Anton Schleckers vor dem Landgericht Stuttgart unter dem Titel "Von der Seele" ihre Seite drei. Der Unternehmer teilte nicht nur seine Ansicht zum Fall, sondern auch seine persönlichen Befindlichkeiten mit – er sei vor Gericht mehrmals an seine emotionalen Grenzen gestoßen. Er betonte, er übernehme die unternehmerische Verantwortung, aber strafbar gemacht habe er sich nicht. Schlecker sei bis zuletzt davon ausgegangen, dass er die Forderungen seiner Gläubiger erfüllen könne. Die Welt (Gisela Friedrichsen) analysiert die Aussage Schleckers, insbesondere das Nicht-Gesagte, und geht auf die Frage ein, wie es ins Bild des selbstbestimmten Unternehmensführers passe, dass er nicht gewagt habe, seinem Prokuristen zu widersprechen.
"Schuld sind immer die anderen", so formuliert Michael Gassmann (Die Welt) Schleckers Verteidigung um. Entscheidend sei allerdings, dass der Angeklagte, "der große Schweiger", sich überhaupt geäußert habe. Er findet, dass der Prozess unabhängig vom Ausgang wichtig sei, denn die sogenannten Schlecker-Frauen hätten ein Recht zu erfahren, unter welchen Umständen sie ihre Jobs verloren haben.
Rechtspolitik
Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien: Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag einstimmig einen Gesetzentwurf beschlossen, demzufolge verfassungsfeindliche Parteien von der bundesweiten Finanzierung ausgenommen werden sollen. Dafür sollen das Grundgesetz, das Parteiengesetz und weitere einfachgesetzliche Regelungen geändert werden. Die Große Koalition wolle dies umsetzen. Die taz (Christian Rath) gibt auch die Kritik des Rechtsprofessors Christoph Möllers wieder.
"Nur weil alle dafür sind, muss die Gesetzesänderung nicht auch sinnvoll sein", moniert Christian Rath (BadZ) unter dem Titel "Dubioses Signal". Die Bundesregierung wolle in erster Linie ihr Gesicht wahren. Die Demokratie kenne allerdings keine Benachteiligung von Parteien. Überdies signalisiere der Entwurf, man "traue der Entscheidungskraft des Souveräns, der Staatsbürger, nicht so recht".
EU-Kindergeld: Laut Informationen der FAZ (Manfred Schäfers) haben Justizminister Maas und Arbeitsministerin Nahles (beide SPD) einen zügigen Kabinettsbeschluss in Sachen EU-Kindergeld unter Verweis auf Unionsrecht verhindert, nachdem die EU-Kommission ihre Bedenken geäußert hatte. Dem Entwurf zufolge soll EU-Ausländern, deren Kinder in der günstigeren Heimat leben, das Kindergeld gekürzt werden. Die BadZ (Christian Rath) schildert, warum diese Regelung gegen EU-Recht verstoße.
Verschärfung der Mietpreisbremse: Die Welt (Michael Fabricius) fasst die Mängel der bisherigen Mietpreisbremse zusammen und konstatiert, "in den Schubladen fast aller Parteien" lägen Vorschläge zu ihrer Verschärfung. So spreche sich Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) beispielsweise für eine Auskunftspflicht der Vermieter bezüglich der bisherigen Miete aus.
SPD zu Familiennachzug: Die SPD will der Union zwei Vorschläge vorstellen, die den Familiennachzug für syrische Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz lockern sollen. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stephan Harbarth (CDU) erklärte der Welt (Manuel Bewarder) bereits, es komme nicht in Frage, das Asylpaket II zu ändern.
Kritik an Lohngleichheitsgesetz: Die Genderforscherin Marianne Weg fordert, dass die Möglichkeit einer Verbandsklage in das Lohngleichheitsgesetz aufgenommen wird. Dies würde die Position der Betroffenen stärken, die dann über eine Gewerkschaft oder Frauenorganisation in einem Musterprozess klagen könne, meldet die taz.
Justiz
LSG Baden-Württemberg zu Heim-Arbeit: Das baden-württembergische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Arbeit ehemaliger Heimkinder nicht in die Beitragszeit für die Rentenberechnung fällt. Eine 63-Jährige hatte geklagt – sie sieht ihre dortige Arbeit als Zwangsarbeit im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses an. Das Gericht hingegen teilt die Meinung der Rentenversicherung: Das Prinzip einer Erziehung durch Arbeit sei damals vorherrschend gewesen. Dies melden SZ, FAZ und lto.de.
LG Kiel zu "Marzipan-Erpresser": Das Landgericht Kiel hat Andy S., der mit vergiftetem Marzipan an vier Kieler Schulen und Bombendrohungen drei Millionen Euro der Handelskette Coop erpressen wollte, wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hatte bereits am ersten Verhandlungstag gestanden, schreibt ndr.de.
StA München I – Anklage gegen Waffenverkäufer: Die Staatsanwaltschaft München I hat den mutmaßlichen Waffenhändler Philipp K. wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen sowie Verstößen gegen das Waffengesetz angeklagt. Er soll dem Münchner Amokläufer David S. die Waffen verkauft haben, meldet spiegel.de.
AG Bautzen – Neonazi: Am heutigen Dienstag beginnt vor dem Amtsgericht Bautzen das Strafverfahren gegen Robert S. wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer (Schreck-) Schusswaffe. Er habe Anfang November 2016 einen Flüchtling mit einer Schreckschusswaffe bedroht. zeit.de (Matthias Meisner) hebt hervor, dass der rechtsextreme Hintergrund des nun Angeklagten erst nach Recherchen verschiedener Medien und nicht schon bei den Ermittlungen aufkam.
AG Gießen zu vermeintlichen Vatikanbank-Krediten: Das Amtsgericht Gießen hat einen Mann vom Verdacht des Betrugs freigesprochen, der mit einem unbekannten Komplizen zusammen mehrere Personen über die Aussicht auf Kredite der Vatikanbank getäuscht und damit zu Provisionszahlungen in Höhe von insgesamt 132.000 Euro bewogen haben soll. Seine Schuld sei nicht zweifelsfrei feststellbar, meldet spiegel.de.
Recht in der Welt
Vereinigtes Königreich – Brexit: Das britische Parlament hat das Brexit-Gesetz verabschiedet und so die Regierung dazu ermächtigt, gegenüber der EU den Austritt zu erklären und die Verhandlungen zu beginnen. Zuvor hatte das Unterhaus noch den Änderungsantrag des Oberhauses abgelehnt, der u.a. dem britischen Parlament ein Veto-Recht in Sachen Brexit-Abkommen sichern sollte, meldet tagesschau.de.
Schottland – Unabhängigkeitsreferendum: Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon will die schottische Bevölkerung erneut über eine Abspaltung von Großbritannien abstimmen lassen. Ihre Gründe resümieren unter anderem die SZ (Alexander Menden) und das Hbl (Katharina Slodczyk). Die taz (Ralf Sotscheck) wirft verschiedene Fragen rund um eine etwaige schottische Unabhängigkeit auf.
In einem separaten Kommentar betont Alexander Menden (SZ), dass es sich bei Sturgeons Vorhaben um wenig mehr als eine Willenserklärung handele. Dass die britische Regierung zustimmen werde, sei so gut wie ausgeschlossen. Vielmehr wolle Sturgeon zeigen, dass ihr der Verbleib in der EU wichtiger ist als die britische Einheit.
EuGH zu humanitären Visa: In einem englischsprachigen Beitrag äußert der Doktorand Michal Ovádek auf verfassungsblog.de seine Bedenken zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über humanitäre Visa. Es sei beunruhigend, dass das Gericht dazu bereit sei, den Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta zu limitieren, wenn sie am meisten gebraucht werde.
Sonstiges
Sicherheitsbehörde liest Messenger: Die SZ (Reiko Pinkert/Ronen Steinke) erläutert, warum es rechtlich problematisch sei, wenn Sicherheitsbehörden von außen auf Messenger-Accounts zugreifen – also Daten abfangen, bevor sie verschlüsselt versendet werden. Die Rechtsgrundlage für diese Maßnahme sei noch nicht geklärt, § 100a Strafprozessordnung umfasse diesen Zugriff nicht. Das Justizministerium plane, die Vorschrift zu ergänzen.
Deutsche "Sanctuary Cities": Nach US-amerikanischem Vorbild der "Sanctuary Cities" streben nun auch deutsche Städte an, vor Ort lebende Flüchtlinge vor einer als überzogen empfundenen Abschiebepolitik zu schützen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Helene Heuser erläutert für verfassungsblog.de, wie ein "Sanctuary City"-Konzept in Deutschland rechtlich umgesetzt werden könnte. Sie fasst zudem die Kritik an der Abschiebepolitik zusammen und erklärt weitere städtische Handlungsspielräume.
Wahlrecht nach Residenz: Anlässlich des Eklats um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in EU-Ländern präsentiert Alan Posener (Die Welt) eine Lösung: Würde das Wahlrecht an die Residenz und nicht an den Pass geknüpft, bräuchte es kein fragwürdiges Verbot von Werbeauftritten ausländischer Politiker.
Google-Bildersuche: Warum die neue Google-Bildersuche "kritikwürdig, aber eben nicht rechtswidrig" ist, erläutert der Anwalt für Urheberrecht Arno Lampmann auf lto.de. Er führt auch die Kritik der Urheberverbände an der Darstellung der Bilder aus.
Demokratisierung der Eurozone: Der Professor für öffentliches Recht Sébastien Platon erläutert auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag den Vorschlag des französischen Präsidentschaftskandidaten Benoît Hamon für eine Demokratisierung der Eurozone und diesbezügliche unionsrechtliche Streitfragen.
Resozialisierung: Die SZ (Peter Brandhorst) schildert die Resozialisierung und ihre Schwierigkeiten aus der Perspektive des Täters – eines nach 15 Jahren entlassenen verurteilten Mörders.
Bundeskartellamt und Digitalisierung: Im Hbl hält Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, ein Plädoyer dafür, dass die Behörde verstärkt die Einhaltung von Verbraucherschutzrechten im Internet gewährleisten solle. Er begrüßt daher die Kartellrechtsnovelle, die einen Schritt in diese Richtung begründe.
Das Letzte zum Schluss
Überteuerte Parkgebühr: Für Wucher hat ein Aalener Parkscheinautomat naturgemäß kein Rechtsbewusstsein – er verlangte von einer Frau eine Gebühr von 6.800 Euro. Diese wollte die enorme Summe natürlich nicht begleichen, woraufhin sich der Automat weigerte, die Schranke freizugeben. Letztlich hat die Polizei die Frau retten müssen, weil sich beim Notruf des Tiefgarage niemand meldete, um den offensichtlichen technischen Fehler zu beheben, meldet spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. März 2017: Schlecker sagt aus / Bundesrat gegen NPD-Finanzierung / Brexit-Gesetz verabschiedet . In: Legal Tribune Online, 14.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22349/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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