Die juristische Presseschau 4. bis 6. März 2017: Wahl­kampf­auf­tritte tür­ki­scher Poli­tiker / Beam­ten­sold für Wendt / Anspruch auf Ster­be­hilfe?

06.03.2017

Die Diskussion um türkische Wahlkampfauftritte spitzt sich zu. Außerdem in der Presseschau: DPolG-Chef wird vom Land NRW finanziert, Bundesverwaltungsgerichts-Urteil zur Selbsttötung sorgt für heftige Debatte und Schlecker-Prozess beginnt.

Thema des Tages

Wahlkampf türkischer Politiker: Die badische Stadt Gaggenau hat den geplanten Wahlkampfauftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag aus Sicherheitsgründen abgesagt. In einem Brief an seinen türkischen Amtskollegen warnte Bundesjustizminister Heiko Maas "vor einem Abbau der Rechtsstaatlichkeit" in der Türkei, schreibt lto.de. Der türkische Wirtschaftsminister warb am Sonntag für das Verfassungsreferendum, nachdem sein Auftritt zunächst in Köln und Frechen abgesagt wurde. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) betonte, die Stadt Köln habe keine Handhabe gegen den Auftritt Nihat Zeybeckis in einem privaten Hotel, berichtet die Montags-FAZ (Reiner Burger). Wie die Montags-Welt (Marcel Leubecher) schreibt, kündigte die niederländische Regierung an, alle rechtlichen Schritte prüfen zu wollen, um einen Auftritt des türkischen Außenministers in Rotterdam zu verhindern, während der österreichische Bundeskanzler Christian Kern sich für ein EU-weites Verbot türkischer Wahlkampfauftritte ausgesprochen habe.

Heribert Prantl (Montags-SZ) betont, dass es ein "Wahlkampf-Rederecht" für ausländische Politiker nicht gebe. Erdoğan ein solches zu gewähren, sei eine "Hilfestellung für Menschenrechtsverletzungen". Ozan Demircan (Hbl) ist der Ansicht, Deutschland müsse die Wahlkampfauftritte aushalten. Es könne nicht die Türkei für die Einschränkung der Meinungsfreiheit kritisieren und gleichzeitig die Meinungsfreiheit Einzelner im eigenen Hoheitsgebiet untergraben.

Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich mit den juristischen Möglichkeiten, Wahlkampfauftritte türkischer Minister auch ohne den Rückgriff auf Sicherheitsargumente zu verhindern, und lässt den Rechtsprofessor Ralf Poscher zu Wort kommen, der betont, Art. 8 Grundgesetz sei ein "Deutschen-Grundrecht". Außerdem verweist Poscher auf den § 47 Aufenthaltsgesetz, wonach die politische Betätigung von Ausländern untersagt werden könne, wenn hierdurch das "friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern im Bundesgebiet gefährdet oder beeinträchtigt wird". Zu klären sei, ob Länder, Kommunen oder der Bund zuständig seien. Rechtsprofessor Niels Petersen auf lto.de und der Wissenschaftliche Mitarbeiter Sebastian Steuer auf verfassungsblog.de beschäftigen sich ebenfalls mit den juristischen Hintergründen zu Redeverboten türkischer Politiker.

Rechtspolitik

Ausweitung von DNA-Analysen: Rechtsprofessor Marco Mansdörfer befasst sich auf lto.de mit dem von den Ländern Bayern und Baden-Württemberg eingebrachten Gesetzentwurf zur Ausweitung der DNA-Analysen, der eine Erweiterung des § 81e Strafprozessordnung bezwecke. Bislang darf Genmaterial nur zur Feststellung des Geschlechts und der Übereinstimmung mit dem Beschuldigten verwendet werden. Der Entwurf sehe darüber hinaus die Analyse von Ethnie, Augen- oder Haarfarbe und biologischem Alter vor. Die Vertreter einer solchen Ausweitung würden aber die Verlässlichkeit derartiger Analysen überschätzen. Es müsse eine Debatte zum genetischen Fingerabdruck geführt werden.

Kampf gegen Hasskommentare: In einem Schreiben an die EU-Kommission, das spiegel.de (Fabian Reinbold) vorliegt, warnt Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries vor einer zu weitreichenden Regulierung von sozialen Netzwerken und grenzt sich damit gegenüber dem vom Bundesjustizministerium geplanten Gesetzentwurf ab, der eine stärkere Haftung von Plattformen wie Facebook für Hasskommentare und "Fake News" vorsieht. Sie schlägt in diesem Brief ein "einheitliches europäisches Beschwerdeverfahren vor, um eine "drohende Fragmentierung des Rechts und der Märkte" zu verhindern. Nach Zypries sollte auf freiwillige Maßnahmen der Unternehmen gesetzt werden. Es berichtet auch lto.de.

Lohngleichheitsgestz: Landkreise, Städte und Kommunen kritisieren nach Informationen der Samstags-FAZ (Dietrich Creutzburg) den von Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, eingebrachten Gesetzentwurf, der Arbeitgebern Berichts-, Auskunfts- und Prüfungspflichten auferlegt, die einem diskriminierenden Lohngefälle entgegenwirken sollen, und sprachen sich gegen eine "Einbeziehung öffentlicher tarifgebundener Arbeitgeber" aus. Der Entwurf "sei nicht geeignet, eine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts zu beseitigen", hieß es in einer Stellungnahme an den Bundestag.

Schleierfahndung: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will nach einer Meldung von zeit.de die Schleierfahndung an den Grenzen ausweiten, um gegen Kriminalität und insbesondere illegale Einwanderung vorzugehen. Die meisten Polizeigesetze der Länder sehen eine solche Rechtsgrundlage bereits vor, wo dies nicht der Fall sei, müsse eine entsprechende Regelung schnellstmöglich getroffen werden.

Abschiebungen: Der Spiegel (Dietmar Hipp u.a.) berichtet ausführlich über die Abschiebepolitik in Deutschland, die sich zwischen den einzelnen Bundesländern stark unterscheide. "Behördenchaos" und praktische Schwierigkeiten bei der Abschiebung sorgten für eine Zufälligkeit bei der Frage, ob eine Person abgeschoben werde oder nicht. Das Land Schleswig-Holstein macht von dem Recht Gebrauch, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen und widersetzt sich damit einer Entscheidung des Bundes. Nach Einschätzung von Reinhard Müller (Samstags-FAZ) ist darin eine Pflichtverletzung zu erkennen, durch die der Bundes- als auch der Rechtsstaat gefährdet seien.

Gehalt für DpolG-Chef: Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt bezog über zehn Jahre Beamtensold vom Land Nordrhein-Westfalen für eine 28-Stunden-Stelle als Hauptkommissar, ohne tatsächlich als Polizist gearbeitet zu haben. Die Linkspartei kritisierte, Wendt habe Geld ohne Gegenleistung und ohne rechtliche Grundlage aus der Landeskasse erhalten, und stellte Strafanzeige wegen Verdachts der Untreue gegen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), dies berichten die Montags-FAZ (Reiner Burger), die Montags-SZ (Detlef Esslinger) und die Montags-taz. Wie spiegel.de und die Montags-Welt melden, forderte die CDU-Landtagsfraktion in NRW für die Innenausschusssitzung eine Stellungnahme der Landesregierung.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau 4. bis 6. März 2017: Wahlkampfauftritte türkischer Politiker / Beamtensold für Wendt / Anspruch auf Sterbehilfe? . In: Legal Tribune Online, 06.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22276/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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