Fußfesseln und längere Abschiebehaft könnten gesetzliche Konsequenzen aus dem Terroranschlag von Berlin sein. Außerdem in der Presseschau: Mauss' angeblicher Geheimbund bestätigt und Debatte über Verfassungsreform in der Türkei.
Thema des Tages
Fußfesseln und längere Abschiebehaft: Trotz anhaltenden Streits zeichnen sich kurz vor einem Spitzengespräch zur inneren Sicherheit erste gesetzliche Konsequenzen aus dem Terroranschlag von Berlin ab. Wie die SZ (Nico Fried) schreibt, wollen sich Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas an diesem Dienstag im Grundsatz auf einen verschärften Umgang mit sogenannten terroristischen Gefährdern verständigen. Es solle demnach einfacher werden, Gefährder über einen längeren Zeitraum in Abschiebehaft zu behalten. Zudem solle die elektronische Fußfessel auch bei Gefährdern, die bisher nicht strafrechtlich verurteilt wurden, zur Anwendung kommen, berichtet die taz (Christian Rath).
Nach Einschätzung von Jost Müller-Neuhof (Tsp) hat die anstehende Diskussion der Vorhaben den politischen Vorteil, dass der Gesetzgeber näher beschreiben muss, welcher Gefährder ein echtes Risiko darstellt und welche Gefahren von ihm ausgehen müssen, um seine Freiheitsrechte verfassungskonform beschränken zu können. Heribert Prantl (SZ) hält die Vorschriften gegen Gefährder für scharf genug. Statt weitere Verschärfungen zu fordern, müsse gefragt werden, warum die vorhandenen Möglichkeiten nicht zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang macht Christian Rath (taz) darauf aufmerksam, dass Anis Amri bereits nach gegebener Rechtslage 18 Monate lang hätte in Abschiebehaft einsitzen können. Eine Alternative zur Haft sieht Christian Rath (taz) in der elektronischen Fußfessel. Deren präventive Anwendung verletze auch nicht die Unschuldsvermutung, die nur bei der Strafverfolgung gelte. Der Professor Michael Kubiciel argumentiert auf lto.de dagegen für die Ausweitung des Präventivgewahrsams für Gefährder.
Rechtspolitik
Schmerzenzgeld für Beamte: Der Beamtenbund (DBB) hat Bund, Länder und Gemeinden aufgefordert, Schmerzensgeld an Beamte zu zahlen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Wie die SZ (Detlef Esslinger) schreibt, könnten Beamte zwar schon jetzt beantragen, dass ihr Dienstherr ihnen ein Schmerzensgeld auszahlt, sofern beim verurteilten Täter nichts zu holen ist. Künftig solle den Geschädigten aber dieser Umweg erspart und so die Last der Vollstreckungsversuche abgenommen werden.
Reichsbürger: Auf der Jahrestagung des Beamtenbundes (DBB) hat Innenminister Thomas de Maizière gefordert, dass Beamte, die den sogenannten Reichsbürgern angehörten, sofort vom Dienst suspendiert und entlassen werden. "Man kann nicht zugleich auf unsere demokratische Verfassung schwören und sie gleichzeitig ablehnen", gibt zeit.de den Minister wieder.
Lohngleichheitsgesetz: Das geplante Gesetz gegen Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern von Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, befindet sich in den letzten Zügen der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Es könnte damit bald vom Bundeskabinett verabschiedet werden, möglicherweise schon am Mittwoch, berichtet die FAZ (Britta Beeger).
Grenzen für Boni: Die SPD-Bundestagsfraktion will bei ihrer Klausur Ende dieser Woche ein Papier zur Begrenzung von Bonus-Zahlungen beschließen. Wie das HBl (Dietmar Neuerer) berichtet, werden darin mehrere Gesetzesverschärfungen vorgeschlagen, die möglichst noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. So werde unter anderem für ein festgeschriebenes Maximalverhältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmer plädiert.
Bleiberecht: Nach Brandenburg will nun auch Berlin im Wege eines ermessenslenkenden Erlasses an die Ausländerbehörden dafür sorgen, dass abgelehnten Asylbewerbern ein Bleiberecht eingeräumt wird, wenn sie Opfer rechtsextremer Gewalt geworden seien, schreibt spiegel.de.
Justiz
BGH zu Reker-Attentat: Der für den Anschlag auf die spätere Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Frank S. sieht sich nun der Rechtskraft des Urteils gegenüber. Seine Revision zum Bundesgerichtshof wurde verworfen, meldet lto.de.
LG Bochum – Mauss: Der frühere Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer, hat im Zeugenstand vor dem Landgericht Bochum erklärt, dass es tatsächlich eine "internationale Reserve" für Mauss' Geheimoperationen gegeben habe, die von den Vereinigten Staaten und anderen Ländern eingerichtet worden sei. Es berichten die SZ (Ralf Wiegand) und die FAZ (Reiner Burger).
LG Karlsruhe – Fehlurteil: Das Justizopfer Harry Wörz und das Land Baden-Württemberg haben sich nach langem Rechtsstreit auf eine Entschädigung von 450.000 Euro verständigt. Beide Seiten hätten nach einer mündlichen Verhandlung im Juni 2015 außergerichtlich weiter verhandelt und nun eine Einigung erzielt, gibt spiegel.de eine Mitteilung des Landgerichts Karlsruhe wieder. Der Mann war wegen versuchten Totschlags an seiner Frau verurteilt worden und saß viereinhalb Jahre unschuldig in Haft.
VG Augsburg zu Kopftuchverbot: Auf verfassungsblog.de thematisiert die wissenschaftliche Mitarbeiterin Aqilah Sandhu den "Gesetzgebungsaktionismus", der dem von ihr erstrittenen Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg gegen das Kopftuchverbot in der Referendarausbildung in Bayern folgte.
Karlsruher Agenda: Das HBl (Heike Anger) liefert einen Überblick über die Sachverhalte, die das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr entscheiden wird.
Recht in der Welt
Türkische Verfassungsreform: Am Montagabend begann im Plenum des türkischen Parlaments die Debatte über eine der einschneidendsten Verfassungsänderungen in der Geschichte der türkischen Republik, mit der die Verfassung, wie die SZ (Mike Szymanski) schreibt, an Erdoğans Machtfülle angepasst werden soll. Vorgesehen sei ein Wechsel vom parlamentarischen zum Präsidialsystem "türkischer Prägung". Es berichtet auch die FAZ (Michael Martens). Auf spiegel.de findet sich ein Überblick über die geplanten Änderungen.
USA – Festnahme VW-Manager: Die US-Justiz hat einen Manager von VW festgenommen, der bei der Vertuschung der Abgasmanipulationen gegenüber amerikanischen Behörden eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll. Dies sei eine Erinnerung daran, dass VW auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Dieselaffäre noch immer von neuen Negativschlagzeilen eingeholt werden kann, schreibt die FAZ (Roland Lindner). Über den Vorfall berichtet auch die SZ (Claus Hulverscheidt/Klaus Ott).
Sonstiges
Kartengebühren: Nun wird auch geprüft, wie Verbraucher in Deutschland rechtliche Schritte wegen erhöhter Kartengebühren, die der Handel zum Teil weitergegeben hat, ergreifen können. Nach einem Bericht der FAZ (Marcus Jung u.a.) sorgen die Gebühren bei Kreditkarten ebenfalls für Ärger. So sei in Großbritannien im September eine Sammelklage gegen die amerikanische Kreditkartengesellschaft Mastercard eingereicht worden und auch deutsche Unternehmen hätten geklagt.
Sozialleistungen an EU-Bürger: Als "Enthemmte Justiz" bezeichnet der Anwalt Volker Gerloff die Praxis des Berliner Sozialgerichts, einem Urteil des Bundessozialgerichts, mit dem EU-Bürgern ein Anspruch auf Sozialhilfe in Deutschland zuerkannt worden war, nicht zu folgen. Die Hintergründe schildert die taz (Erik Peter).
Das Letzte zum Schluss
Schlappe für "Knöllchen-Horst": Ein als "Knöllchen-Horst" bekannter Frührentner aus Niedersachsen ist mit Strafanzeigen wegen Beleidigung gescheitert, die er gegen 15 Personen gestellt hatte, die sich im Internet kritisch damit auseinandergesetzt hatten, dass er ständig vermeintliche Verkehrssünder anzeigte. Die Verfahren seien aus diversen Gründen eingestellt worden, so die taz.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. Januar 2017: Fußfesseln und Abschiebehaft / Geheimbund Mauss / Türkische Verfassungsreform . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21698/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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