Deutschen Banken drohen Klagen wegen angeblicher Preisabsprachen bei der Erhebung von EC-Kartengebühren. Außerdem in der Presseschau: Freispruch für Nazi-Gegner am LG Dresden und Klage wegen Völkermord an Herero und Nama in den USA.
Thema des Tages
LG Frankfurt – Preisabsprachen bei EC-Kartengebühren: Die amerikanische Kanzlei des bekannten Anwalts Michael D. Hausfeld will gegen die deutsche Kreditwirtschaft klagen. Sie wirft nach einem Bericht der BamS, auf den sich auch die Montags-SZ (Stephan Radomsky/Jan Schmidbauer), die Montags-FAZ (Marcus Jung) und das Montags-Hbl (Frank Drost) berufen, mehreren Finanzinstituten vor, illegale Preisabsprachen bei der Erhebung von Gebühren für das Zahlen mit EC-Karte getroffen zu haben, und gibt an, namhafte Mandanten zu vertreten. Eingereicht werden sollen die Klagen "demnächst" beim Landgericht Frankfurt am Main.
Stephan Radomsky (Montags-SZ) hält die Strategie der Kanzlei für durchschaubar: Die Banken sollen öffentlich unter Druck gesetzt werden. Juristen wie Hausfeld gehe es nicht bloß um das Recht, sondern auch darum, durch teure Vergleiche sehr viel zu verdienen.
Rechtspolitik
Innere Sicherheit: Die Koalition streitet weiterhin über den richtigen Schutz der inneren Sicherheit. Während hinsichtlich der schnellen Abschiebung von "Gefährdern" Einigkeit besteht und Justizminister Heiko Maas eine Erleichterung der Abschiebungshaft plant, gehen die Meinungen über die Zentralisierung des Verfassungsschutzes auseinander, wie die Montags-FAZ (Heike Schmoll) und die Montags-taz (Daniel Bax) berichten. In einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ stellt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ein "grundlegend anderes Konzept" zu den von Thomas de Maizière präsentierten Leitlinien vor, in dem Sicherheit als "soziales Bürgerrecht" begriffen und eine Zuständigkeitsverschiebung als "Scheinlösung" bezeichnet wird.
René Pfister (Spiegel) begrüßt die von Thomas de Maizière geforderte Zentralisierung. Die Demokratie nehme Schaden, wenn sie im Kampf gegen den Terrorismus zu schwach erscheine. Christian Rath (Samstags-taz) meint zwar, dass man über eine Neuordnung der Kompetenzen durchaus diskutieren könne, der Vorstoß jedoch zur Unzeit komme, da noch unklar sei, ob es föderale Reibungsverluste gegeben habe. Wichtiger sei es, offensiv gegen potenzielle Terroristen vorzugehen. Heribert Prantl (Samstags-SZ) beklagt, dass es "zu viel Nebeneinander, zu viel Gegeneinander und zu wenig Miteinander" im Feld der Sicherheit gebe und fordert, den Kampf gegen gewalttätigen Extremismus bei Staatsanwaltschaften und Polizei zu konzentrieren. Dann hätten sich auch die Klagen über mangelnde rechtsstaatliche Kontrolle des Verfassungsschutzes erledigt.
Die bestehende Sicherheitsarchitektur sowie ihre Stärken und Schwächen analysieren der Spiegel (Dietmar Hipp u.a.) sowie Michael Reissenberger im Podcast auf lto.de.
Elektronische Fußfessel: Die Montags-taz (Christian Rath) befasst sich nun auch mit dem von Justizminister Heiko Maas vorgelegten Gesetzentwurf zur Ausweitung der GPS-Überwachung von Straftätern. Danach sollen zukünftig auch Personen überwacht werden können, die wegen Terrorvorbereitung, Terrorfinanzierung oder Unterstützung einer Terrorgruppe verurteilt wurden. Die hessische Innenministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) fordert, dass die elektronische Fußfessel auch bei nicht verurteilten "Gefährdern" eingesetzt wird. Auch der Rechtsprofessor Henning Ernst Müller analysiert auf lto.de den Gesetzentwurf und meint, dass man von der elektronischen Fußfessel "keine Wunderdinge" erwarten dürfe. Einen zur Tatbegehung entschlossenen Extremisten werde auch die GPS-Überwachung nicht von einem Anschlag abhalten.
Mängelhaftung: Über die geplante Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung herrscht Streit in der Koalition. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Lieferanten und nicht mehr das Handwerk bei Mängeln für die Ein- und Ausbaukosten haften sollen. Die SPD will auch Abweichungen durch AGB ausschließen, wogegen sich die Union wehrt und den Handel auf seiner Seite weiß, so die Samstags-FAZ (Henrike Roßbach).
Rückkehrrecht bei Teilzeit: Der Rechtsanwalt André Zimmermann stellt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard das geplante Gesetz zum Rückkehrrecht bei Teilzeitbeschäftigung vor und fragt, ob es sich bei diesem nur um "Wahlkampfgetöse" handelt.
Internetrecht 2017: Auf lto.de stellt Rechtsanwalt Niko Härting die 2017 anstehenden Debatten und Entscheidungen zum Internetrecht vor. Medien und Politik würden sich dabei schwerpunktmäßig die "Big Five", Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft, vorknöpfen.
Überwachung von Flüchtlingen: Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, will Flüchtlinge stärker überwachen lassen. Das wird in einem 10-Punkte-Papier gefordert, das der CSU-Politiker dem EVP-Fraktionspräsidium vorschlagen will und das der Samstags-SZ (Alexander Mühlauer) vorliegt. Insbesondere der europäische Austausch von Daten von Flüchtlingen soll verstärkt werden.
Justiz
BVerwG zu Kükenschreddern: Auch die Samstags-BerlZ (Christian Bommarius) befasst sich jetzt mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zum Töten von männlichen Küken, die nicht für die Zucht von Legehennen benötigt werden. Die Leipziger Richter hatten die Revision gegen eine Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zugelassen, nach der das Töten nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt.
LG Dresden zu Nazi-Gegner: Das Landgericht Dresden hat einen Nazi-Gegner freigesprochen, dem vorgeworfen wurde, bei Protesten im Februar 2011 eine Menschenmenge mit den Worten: "Kommt nach vorne", zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgefordert zu haben. Nachdem das Amtsgericht Dresden den Familienvater zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt hatte und ein erster Freispruch durch das Landgericht vom Oberlandesgericht aufgehoben worden war, konnte das Landgericht erneut keinen Landfriedensbruch erkennen. Der Richter zeigte zudem sein Bedauern über die lange Verfahrensdauer. Die Samstags-Welt (Thomas Schmoll) und die Samstags-FAZ (Stefan Locke) berichten.
LG Stuttgart: Die FAS (Corinna Budras) befasst sich mit dem Aufstieg und Fall von Anton Schlecker, der sich jetzt vor dem Landgericht Stuttgart verantworten muss. Ihm wird vorgeworfen, seinen Kindern und seiner Frau Vermögen übertragen und so den Gläubigern entzogen zu haben, als er schon von der Insolvenz der Drogerie-Kette wusste.
LG Schwerin – Agentenaffäre: Im Prozess gegen einen ehemaligen LKA-Beamten und eine Nachrichtenhändlerin vor dem Landgericht Schwerin offenbart sich eine Agenten-Affäre, in die der Bundesnachrichtendienst und ein ehemaliger Mitarbeiter des Generalbundesanwalts verwickelt sind. Letzterer arbeitet inzwischen als Verteidiger für eine der Angeklagten. Der Spiegel (Jörg Diehl/Gunther Latsch) hat Unterlagen gesichtet, in denen der "Irrsinn" von "deutschen Behörden amtlich festgehalten" sei.
LG Leipzig – Unister: Vor dem Landgericht Leipzig beginnt am Mittwoch der Prozess gegen drei Manager des inzwischen insolventen Reisevermittlers Unister. Ihnen wird Computerbetrug und Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe zu den Delikten vorgeworfen, so die Montags-FAZ (Timo Kotowski).
StA Potsdam – Kai Diekmann: Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann. Eine Mitarbeiterin der Bild-Gruppe wirft dem Journalisten nach Informationen des Spiegel vor, sie nach einer Klausurtagung in Potsdam im Sommer beim Baden belästigt zu haben. Auch die Samstags-FAZ (Michael Hanfeld) und die Samstags-taz (Anna Franzke) berichten.
StA Düsseldorf zu Germanwings-Absturz: Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sieht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit von lebenden Personen für den Germanwings-Absturz. Weder Ärzte noch Mitarbeiter von Flugunternehmen und Behörden hätten sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen strafbar gemacht. Das geht aus der Ablehnung von Beweisanträgen hervor, die von Anwälten der Angehörigen der Opfer gestellt worden waren, wie die Montags-SZ (Hans Leyendecker) berichtet.
LG Mönchengladbach – Partnerschaftsvermittlung: Der Spiegel (Julia Jüttner) schreibt über einen Rechtsstreit zwischen einem Rentner und einer Partnerschaftsvermittlung. Nach drei erfolglosen Vermittlungsversuchen kündigte der Kläger und verlangte von der Agentur den gezahlten Preis zurück. Die Partnerschaftsvermittlung berief sich auf einen Ausschluss des Kündigungsrechts. Der Streit endete mit einem Vergleich.
Massenklagen: Nachdem die Hamburger Firma Myright zusammen mit der Kanzlei des amerikanischen Anwalts Michael Hausfeld eine erste Klage gegen Volkswagen vor das Landgericht Braunschweig gebracht hat, beschäftigt sich die FAS (Corinna Budras) mit den Strategien von Anwaltskanzleien bei Sammelklagen, die für die Mandanten ohne finanzielles Risiko sind. Eine solche Art von Finanzierung sei zwar in Deutschland nicht neu, jetzt werde sie aber für massenhafte Verbraucherklagen interessant.
Recht in der Welt
USA – Herero und Nama verklagen Deutschland: Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama aus Namibia haben bei einem US-Gericht Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht. Sie verlangen eine Entschädigung für den Völkermord während der deutschen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts und eine Einbeziehung in die Verhandlungen. Dabei berufen sie sich auf die Uno-Erklärung zu den Rechten Indigener. Die Bundesregierung verhandelt bisher nur mit der Regierung Namibias über Wiedergutmachung in Form von einer "Zukunftsstiftung", die Erinnerungsprojekte finanziert. Über den Streit berichten die Samstags-taz (Dominic Johnson) und spiegel.de (Christoph Schult/Christoph Titz).
Laut Montags-SZ (Isabel Pfaff) hat die Klage wenig Aussicht auf Erfolg. Sie zeige jedoch, dass "der deutsche Versuch der Vergangenheitsbewältigung in die falsche Richtung geht". Die Nachkommen der Opfer müssten einbezogen werden.
USA – Unfall wegen iPhone: Die Eltern eines Kindes, das bei einem Autounfall ums Leben kam, verklagen Apple auf Entschädigung. Der Fahrer des Unfallwagens war während der Fahrt von einer Video-Unterhaltung auf seinem iPhone abgelenkt. Die Kläger werfen Apple vor, die dafür notwendige App "Facetime" nicht automatisch gesperrt zu haben, obwohl Apple eine entsprechende Sperrfunktion für Autofahrten bereits hat patentieren lassen. Den Fall schildert die Samstags-FAZ (Marcus Jung). In einem gesonderten Kommentar meint Marcus Jung (Samstags-FAZ), "selbst vor amerikanischen Gerichten dürfte dieses Argument, für sich allein genommen, zu dünn sein, um einen Schadensersatz zu begründen". Gleichwohl werfe der Fall Fragen nach den Verkehrssicherungspflichten von Herstellern auf.
USA – Abgasaffäre: Volkswagen steht offenbar vor einer Einigung mit dem US-Justizministerium. Das berichten die Montags-FAZ (Carsten Germis) und spiegel.de. Es wird gemutmaßt, dass der Zeitpunkt in Zusammenhang mit der Amtseinführung von Donald Trump steht.
Griechenland – Auslieferung türkischer Soldaten: Der Oberste Gerichtshof Griechenlands wird ab dem morgigen Dienstag über die Auslieferung von acht türkischen Soldaten verhandeln, die nach dem gescheiterten Putsch-Versuch mit einem Helikopter nach Griechenland geflohen sind. Laut Montags-FAZ (Michael Martens) wird eine Einflussnahme auf die 15 zuständigen Richter durch die griechische Regierung vermutet, die eine Auseinandersetzung mit der Türkei vermeiden möchte. Für die türkischen Soldaten setzt sich eine Bürgerinitiative ein.
Polen – Rechtsstaatlichkeit: In einem ausführlichen, englischsprachigen Beitrag auf verfassungsblog.de kritisieren die Professoren Laurent Pech und Kim Lane Scheppele das zurückhaltende Vorgehen der europäischen Institutionen gegen den Verlust der Rechtsstaatlichkeit in Polen.
Sonstiges
Racial Profiling: Nach der Silvesternacht in Köln wird weiter über Racial Profiling diskutiert. Die Samstags-taz (Christoph Herwartz) zeichnet die Geschehnisse in Köln nach. Die Samstags-Welt (Philip Kuhn) beschreibt die rechtliche Diskussion um Racial Profiling und stellt den Fall von Dike Uchegbu vor, der gerade vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gegen eine Personenkontrolle klagt. Das Verwaltungsgericht Köln hatte seine Klage in erster Instanz abgewiesen, weil er sich durch das Tragen einer Kapuze verdächtig gemacht habe.
internet-law.de (Thomas Stadler) sieht in dem Vorgehen der Polizei eine "Benachteiligung wegen der Herkunft, Rasse, Abstammung dieser Menschen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG", die man nicht dulden dürfe.
"Nafri": Jost Müller-Neuhof (Samstags-Tsp) kritisiert die Verwendung des Begriffs "Nafri" durch die Kölner Polizei. Was nicht abwertend gemeint ist, könne trotzdem abwertend verstanden werden. Ob die Bürger solche Abkürzungen verwenden, möge deren Sache sein. Von Amtsinhabern dürfe jedoch Verantwortung erwartet werden.
Fusion von Addleshaw Goddard und Luther: Die britische Großkanzlei Addleshaw Goddard soll mit der Sozietät Luther über eine Fusion verhandeln. Das berichtet die FAZ (Marcus Jung) unter Berufung auf einen Artikel des britischen Fachmagazins "The Lawyer". Addleshaw Goddard gehört mit einem Umsatz von 202 Millionen britischen Pfund und 1.100 Anwälten zu den 20 größten Kanzleien Großbritanniens.
Das Letzte zum Schluss
Schlecht gefälschtes Kennzeichen: Im ostwestfälischen Herford ist ein Auto mit einem gefälschten Kennzeichen aus dem Verkehr gezogen worden. Der Besitzer hatte statt der TÜV-Plakette eine Briefmarke und anstelle des amtlichen Siegels einen abgeschnittenen Briefkopf an seinem Fahrzeug befestigt. Jetzt wird wegen des Verdachts des Kennzeichenmissbrauchs ermittelt, schreibt spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. bis 9. Januar 2017: Klage wegen EC-Kartengebühren / Freispruch für Nazi-Gegner / Herero und Nama klagen . In: Legal Tribune Online, 09.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21691/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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