Die juristische Presseschau vom 21. Oktober 2016: Scha­dens­er­satz bei feh­lendem Kita-Platz / Geheime Tele­fon­liste / Juris­ti­sche Argu­mente der "Reichs­bürger"

21.10.2016

Eltern, die keinen Kita-Platz bekommen, können Verdienstausfall ersetzt bekommen. Außerdem in der Presseschau: Telefonliste von Jobcenter bleibt geheim und "Reichsbürger" bewegen sich juristisch auf dünnem Eis.

Thema des Tages

BGH zu Schadensersatz bei fehlenden Kita-Plätzen: Eltern, die keinen Kita-Platz für ihr Kind bekommen, haben grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der dadurch entsteht, dass sie sich um ihr Kind kümmern müssen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Geklagt hatten drei Frauen aus Leipzig, die bei der Kitaplatz-Vergabe leer ausgingen und dadurch Verdienstausfälle zwischen 2.200 und 7.300 Euro erlitten. Das Oberlandesgericht Dresden hatte die Klagen noch mit der Begründung abgewiesen, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht die Erwerbsinteressen der Eltern schütze. Dem trat der BGH entgegen. Der Rechtsanspruch stehe zwar dem Kind selbst zu, schütze aber ebenfalls die Eltern. Das Oberlandesgericht muss jetzt noch prüfen, ob die Stadt Leipzig ein Verschulden trifft, etwa durch fehlerhafte Planung. Auf fehlende finanzielle Mittel kann sie sich aber nicht berufen. Die SZ (Wolfgang Janisch), die FAZ (Mona Jaeger), die taz (Christian Rath), tagesschau.de (Klaus Hempel) und spiegel.de (Lisa Erdmann) erläutern das Urteil.

In einem Kommentar begrüßt Ulrike Heidenreich (SZ) die Entscheidung: Kitas sollten nicht nur Kinder, sondern auch die "Eltern fördern – indem diese Freiraum bekommen und arbeiten können". Reinhard Müller hält das Urteil ebenfalls für richtig, gibt aber zu bedenken, dass es beim Kita-Ausbau auch um "gesellschaftliche Umwälzung" gehe: "Hoffentlich kommen Kindes- und Familienwohl dabei nicht unter die Räder."

spiegel.de (Matthias Kaufmann) gibt Antworten auf die Fragen, was das Urteil für die Kläger, für andere Eltern und die Kommunen bedeutet.

Rechtspolitik

Leiharbeit: Eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, die der SZ (Thomas Öchsner) vorliegt, weist auf Lücken im Gesetz zur Regelung der Leiharbeit hin, das am heutigen Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll. Die Pflichten, Leiharbeiter nach neun Monaten gleich zu bezahlen und nach 18 Monaten zu übernehmen, könnten durch "Rotationslösungen" umgangen werden. Rechtsanwalt André Zimmermann fasst im Handelsblatt-Rechtsboard die wesentlichen Inhalte des Gesetzes zusammen.

BND-Gesetz: Am heutigen Freitag will die große Koalition im Bundestag die umstrittene Änderung des BND-Gesetzes und des Gesetzes über das parlamentarische Kontrollgremium beschließen, mit der der BND umfassende Befugnisse zur Überwachung der auslandsbezogenen Kommunikation erhält und die Kontrolle verbessert werden soll. Nach einer Meldung des Hbl hat die FDP-Politikerin und ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. netzpolitik.org (Anna Biselli) unterzieht den Gesetzentwurf einer ausführlichen Kritik und trägt Stellungnahmen zusammen. Die taz (Christian Rath) sprach mit Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, der die Reform verteidigt: Die Kontrolle werde massiv ausgebaut. Die SZ (Ronen Steinke) beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Gesetzesänderungen.

Länderfinanzausgleich: Der Rechtsprofessor Joachim Wieland analysiert auf verfassungsblog.de den von Bund und Ländern gefunden Kompromiss zur Reform der Finanzverteilung. Während die Eigenständigkeit der Länder durch die Stärkung ihrer Finanzkraft gestärkt werde, erhalte der Bund weitere Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Digitalisierung, Investitionen und Steuerverwaltung. Insgesamt sei die Einigung ein "Gewinn für Deutschland".

Verlustverrechnung: Rechtsprofessor Dennis Klein befasst sich auf lto.de mit Problemen bei der steuerlichen Verlustverrechnung. Um den Handel mit "Verlustmänteln" zu verhindern, habe der Gesetzgeber die Verlustverrechnung bei Anteilseignerwechseln eingeschränkt. Dabei traf er jedoch ungewollt auch expandierende Unternehmen. Um diese Wirkung zu beseitigen, soll die Verlustverrechnung nun ermöglicht werden, wenn der Geschäftsbetrieb unverändert fortgeführt wird. Dies habe jedoch ebenfalls negative Auswirkungen auf das Investitionsklima.

Kinderehen: Im Interview mit der SZ (Ulrike Heidenreich) fordert Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte, Kinderehen nicht grundsätzlich für nichtig zu erklären, sondern im Einzelfall zu prüfen, was für das Mädchen am besten ist.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Oktober 2016: Schadensersatz bei fehlendem Kita-Platz / Geheime Telefonliste / Juristische Argumente der "Reichsbürger" . In: Legal Tribune Online, 21.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20934/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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