Vor dem LG Köln verlangt Helmut Kohl ein Rekordschmerzensgeld. Außerdem in der Presseschau: höherer Schadstoffausstoß von VWs begründet keinen zur Rückgabe berechtigenden Mangel und das BKartA hat ein Verfahren gegen Facebook eröffnet.
Thema des Tages
LG Köln – Kohl-Protokolle: Vor dem Landgericht Köln beginnt am heutigen Donnerstag die Hauptsacheverhandlung im Schmerzensgeld-Prozess um die sogenannten Kohl-Protokolle. Altkanzler Helmut Kohl hat seinen einstigen Ghostwriter Heribert Schwan, den Journalisten Tilman Jens und die Verlagsgruppe Random House als Gesamtschuldner auf ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens fünf Millionen Euro verklagt. Es ist die Fortsetzung des Rechtsstreits um das 256 Seiten dicke Buch "Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle", in dem aus nicht freigegebenen Tonband-Aufnahmen zitiert worden war. Das Oberlandesgericht Köln hatte deshalb im Mai 2015 die weitere Verbreitung des Werkes mit 115 Kohl-Zitaten untersagt. Würde das geforderte Schmerzensgeld zugesprochen, wäre es das höchste der deutschen Rechtsgeschichte, schreiben die SZ (Bernd Dörries/Hans Leyendecker) und spiegel.de (Katharina Peters). Die Höhe sei von den Anwälten Kohls mit dem historischen Ausmaß der Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet worden. Heribert Prantl (SZ) merkt an, dass eine so exorbitante Summe für die Verletzung der Ehre weit jenseits hiesiger Gepflogenheiten liegt. Richtig sei die Abschöpfung des Gewinns plus eines satten Strafzuschlags.
Rechtspolitik
CETA: Wie die taz (Anja Krüger) schreibt, verstößt der in dem europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA nun vorgesehene Investitionsgerichtshof nach Auffassung des Deutschen Richterbundes gegen EU-Recht. Der EU fehle es an der notwendigen Kompetenz.
Rechte für Bauherren: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht nach dem Bauherren mehr Rechte bekommen sollen, schreibt die FAZ (Joachim Jahn). Bauunternehmer müssten ihren Kunden künftig vor Vertragsschluss eine Baubeschreibung zur Verfügung stellen, die bestimmten Mindestanforderungen genügt. Zudem müssten mit Verbrauchern geschlossene Verträge verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Baus sowie ein Widerrufsrecht enthalten.
Eisenbahnregulierung: Die EU-Kommission hat gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet, weil eine Richtlinie zur Eisenbahnregulierung aus dem Jahr 2012 nicht fristgerecht bis Mitte vorigen Jahres in Bundesrecht umgesetzt wurde. In der Richtlinie gehe es um Grundsätze zur Festlegung von Trassenpreisen, das Zuweisen entsprechender Kapazitäten und die Regulierungsaufsicht, schreibt die FAZ (Andreas Mihm).
Zuwanderungsrecht: Der Professor Oliviero Angeli spricht sich in der FAZ für eine preisbasierte Zuwanderungssteuerung aus. Nach diesem Modell könnten Arbeitsmigranten eine zeitlich beschränkte Zuzugs- und Niederlassungserlaubnis erwerben, deren Preis sich nach der Begehrtheit des Einreiselandes richtet. Nur bei Sicherung des Lebensunterhalts wandele sich diese in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung um, andernfalls könne ein Großteil des Eintrittspreises zurückverlangt werden.
Justiz
BVerfG – NPD-Verbotsverfahren: Am zweiten Verhandlungstag im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ging es vor allem um den verfassungsrechtlichen Maßstab für ein Parteiverbot. Dabei sei nach Ansicht der Richter keine konkrete Gefahr für die Demokratie erforderlich, schreibt die BadZ (Christian Rath). Vielmehr genüge es, wenn nicht ausgeschlossen sei, dass eine zu verbietende Partei ihre antidemokratischen Ziele erreichen könne. Zudem habe Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle verkündet, dass nach "vorläufiger Einschätzung" keins der am ersten Verhandlungstag geprüften Verfahrenshindernisse gegeben sei. Es berichten auch die SZ (Wolfgang Janisch), FR (Ursula Knapp) und die FAZ (Helene Bubrowski). Ein Porträt des NPD-Anwalts Peter Richter findet sich auf spiegel.de (Christina Hebel).
BVerfG zu Treaty Override: Der Doktorand Hannes Rathke befasst sich auf juwiss.de noch einmal mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Treaty Override aus Dezember 2015. Danach verstößt das nachträgliche Überschreiben eines völkerrechtlichen Vertrages, konkret eines Doppelbesteuerungsabkommens, durch eine innerstaatliche Norm nicht gegen das Grundgesetz.
BAG zu Arbeitszeitdokumentation: Das Bundesarbeitsgericht hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom September 2015 entschieden, dass eine durch den Angestellten selbst vorgenommene Dokumentation der Überstunden nicht genügt, um einen Ausgleichsanspruch zu begründen. Dies sei selbst dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Dokumentation vertragswidrig unterlässt, berichten die Anwälte Thomas Griebe und Sabrina Fasholz auf lto.de.
LG Bochum – Rücknahme von VW-Autos: Nach vorläufiger Einschätzung des Landgerichts Bochum handelt es sich beim deutlich höheren Schadstoffausstoß eines VW Tiguan nicht um einen erheblichen Mangel, der eine Rückabwicklung des Kaufvertrages rechtfertigt. Denn der in der verbauten Manipulationssoftware liegende Mangel könne mit relativ geringem Aufwand durch ein 100 Euro teures Software-Update behoben werden. Das entäuschte "grüne Gewissen" genüge nicht als Grund. Über das Verfahren, welches Millionen Fahrzeuge betreffen könnte, berichten die SZ (Kristiana Ludwig) und die FAZ (Joachim Jahn).
LG Wiesbaden – Cum-Ex: Vor dem Landgericht Wiesbaden steht ein Musterverfahren zu den Cum-Ex-Deals bevor. Die auf große Wirtschaftsverfahren spezialisierte Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft wolle einen solchen Fall des Steuerbetrugs erstmals in Deutschland vor Gericht bringen. Sobald die Anklage fertig sei, gehe sie an das LG Wiesbaden. Dies sei aber schon jetzt hoffnungslos überlastet, schreibt die SZ (Klaus Ott).
LG Würzburg – V-Mann: Die Zeit (Daniel Müller) berichtet vom Verfahren gegen einen ehemaligen V-Mann des Bayrischen Landeskriminalamts wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln, das nach einer erfolgreichen Revision der Staatsanwaltschaft zum Bundesgerichtshof derzeit vor dem Landgericht Würzburg neu aufgerollt wird. Die Taten seien vermutlich mit Wissen der zuständigen Führungsbeamten begangen worden.
LG Köln zu Totschlag ohne Leiche: Vom Landgericht Köln ist ein Mann wegen Totschlags seiner Ehefrau zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, obwohl deren Leichnahm nie gefunden wurde. Das Gericht sei nach einem langwierigen Indizienprozess davon überzeugt gewesen, dass der Angeklagte die Tat begangen habe, schreibt die FAZ (Reiner Burger).
Recht in der Welt
Offene Grenzen: Auf verfassungsblog.de argumentieren die Professoren Christian Hillgruber, Ulrich Foerste und Holm Putzke unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 4 der Dublin III-Verordnung dafür, dass eine Politik offener Grenzen nicht europarechtskonform ist. Asylsuchende hätten nach dem geltenden System gerade kein Recht darauf, den Mitgliedstaat, in dem sie Asyl beantragen wollen, frei zu wählen.
Türkei – Nato-Einsatz gegen Schleuser: Nach einem Bericht der taz (Pascal Beucker) konnte der geplante Nato-Einsatz gegen Schlepper noch nicht beginnen, weil noch abgeklärt werden muss, in welchen Hoheitsgewässern die Schiffe operieren dürfen und in welchen Fällen die Türkei aus Seenot gerettete Flüchtlinge zurücknehme.
IStGH – Kulturkriegsverbrechen: Der Internationale Strafgerichtshof hat zum ersten Mal die Zerstörung von Kulturgut zum Hauptanklagepunkt erhoben. Wie die SZ (Adrian Kreye) schreibt, ist die Frage, ob dies als Kriegsverbrechen zu werten ist, unter Völkerrechtlern schon lange umstritten. Der polnische Jurist Raphael Lemkin habe den "kulturellen Völkermord" schon 1944 aufgebracht. Als er dann 1948 die UN-Völkermordkonvention aufgesetzt habe, sei der Begriff aus der endgültigen Fassung gestrichen worden. Auch aus den Entwürfen der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker von 2007 sei er getilgt worden.
Sonstiges
BKartA prüft Facebook: Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen Facebook eröffnet, mit dem überprüft werden soll, ob das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, wenn es Daten seiner Nutzer sammelt. Von der Behörde sei bemängelt worden, dass die bei der Registrierung abzugebende Einwilligung in die Datennutzung schwer nachvollziehbar sei, schreibt die SZ (Michael Bauchmüller/Helmut Martin-Jung). Caspar Busse (SZ) bezeichnet den Schritt als wichtig. Auch weltweit tätige Milliarden-Konzerne müssten sich an deutsche Gesetze halten, insbesondere wenn sie eine Monopolstellung hätten, da sonst leicht der faire Wettbewerb ausgehebelt werden könne. Gerade im Internet gebe es eine fatale Tedenz zur Monopolisierung, wie Verfahren gegen Amazon und Hotelbuchungsportale gezeigt hätten.
Geeint in Vielfalt: In einem Gastbeitrag in der FAZ erläutert der Doktorand Oliver Haardt, dass die in der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte vertretene Auffassung, deutsche Identität drohe unter der Einwanderung muslimischer Flüchtlinge verloren zu gehen, die Vielfalt als prägende Eigenschaft deutscher Staatlichkeit übersieht. Für eine Einigung in Vielfalt müsse geworben werden, wobei der Erfolg integrativer Maßnahmen von der Religionsneutralität des Staates und der deutschen Sprache abhänge. Zudem bedürfe es einer Brücke, die im Grundgesetz gesehen werden könne.
Recht, Literatur und Flucht: Der Professor Klaus Lüderssen schreibt in der FAZ über Recht und Moral in der Flüchtlingsrhetorik und findet eine literarische Analogie.
Cyber-Angriffe der Bundeswehr: Auf netzpolitik.org berichtet die Netz-Aktivistin Anna Biselli über einen Sachstandsbericht des Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages, aus dem sich ergibt, dass die Bundeswehr von der passiven Verteidigung gegen Cyber-Attacken zur Vorbereitung von aktiven Cyber-Angriffen übergegangen ist.
Werbende Ärzte: Ärzte dürfen in Ausübung ihres Berufes keine Werbung machen. Deshalb untersucht der Ärztliche Kreis- und Bezirksverband jetzt den Fall eines stellvertretenden Ärztlichen Direktors am Münchener Klinikum, der sich im OP mit einer Haube filmen ließ, auf welcher der Name eines Medizintechnikherstellers prangte. Den Fall schildert die SZ (Christina Berndt).
Juristische Ausbildung
Verurteilter Juraprofessor: Ein Juraprofessor ist vom Amtsgericht Köln zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro (60 Tagessätze zu je 150 Euro) wegen des Besitzes von Ecstasy und Crystal Meth verurteilt worden. Die Drogen soll er gegen sexuelle Dienstleistungen getauscht haben. Ein zweites Verfahren gegen ihn wegen des Besitzes von kinderpornographischem Material läuft noch, berichtet lto.de (Constantin Baron van Lijnden/Pia Lorenz).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. März 2016: Kohl fordert Rekordschmerzensgeld / VW-Manipulation kein Mangel / BKartA vs. Facebook . In: Legal Tribune Online, 03.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18660/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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