Die juristische Presseschau vom 4. Februar 2016: EGMR zu Hass­kom­men­taren / Neue Abgas­tests / Erle­di­gungs­druck

04.02.2016

Forenbetreiber haften für die Hasskommentare ihrer Nutzer je nach Einzelfall. Außerdem in der Presseschau: Die neuen EU-Abgastests sind beschlossene Sache, die MPU-Promillegrenze soll gesenkt werden und Erledigungsdruck in der Justiz.

Thema des Tages

EGMR zu Haftung für Hasskommentare: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass ungarische Gerichte die Meinungsfreiheit aus Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt haben, indem sie zwei Betreiber von Internetforen für die Hasskommentare ihrer Nutzer zu Lasten einer Immobilienmakler-Firma haften ließen. Damit begebe sich der EGMR jedoch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung in der Rechtssache Delfi aus dem vergangenen Jahr, mit der die Haftung eines Forenbetreibers bestätigt worden war, schreibt der Rechtsanwalt David Ziegelmayer auf lto.de. Vielmehr habe der Gerichtshof deutlich gemacht, dass es auf den Einzelfall ankomme. Im aktuellen Fall seien die Kommentare der Nutzer nicht eindeutig rechtswidrig und gegen ein Unternehmen gerichtet gewesen, dessen Persönlichkeitsrecht von gerigerem Gewicht als das natürlicher Personen sei. In der Rechtssache Delfi sei es dagegen um den Aufruf zu Gewalt gegen eine individualisierbare natürliche Person gegangen.

Rechtspolitik

Privacy Shield: Zum von der EU und den USA neu ausgehandelten Datenschutzabkommen "Privacy Shield" merkt Christian Rath (taz) an, dass dessen Standards nicht ausreichen. So sei zwar zugesagt worden, dass es keine unterschiedslose Überwachung von europäischen Daten mehr geben solle und eine Ombudsstelle geschaffen werde. Diese Zusicherungen würden aber nur brieflich und nicht durch eine verbindliche Änderung von US-Gesetzen erfolgen. Von der Ombudsstelle sei derzeit nicht mehr als "ein machtloser Briefkasten-Onkel" zu erwarten. Für Heribert Prantl (SZ) ist das Abkommen alter Wein in neuen Schläuchen. Die superlaschen Regeln seien durch lasche ersetzt worden, welche Lichtjahre hinter dem von der Europäischen Grundrechtecharta geforderten Datenschutzniveau zurückblieben.

EU-Abgastests für Dieselfahrzeuge: Das Europaparlament hat sich auf neue Abgastests geeinigt. Die Emissionen von Dieselfahrzeugen werden künftig auf der Straße und nicht mehr im Labor überprüft; die bislang geltenden Grenzwerte dürfen dabei allerdings deutlich überschritten werden. Darüber berichten SZ (Alexander Mühlauer) und taz (Eric Bonse).

Bargeld-Limit: Zur von der Bundesregierung anvisierten Begrenzung von Bargeldgeschäften auf 5.000 Euro müsste das nationale Geldwäschegesetz geändert werden, das derzeit ohnehin überarbeitet wird, weil Deutschland die 4. EU-Geldwäscherichtlinie umsetzen muss, schreibt SZ (Cerstin Gammelin u.a.). Es sei jedoch zweifelhaft, ob eine solche Obergrenze national gesetzt werden dürfe, da die Euro-Ausgabe als Zahlungsmittel europarechtlich geregelt sei, was für die Verwendung der Währung womöglich auch gelte. Nach Ansicht von Marc Beise (SZ) geht es bei dem Vorhaben vor allem um Kontrolle. Bargeld sei "geprägte Freiheit" und wenn es abgeschafft werde, sei Big Brother nicht mehr weit.

Asylpaket II: Das Bundeskabinett hat das sogenannte Asylpaket II beschlossen. Kernpunkte sind die beschleunigte Abwicklung von Asylverfahren und Abschiebungen sowie die Einschränkung des Familiennachzugs. Die Neuregelungen im Einzelnen stellen spiegel.de (cht) und taz (Christina Schmidt) vor.

Kulturschutzgesetz: Der Rechtsanwalt Carl-Heinz Heuer kritisiert in der FAZ, dass die im Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kulturschutzgesetzes vorgesehene Exportgenehmigung den aus Art. 14 Grundgesetz fließenden Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nicht genüge. Aufgrund der Eingriffsintensität von Veräußerungsverboten unterlägen diese strengsten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es sei daher geboten, dass Wesentliches vom Gesetzgeber selbst festgelegt werde. Dem werde der Verweis auf ein Überwiegen von wesentlichen Belangen des deutschen Kulturgutbesitzes nicht gerecht.

Buchpreisbindung für E-Books: Wie die taz meldet, soll sich nach einem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf die gesetzliche Buchpreisbindung künftig auch auf E-Books erstrecken.

Promillegrenze für MPU: Der Verkehrsgerichtstag in Goslar empfiehlt eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung gemäß § 13 Fahrerlaubnisverordnung künftig schon bei Trunkenheit am Steuer ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille und nicht mehr wie bisher 1,6 Promille anzuordnen. Über den Vorschlag berichtet die Fachanwältin für Verkehrsrecht Ulrike Dronkovic im Interview mit lto.de (Marcel Schneider).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. Februar 2016: EGMR zu Hasskommentaren / Neue Abgastests / Erledigungsdruck . In: Legal Tribune Online, 04.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18367/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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