Die juristische Presseschau vom 03. Februar 2016: Pri­vacy Shield statt Safe Harbor / Prosti­tu­ti­ons­ge­setz / Sozie­täts­verbot gekippt

03.02.2016

EU und USA einigen sich auf neues Datenschutzabkommen. Außerdem in der Presseschau: Rechte und Pflichten von Prostituierten sollen erweitert werden und BVerfG hebt Sozietätsverbot für Rechtsanwälte mit Ärzten und Apothekern auf.

Thema des Tages

Datenschutzabkommen zwischen EU und USA: Die EU-Kommission und die US-Regierung haben sich nach monatelangen Verhandlungen auf wesentliche Punkte eines neuen Datenschutzabkommens geeinigt. Die Vereinbarung mit dem Namen "Privacy Shield" soll das "Safe Harbor"-Abkommen ersetzen, das der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2015 für rechtswidrig erklärt hatte. Mit der Entscheidung entzog der EuGH die Übertragung von Daten aus der EU in die USA die Grundlage, weshalb eine Neuregelung erforderlich wurde. In der nun beschlossenen Vereinbarung hätten die USA verbindlich "klare Grenzen" für den Zugriff von Behörden gesetzt und das Unterlassen einer massenhafte Überwachung der Daten zugesagt. Es solle strenge Regeln für datenverarbeitende Unternehmen und eine Überprüfung der Einhaltung durch das US-Handelsministerium geben. Zudem soll es Möglichkeiten der EU-Bürger und der EU-Kommission geben, sich gegen Verstöße zu wehren. Die Vorgaben des EuGH würden damit erfüllt, bekräftigte EU-Justizkommissarin Vera Jourová. Es berichteten taz (Heide Oestreich), die Welt und lto.de. Die neue Einigung wird von Datenschützern, darunter auch Edward Snowden, heftig kritisiert, wie netzpolitik.org (Markus Beckedahl) zusammenfasst. Sie sei rechtlich zu unverbindlich und sehe keine ausreichenden Möglichkeit vor, sich gegen Verstöße zu wehren. Bislang sind allerdings nur die Eckpunkte vereinbart, der juristisch verbindliche Abkommenstext steht noch nicht.

Rechtspolitik

Prostitutionsgesetz: Künftig soll es strafbar sein, beim Sex mit Prostituierten kein Kondom zu benutzen. Zudem werden zahlreiche, teils sanktionsbewehrte Pflichten für das ausübende Gewerbe formuliert, etwa die Anmelde- sowie Gesundheitsberatungspflicht der Prostituierten oder die Erlaubnispflicht für den Bordellbetrieb. Von dem Gesetzentwurf, auf den sich CDU und SPD am Dienstag einigten, berichten die taz (Heide Oestreich) und die SZ (Constanze von Bullion). Reinhard Müller (FAZ) weist darauf hin, dass die Gesetzesänderung viele Probleme der Praxis nicht lösen werde - der Staat müsse wirksamer gegen Unterdrückung und Zwang vorgehen. Simone Schmollack (taz) meint, dass sich die von Zwangsprostitution Betroffenen statt besser geschützt eher "reglementiert und zu Unrecht unter einen moralischen Generalverdacht" gestellt sähen.

Asylrecht: Am heutigen Mittwoch will das Bundeskabinett das umstrittene Asylpaket II verabschieden. Die SZ (Cerstin Gammelin) fasst die Neuregelungen, darunter zum Familiennachzug, Residenzpflicht und Umfang des Leistunganspruchs von Asylsuchenden, zusammen. Zudem sollen Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, wie spiegel.de (Annett Meiritz) erläutert.

Lehrerbesoldung: Die Forderung der Lehrer-Gewerkschaften GEW und VBE nach einer einheitlichen Bezahlung von Lehrern an unterschiedlichen Schularten wird nun von einem Gutachten des Rechtsprofessors Ralf Brinktrine untermauert. Dieser sieht darin, dass Grundschul-, Hauptschul- und Realschullehrer mit einer geringeren Besoldungsstufe beginnen als Gymnasiallehrer, einen Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz und das sogenannte Alimentationsprinzip. Letzteres schreibt die "angemessene" Besoldung für das jeweilige Amt vor, wobei aufgrund der in einigen Bundesländern vorgenommenen Angleichung der Lehrerausbildung wie auch der Tätigkeit an sich eine unterschiedliche Bewertung nicht mehr zu rechtfertigen sei. Dies berichtet die taz (Christian Rath).

Bargeld-Limit: Die Bundesregierung erwägt, Bargeldzahlungen von mehr als 5.000,- Euro zu untersagen – denn Bargeld sei neben Pre-Paid-Karten ein wichtiges Vehikel für Terroristen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband zeigt sich besorgt, da Bargeld "gelebter Datenschutz" sei, der nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Auch die Banken zeigten eher Skepsis für den Vorstoß, wie die FAZ (Manfred Schäfers/Hendrik Kafsack/Christian Siedenbiedel) schreibt.

EU – Abgastests für Dieselfahrzeuge: Das EU-Parlament stimmt am heutigen Mittwoch über neue Abgastests für Dieselfahrzeuge ab. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass die neuen Normen von Experten in Brüsseler Hinterzimmern festgelegt wurden - zudem erklärte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments diesen Expertenbeschluss am Montag für rechtswidrig. Dies erläutert die taz (Eric Bonse) und stellt Pro- und Contra-Argumente hinsichtlich der Neuregelung gegenüber.

TTIP-Vertragsdokumente: Die ersten Bundestagsabgeordneten haben am Dienstag Einsicht in die TTIP-Dokumente genommen. Zumindest die Teile zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, die bereits besprochen wurden, sind nun für Abgeordenete unter strengen Sicherheitsauflagen zugänglich, berichtet die taz (Tanja Tricarico). Die einsichtnehmende Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn kritisiere, es werde dabei zu wenig Zeit gelassen, um die Texte gründlich prüfen zu können.

Urhebervertragsrecht: Auf irights.info äußert der Verfassungsrechtler Christoph Möllers Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs des Bundesjustizministeriums, mit dem das Urhebervertragsrecht reformiert werden soll. Im Gesamteindruck des Entwurfs ginge der angestrebte Ausgleich zwischen Urhebern und Verwertern zu sehr zu Gunsten der Urheber und greife zu tief in die Berufsfreiheit der Verwerter ein. Die sozialen Probleme der Urheber, die nicht selten unter prekären Bedingungen arbeiteten, sollten auf anderen Ebenen gelöst werden, etwa über das Sozialversicherungsrecht. Die vorgeschlagene Regelung verhindere zudem längerfristige Absicherung der Urheber eher.

Mietrechtsreform: Die von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgeschlagene Ausweitung des Berechnungszeitraum für den Mietspiegel von vier auf zehn Jahre würde in fast allen Städten zu einer Senkung der örtlichen Vergleichsmieten führen. Dies geht aus einer Studie hervor, die der Immobilienverband Deutschland (IVD) in Auftrag gegeben hatte. Die ortsübliche Miete ist insbesondere deshalbt entscheidend, weil im Geltungsbereich der Mietpreisbremse die Miete bei neuen Verträgen in der Regel höchstens zehn Prozent darüber liege. Es berichteten die SZ (Benedikt Müller) und die Welt (Karsten Seidel).

Widerrufsrecht bei Immobilienkrediten: Mit einem Gesetzentwurf beabsichtigt die Bundesregierung die Abschaffung des "ewigen Widerrufsrechts" bei Immobilienkrediten, meldet die FAZ (Joachim Jahn). Mit der Berufung auf eine falsche Belehrung könne nach aktueller Rechtslage in vielen Fällen niedrigere Zinsen erreicht werden. Widerrufe sind möglicherweise nur noch bis zum 21. Juni 2016 möglich.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 03. Februar 2016: Privacy Shield statt Safe Harbor / Prostitutionsgesetz / Sozietätsverbot gekippt . In: Legal Tribune Online, 03.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18327/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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