Die juristische Presseschau vom 18. November 2015: Europas Bei­standspf­licht / EuGH zum Min­dest­lohn / Kohl for­dert Sch­mer­zens­geld

18.11.2015

Müssen die europäischen Staaten Frankreich rechtlich beistehen? Außerdem in der Presseschau: EuGH zum Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen, Helmut Kohl erweitert seine Klage um Schmerzensgeld und bedingt einsatzbereite Polizisten.

Thema des Tages

EU-Bündnisfall: Frankreich hat als erster EU-Staat offiziell um den (militärischen) Beistand der anderen Mitgliedstaaten gebeten. Frankreich berief sich dabei auf Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag, nach dem sich die EU-Länder bei einem bewaffneten Angriff "alle in ihrer Macht stehende Hilfe schulden." Die Europäische Union habe einstimmig ihre Bereitschaft erklärt, so sei Deutschland bereit die militärische Führung in der Minusma-Mission in Mali zu übernehmen, um Frankreich zu entlasten, berichten unter anderem die FAZ (Lorenz Hemicker), zeit.de (Carsten Luther), die taz (Eric Bonse), die SZ (Daniel Brössler) und die Welt (Stefanie Bolzen u.a - Onlinefassung). Die rechtliche Verpflichtung zu einem militärischen Beistand sei auf Grund der "kriegerischen Qualität des Angriffs" der Terrorakte von Paris zweifelhaft, schreibt der Tsp (Jost Müller-Neuhof).

Hubert Wetzel (SZ) findet es verständlich, dass Frankreich sich auf die Beistandsklausel berufe, ob dies auch klug war, sei eine andere Frage, denn im Ernstfall werde die Entscheidung des französischen Präsidenten "Europa spalten und lähmen". Ottfried Nassauer (taz) ist der Ansicht, Frankreich habe seine Partner mit der Entscheidung, nicht die Nato, sondern die Europäische Union um Beistand anzurufen, überrascht. Die Verpflichtung im EU-Vertrag sei verbindlicher formuliert und enthalte auch eine militärische Beistandspflicht.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter Björn Schiffbauer erklärt auf juwiss.de die rechtlichen Voraussetzungen des europäischen Beistandsfall. spiegel.de (Claudia Niesen) und der Tsp (Albrecht Meier u.a) geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

NATO–Bündnisfall: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katrin Fenrich erklärt im Interview mit lto.de (Anne-Christine Herr) die Definition und Legitimation von Krieg im Völkerrecht und stellt klar, dass der NATO-Bündnisfall nach Artikel 5 NATO-Vertrag ein "Beistandsrecht" und keine "Beistandspflicht" schaffe. Alexander Schwarz fragt sich auf juwiss.de, ob die Terroranschläge nicht-staatlicher Akteure tatsächlich als "bewaffneter Angriff" auf ein NATO-Mitglied gewertet und damit zum Auslöser des NATO-Bündnisfalls werden können.

Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland: Deutschland hat als Reaktion auf die Terroranschläge die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Bayern fordert mehr Grenzkontrollen, die Polizei verlangt mehr Befugnisse bei der Vorratsdatenspeicherung. lto.de (Anne-Christine Herr/Pia Lorenz) geht mit den Akademischen Räten, Florian Albrecht und Denis Basak der Frage nach, ob die Verschärfung der Sicherheitslage eine staatliche Schutzpflicht sei oder vielmehr dadurch der Rechtsstaat unterminiert werde.

Tanjev Schultz (SZ) meint Hochrüsten bringe nichts. Jedenfalls sei ein Einsatz der Armee im Inland wegen Terror-Gefahr nicht vom Grundgesetz gedeckt. Nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichts sei dies nur "in Ausnahmesituationen katastrophalen Ausmaßes" möglich.

Rechtspolitik

Leiharbeit/Werkverträge: Der Anwalt André Zimmermann zeigt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die wichtigsten Neuerungen des Gesetzentwurfes zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auf. Im Interview mit der SZ (Thomas Öchsner) spricht die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) über den Gesetzentwurf, die Tarifflucht in Deutschland und den Missbrauch der Leiharbeit. Im Interview mit dem HBl (Donata Riedel) redet der Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Jens Spahr (CDU) über Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge und äußert seine Unzufriedenheit mit dem Entwurf.

Frank Specht (HBl) fragt sich, ob das geplante Gesetz "wirklich die Tarifpartnerschaft stärkt oder genau das Gegenteil bewirkt." Unternehmen werden nun genau rechnen, ob es sich nicht lohne, Leiharbeitern nach neun Monaten das gesetzliche "Equal Pay" zu gewähren, anstatt schon ab der sechsten Woche tarifliche Zuschläge.

Asylrecht: Ein "eilbedürftiger" Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Beschleunigung des Asylverfahren soll demnächst vom Kabinett beschlossen werden. Der Entwurf sieht unter anderem vor, Antragssteller, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, in "besonderen Aufnahmeeinrichtungen" unterzubringen, um ein schnelleres Asylverfahren durchführen zu können. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz werde erheblich eingeschränkt, berichtet die FAZ (Eckart Lohse).

Europäische Verfassung: Die Professoren Mark Dawson und Floris de Witte sprechen sich auf verfassungsblog.de in einem englischsprachigen Beitrag für eine europäische Verfassung aus. Sie gehen der Frage nach, wie eine solche aussehen sollte.

Korruptionsbekämpfungsgesetz: Der Anwalt Jürgen Taschke (FAZ) erläutert in einem Gastbeitrag den Gesetzentwurf "zur Bekämpfung der Korruption." So überführe der Entwurf Bestechungsvorschriften aus Nebengesetzen in das Strafgesetzbuch und verschärfe bestehende Bestimmungen. Die Ermittlungsmöglichkeiten von Korruption im Ausland werden erleichtert.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. November 2015: Europas Beistandspflicht / EuGH zum Mindestlohn / Kohl fordert Schmerzensgeld . In: Legal Tribune Online, 18.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17572/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen