Die juristische Presseschau vom 1. Juli 2015: "Grexit" und das Recht – YouTube besiegt GEMA – Roben sind Pflicht

01.07.2015

Über einen griechischen Ausschluss aus der Währungsunion machen sich auch Juristen Gedanken. Außerdem in der Presseschau: YouTube gewinnt gegen GEMA, Roben sind Pflicht und Thomas Fischer zur Juristenausbildung.

Thema des Tages

Griechenland – Ausschluss aus der Währungsunion: Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hat angekündigt, Griechenland werde sich am Europäischen Gerichtshof gegen einen Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion wehren. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage behandelt die Badische Zeitung (Christian Rath). Weil im Vertragswerk zur Währungsunion nicht vorgesehen und die Mitgliedschaft auf Dauer angelegt ist, könne Griechenland mit "großen Erfolgsaussichten" gegen einen Ausschluss vorgehen. Um Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank stünde es aber eher schlecht, denn ihr habe der EuGH ja kürzlich weites Ermessen eingeräumt. Die FAZ (Reinhard Müller) befasst sich ebenfalls mit den juristischen Anforderungen an einen Austritt bzw. Ausschluss aus der Währungsunion. Beides sei völkerrechtlich denkbar, "wenn die Geschäftsgrundlage von Währungsunion und Eurozone wegfällt". Die FAZ (Joachim Jahn/Philip Plickert) präzisiert die Frage eines Ausschlusses und lässt die Rechtsprofessoren Norbert Horn und Helmut Siekmann zu Wort kommen, die einen Ausschluss jeweils für rechtlich geboten bzw. auf der anderen Seite für unmöglich halten.

Griechenland II – Referendum: Zum für kommenden Sonntag angesetzten griechischen Referendum zitiert die SZ (Stefan Ulrich) unter anderem den Europarechtsprofessor Christoph Vedder. Ihm zufolge steht dem Referendum der Kodex der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats entgegen. Die Bürger hätten zu wenig Zeit, sich zu informieren und der Europarat könne keine vernünftige Wahlbeobachtung einrichten. Problematisch sei auch, dass die Regierung durch "einseitige, massive Propaganda" Bürgern keine objektive Informationen liefere. Außerdem sei die Abstimmungsfrage für die meisten unverständlich.

Rechtspolitik

Sexualstrafrecht: Die Grünen haben einen Gesetzentwurf beschlossen, der Lücken im Sexualstrafrecht schließen soll. Die Vergewaltigung (Paragraf 177 des Strafgesetzbuches) soll danach ihren zwingenden Nötigungscharakter verlieren. Vielmehr sollen auch sexuelle Handlungen entgegen einer ausdrücklich wie indirekt erklärten Ablehnung strafbar sein, indem das Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit sowie der "erkennbar zum Ausdruck gebrachte entgegenstehende Wille" ins Gesetz aufgenommen werden.

Kartellrecht: Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, beklagt eine Hintertür im Kartellrecht, mit der Bußgelder für Preisabsprachen umgangen werden. Unternehmen würden dafür umstrukturiert und es genügten "einfache Konstruktionen rund um die Rechtsnachfolge". Die Umsetzung von EU-Recht, die das verhindern soll, liege noch beim Justizministerium. Die FAZ (Helmut Bünder) und die Welt (Michael Gassmann) berichten.

Mordparagraf: Zu Widerständen aus der Union über die Reformpläne zum Mordparagrafen aus dem Bundesjustizministerium hat die SZ (Joachim Käppner) den bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) im Interview. Bausback sieht keinen Bedarf zur Reform und spricht von einer Operation am "offenen Herzen des Strafrechts". Man solle nicht die Strafandrohung lebenslang relativieren, mit der der Rechtsstaat "das Tötungstabu absolut zur Geltung bringt".

Vorratsdatenspeicherung: Joachim Käppner (SZ) fordert in Sachen Vorratsdatenspeicherung eine Versachlichung der Debatte, statt "orwellsche Monsterdateien" zu befürchten: Bei der Kriminalitätsbekämpfung seien die Verbindungsdaten "erfahrungsgemäß oft sehr hilfreich", und nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 die Vorratsdatenspeicherung kippte, tue sich die deutsche Polizei schwerer als zuvor bei Taten, deren Tatmittel das Internet ist.

Justiz und Medienübertragung: Sind Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen erforderlich, da Urteile im Namen des Volkes ergehen? Oder ist die Öffentlichkeit im Gerichtsaal nicht doch abzugrenzen von der Medienöffentlichkeit? Über Für und Wider von Medienübertragungen debattieren die Rechtsanwälte Hendrik Wieduwilt und Lucie Gerhardt auf lto.de.

Erbschaftsteuer: Laut FAZ (Joachim Jahn) ist der vom Bundesverfassungsgericht festgelegte Stichtag zur Reform der Erbschaftsteuer (30. Juni 2016) wegen politischer Querelen zwischen CDU und SPD in Gefahr. Das Finanzministerium habe allerdings angegeben, die Reform kommende Woche "vom Kabinett auf den Weg bringen zu lassen".

Insolvenzrecht: Eine vier Jahre zurückliegende Reform habe den Missbrauch des Insolvenzrechts über "strategische Insolvenzen" ermöglicht; exemplarisch sei der Fall des Suhrkamp-Verlages. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über einen Vortrag entsprechenden Inhalts von Rechtsprofessor Karsten Schmidt.

Privatinsolvenz: Dem vor einem Jahr in Kraft getretenen neuen Insolvenzrecht für Verbraucher stellt das Handelsblatt (Katharina Schneider) kein gutes Zwischenzeugnis aus: Der schnelle Schuldenschnitt für Verbraucher (drei Jahre Wohlverhaltensphase) finde praktisch keine Anwendung.

Verfassungsschutzbericht: Innenminister de Mazière (CDU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Maaßen haben den Verfassungsschutzbericht 2014 vorgestellt. Danach sei die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stark gestiegen – Angriffe gegen Asylbewerberunterkünfte etwa von 55 im Jahr 2013 auf 170. Ferner gäbe es derzeit 7.500 Salafisten in Deutschland. Unter anderem die FAZ (Eckart Lohse) nennt Details.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Juli 2015: "Grexit" und das Recht – YouTube besiegt GEMA – Roben sind Pflicht . In: Legal Tribune Online, 01.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16047/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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