Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. März 2015: Kopftuch-Beschluss: Berichte und Meinungen – BVerfG wird Atomausstieg prüfen – Klage gegen Kik eingereicht

16.03.2015

Viel ist geschrieben worden über den am Freitag veröffentlichten Kopftuch-Beschluss des BVerfG. Außerdem in der Presseschau: Das BVerfG wird den Atomausstieg prüfen, Angehörige von Opfern bei Fabrikbrand in Pakistan haben Klage gegen Kik eingereicht, Lobbyverband VPRT reicht Beschwerde gegen Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ ein und Wikileaks-Gründer Julian Assange wird wohl doch in London befragt.

Thema des Tages

BVerfG zum Kopftuchverbot: Über den am Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Tragen von Kopftüchern an Schulen berichten jetzt auch die Samstags-FAZ (Reinhard Müller/Reiner Burger), lto.de (Pia Lorenz/Anne-Christine Herr) und die Samstags-Welt (ausführlicherer Onlinebeitrag). In dem Beschluss vom Januar hat das BVerfG ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen für grundgesetzwidrig erklärt; zwei Richter gaben ein abweichendes Sondervotum ab. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) spricht nach dem Kopftuch-Urteil im Jahr 2003 von einer Kehrtwende – "vielleicht nicht um 180, aber doch um 160 Grad". Weiter stellt sie in Aussicht: "Liest man den 56-Seiten-Beschluss genau, wird klar, dass etwa ein Protestzug besorgter Eltern kein Verbot rechtfertigen wird".

Heribert Prantl (Samstags-SZ) begrüßt die Entscheidung. Staatliche Neutralitätspflicht bedeute nicht, dass eine Lehrkraft ein Neutrum sein müsse. "Schule ist kein klinischer Raum; sie ist der Ort, an dem Gesellschaft eingeübt wird. Das Verfassungsgericht beteiligt sich an dieser Übung." Christian Rath (Badische Zeitung) meint: Das Kopftuch einer Lehrerin gehe gerade nicht auf eine staatliche Anordnung zurück, sondern sei Ausdruck ihrer Persönlichkeit. "Der Staat toleriert das Tuch nur", und "gerade in Schulen ist Toleranz doch ein wichtiges Erziehungsziel". Reinhard Müller (Samstags-FAZ) sieht hingegen die staatliche Neutralitätspflicht gefährdet. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit müsse man zwar besonders im Blick haben – die öffentliche Schule sei aber keine religiöse Erziehungsanstalt. Müller verweist in seiner Kritik auf den Kruzifix-Beschluss des BVerfG von 1995, in dem vom "appellativen Charakter" religiöser Symbole "ohne Ausweichmöglichkeit" die Rede war.

Die Samstags-taz (Christian Rath/Daniel Bax) hält wichtige Fragen und Antworten um die Entscheidung bereit. Bundesländer, die bisher auf Kopftuchregeln verzichten, hätten gute Erfahrungen gemacht, schreibt die Samstags-SZ (Roland Preuss). Juraprofessor Hans-Michael Heinig schließlich befasst sich auf verfassungsblog.de mit verfassungsdogmatischen Fragen zum Beschluss und ist überrascht, "wie unbefangen der 1. Senat nun über die Entscheidungsgründe des vor zwölf Jahren entscheidenden 2. Senats hinweggeht".

Kopftuchverbot für Mädchen: Im Zuge des Kopftuch-Beschlusses schlägt Uta Rasche (FAS) ein Kopftuchverbot für Mädchen in Schulen vor, die vor der Religionsmündigkeit (14 Jahre) stehen: Dürften religiöse Eltern Mädchen den Schwimmunterricht oder Klassenfahrten verbieten, würden künftig "Schülerinnen den Preis zahlen müssen für die Religionsfreiheit der Lehrerinnen".

Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung spricht sich Axel Spilcker (Focus) aus. Justizminister Heiko Maas (SPD) verschanze sich hinter der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, die das Thema seiner Meinung nach "quasi beerdigt" hätte. Dabei fordere der EuGH lediglich "richterliche Kontrollen, kürzere Speicherfristen und eine Datenabfrage nur bei schweren Straftaten" – und die seien machbar. Unterdessen berichtet die Montags-SZ (Christoph Hickmann), dass Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sich für die Wiedereinführung ausspricht.

Ersatzausweise für Terrorverdächtige: Kritik am von der Bundesregierung geplanten Ersatzausweis für Terrorverdächtige kommt jetzt auch von Rechtsprofessor Gerrit Hornung. Konkret besorgt Hornung "erhebliche Stigmatisierungen" und damit "verfassungsrechtlich bedenkliche Diskriminierungen". Er will am heutigen Montag dem Innenausschuss des Bundestages seine Kritik vortragen, meldet der Spiegel (wow).

Kleinanlegerschutz/Crowdfunding: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) stellt den Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutz und kritische Stimmen hierzu vor. Der Entwurf sieht etwa Mindestlaufzeiten von Vermögensanlagen, Prospektpflichten und Werbebeschränkungen vor – letztere bezeichnet Joachim Jahn (Samstags-FAZ) in einem gesonderten Kommentar als "symbolischen Aktionismus". Auch das Handelsblatt (Frank M. Drost) berichtet.

EU-Datenschutzverordnung: Die EU-Innen- und Justizminister der 28 Mitgliedstaaten haben sich am vergangenen Freitag darauf verständigt, die geplante EU-Datenschutzverordnung "in einem entscheidenden Punkt" abzuschwächen: Daten sollen künftig auch zu anderen Zwecken verarbeitet werden dürfen als für den, für den sie eigentlich erhoben wurden – wenn "berechtigte Interessen" die der Betroffenen überwiegen. Kritiker befürchten weniger Datenschutz für den Einzelnen, berichtet die Samstags-Welt (Andre Tauber).

WLAN-Haftung: Harsche Worte zum Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur WLAN-Haftung findet Rechtsprofessor Thomas Hoeren (blog.beck.de). Der Entwurf regele entgegen seinem Ziel die "radikale Verschärfung" der Haftung; die Regelung sei europarechtswidrig und "eine einzige Unverschämtheit".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. März 2015: Kopftuch-Beschluss: Berichte und Meinungen – BVerfG wird Atomausstieg prüfen – Klage gegen Kik eingereicht . In: Legal Tribune Online, 16.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14953/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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