Die juristische Presseschau vom 6. November 2014: GDL darf vielleicht – AfD soll nicht dürfen – Gauck durfte

06.11.2014

Seit heute früh bestreikt die Lokführergewerkschaft GDL den Personenverkehr – nicht um Löhne, sondern um Macht soll es gehen. Außerdem in der Presseschau: Der Goldhandel der AfD soll unterbunden werden, BFH hält steuerrechtliche Norm zur Erstausbildung für verfassungswidrig, Gauck durfte sich äußern und warum die "Ice Bucket Challenge" im OP-Saal gar nicht gut kommt.

Thema des Tages

Rechtmäßigkeit des GDL-Streiks: Seit Mittwochnachmittag wird der Güterverkehr bestreikt, seit Donnerstagfrüh der Personenverkehr. Doch bei dem Streik der Lokführergewerkschaft GDL geht es nicht um bessere Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne. Vielmehr will die GDL die Bahn dazu zwingen, mit der Gewerkschaft erstmals nicht nur über Lokführer, sondern auch über Zugbegleiter, Lokrangierführer oder Bordkellner zu verhandeln.

Heribert Prantl äußert in der SZ Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Streiks. Es handele sich um einen "Meta-Streik" mit dem Ziel, "der Konkurrenzgewerkschaft Mitglieder abzuwerben durch die Demonstration der eigenen Macht und des eigenen Machtwillens". Dieses Ziel sei im Streikrecht nicht vorgesehen. Prantl zitiert ein Urteil des Reichsarbeitsgericht aus dem Jahr 1930, nach dem ein Streik sittenwidrig sein könne, wenn er "allein der Geltendmachung des Machtwillens der Gewerkschaft dient". Da der Streik "ohne jeden Willen zum Kompromiss geführt" werde, stürze er in die Rechtswidrigkeit. Der Arbeitsrechtler Manfred Löwisch hält im taz-Interview (Wolfgang Mulke) den Streik hingegen für "gerade eben noch verhältnismäßig", weil die Mindestversorgung der Allgemeinheit mit öffentlichen Gütern noch gesichert sei.

Laut Handelsblatt (Frank Specht) hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Bahn aufgefordert, angesichts der von ihm monierten Unverhältnismäßigkeit des Streiks "alle Rechtsmittel auszuschöpfen". Die Bahn habe erklärt, ein Vorgehen zu prüfen, schätze die Erfolgsaussichten aber als gering ein. Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) kritisiert die Einmischung der Politik: Arbeitgeber und Gewerkschaften handelten Löhne und Konditionen aus, nicht die Regierenden. Dies sei schließlich gesetzlich so verankert.

Rechtspolitik

Goldhandel der AfD: Seit Kurzem steht die AfD wegen ihres Handels mit Gold in den Schlagzeilen. Jetzt wollen Politiker aus Koalition und Opposition per Gesetz den Goldhandel unterbinden, heißt es im Handelsblatt (Dietmar Neuerer). Zunächst werde aber geprüft, inwieweit das Vorgehen der AfD überhaupt zulässig ist. Kritisiert werde unter anderem, dass die AfD mit dem Goldgeschäft ihre Bilanz künstlich nach oben treibe, um parteienrechtlich verbriefte Staatszuschüsse zu erhöhen.

Steuertricks in der EU: Konzerne in der EU sollen ihre Gewinne künftig nicht mehr vor dem Fiskus verstecken können, indem sie diese an Konzerntöchter in Drittstaaten überweisen. So soll laut Handelsblatt (Ruth Berschens/Donata Riedel) eine Missbrauchsklausel in die sogenannte Mutter-Tochter-Richtlinie eingefügt werden. Die EU-Richtlinie soll gewährleisten, dass es nicht zur Doppelbesteuerung von Unternehmen kommt – lasse derzeit aber Raum zur Steuerumgehung. Zum Thema Steuertricks hat die SZ (Bastian Brinkmann u.a. – Kurzfassung) im Rahmen mehrerer Beiträge bislang geheime Unterlagen ausgewertet, denen zufolge sich zahlreiche Großkonzerne mit Hilfe der Luxemburgischen Regierung um Steuerzahlungen drücken.

Pkw-Maut und Datenschutz: Die aktuelle Diskussion um den Datenschutz in Sachen Pkw-Maut greift nun auch die Zeit (Christoph Drössner) auf. Für den Autor macht allein der vorgesehene Erstattungsanspruch die Datenspeicherung erforderlich. Und der sei unvermeidlich, weil die Maut aufgrund des EU-Rechts als allgemeine Gebühr ausgestaltet sein muss, die bei der Nutzung der Autobahnen anfällt.

Mehr Verantwortung der Konzerne: Die juristische Menschenrechtsorganisation ECCHR fordert laut taz (Hannes Koch) die Aufnahme von Sorgfaltspflichten von Firmen ins deutsche Zivilrecht. Es gehe darum, hiesigen Unternehmen mehr Verantwortung für ausländische Tochterfirmen und Zulieferbetriebe aufzuerlegen. Schadensersatzklagen wegen schlechter Produktionsbedingungen im Ausland hätten derzeit schlechte Aussichten – allein schon, weil Kläger keine Einsicht in Unterlagen der hiesigen Firmenzentralen haben.

Verschärfung der Antiterrorgesetze: Martin Klingst (Zeit) geht der Frage nach, ob angesichts 7.000 in Deutschland lebender radikalisierter Islamisten die Antiterrorgesetze verschärft werden müssen. Kritisch sieht Klingst den Entzug von Pässen oder der Staatsbürgerschaft sowie Konzepte, nach denen die Strafbarkeit "in bloße Ideen- und Planungsphasen" vorverlagert werden. Vielmehr sollten Ermittlungsbehörden besser ausgerüstet werden.

Selbstanzeige nach künftiger Verschärfung: Zur Möglichkeit der Selbstanzeige von Steuersündern befragt die taz (Christian Rath) den Steueranwalt Markus Füllsack. Füllsack verneint die Frage, ob angesichts geplanter Verschärfungen und höherer Strafzuschläge die Selbstanzeige künftig unattraktiver würde: Es gebe auch weiterhin viele Anlässe zur Selbstanzeige – etwa die Tatsache, dass Schweizer Banken deutschen Kunden ohne Steuernachweis das Konto kündigen. Doch je länger man warte, mit desto weniger Milde müsse man rechnen.

Grüne wollen Whistleblower-Schutz: Die Grünen haben einen Gesetzentwurf vorgestellt, nach dem Whistleblower Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung und arbeitsrechtlichen Sanktionen genießen sollen. Das meldet die SZ (jkr). Man hoffe angesichts des hohen öffentlichen Drucks, die Regierung zum Einlenken bewegen zu können.

Interview zum Völkerrecht: Angesichts neuer Krisen und Konflikte in der Welt äußert sich der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon zur Lage des Völkerrechts in einem ausführlichen Interview in der Zeit (Heinrich Wefing). Wer sich nicht an das Völkerrecht halte, könne in seinem Namen auch keine Kriege führen – so das Resümee.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. November 2014: GDL darf vielleicht – AfD soll nicht dürfen – Gauck durfte . In: Legal Tribune Online, 06.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13723/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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