Die juristische Presseschau vom 20. März 2013: "Dealen" verfassungsgemäß – Kachelmann-Berichterstattung rechtmäßig – "Terminator" stellt sich

20.03.2013

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Verfahrensabsprachen im Strafprozess stößt in der Tagespresse überwiegend auf Kritik. Außerdem in der Presseschau: der überarbeitete Gesetzenwurf für eine elektronische Bestandsdatenschnittstelle, das BGH-Urteil zur Medienberichterstattung im Kachelmann-Prozess und warum ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher sich freiwillig dem IStGH in Den Haag stellt.

BVerfG zum Deal im Strafverfahren: In einem Grundsatzurteil hat das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung zur Verständigung im Strafverfahren, den so genannten "Deal", für verfassungsgemäß erklärt, gleichzeitig aber ein erhebliches Vollzugsdefizit hinsichtlich Transparenz- und Dokumentationsregelungen bei "informellen Absprachen" in der Praxis bemängelt. Der Gesetzgeber sei deshalb in der Pflicht, die Praxis im Blick zu halten und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Ansonsten trete ein verfassungswidriger Zustand ein. Darüber hinaus habe das Gericht nach Darstellung der SZ (Wolfgang Janisch) einige "Sollbruchstellen" zur Kontrolle abgesprochener Urteile geschaffen: Verstöße gegen die Dokumentationsvorschriften sollen künftig genügen, um ein Urteil in der Revision zu kippen. Ausführlich über das Urteil berichten auch lto.de (Martin W. Huff/Pia Lorenz) und die taz (Christian Rath).

Die den Verfassungsbeschwerden zu Grunde liegenden Strafurteile hat das Gericht gleichwohl als verfassungswidrig aufgehoben. Eine Darstellung der konkreten Fälle und der jeweiligen Begründung findet sich in der FAZ (Helene Bubrowski).

Heribert Prantl (SZ) bezweifelt, dass die vom Gericht formulierten Grundsätze zu einer besseren Einhaltung der gesetzlichen Regelung führen, da erst einmal ein Prozessbeteiligter Revision einlegen müsse. Reinhard Müller (FAZ) meint, die Beobachtungspflicht des Gesetzgebers werde jedenfalls niemanden erzittern lassen. Christian Rath (taz) erkennt ein "harmloses" Urteil: Die Richter hätten für die informellen Absprachen zwar Ursachen benannt, aber keine Abhilfe gefordert. Auch für Urteile, die nach einem Deal zu milde ausfallen, sei Karlsruhe kein Kontrollmechanismus eingefallen. Aus Verteidigersicht meint Udo Vetter (lawblog.de) hingegen, die Verständigung habe nicht nur Schattenseiten, sondern ermögliche im Einzelfall auch, einen Angeklagten vor einem harten Urteil zu bewahren. Das Urteil sorge dafür, dass sich der Niedergang des guten alten Strafprozesses in geordneten Bahnen vollzieht, findet schließlich Christian Bommarius (FR).

Weitere Themen – Rechtspolitik

Mietrechtsrefom: Im Rahmen einer Themenwoche zur Mietrechtsreform 2013 befasst sich Rechtsprofessor Stefan Klinski auf lto.de mit der energetischen Sanierung von Wohngebäuden. Mit der Neuregelung, die unter anderem einen Ausschluss des Minderungsrechts des Mieters für die ersten drei Monate bei einer energetischen Sanierungsmaßnahme vorsieht, seien die Probleme allerdings noch nicht gelöst. Potential für künftige Reformbestrebungen gebe es vor allem in einem weiteren Zusammenwirken von Energie- und Mietrecht, beispielsweise indem man den Duldungsanspruch des Vermieters für Sanierungsmaßnahmen entfallen ließe, wenn er die Energieeinsparverordnung nicht einhält.

Managergehälter: Das Bundesjustizministerium hat einen Entwurf für ein neues Aktienrecht ausgearbeitet, wonach künftig nach Schweizer Vorbild die Anteilseigner eines Unternehmens und nicht mehr der Aufsichtsrat über die Höhe der Vorstandsbezüge entscheiden sollen. Einzelheiten über die geplante Neufassung von § 120 des Aktiengesetzes finden sich in der Welt (Jochen Gaugele/Dorothea Siems).

Elektronische Bestandsdaten-Schnittstelle: Nach Berichten von netzpolitik.org (Andre Beister) und spiegel.de haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD auf einen entschärften Gesetzentwurf zur Schaffung einer digitalen Schnittstelle für Bestandsdaten geeinigt. An diese Schnittstelle sollen die Telekommunikationsfirmen Daten über Inhaber von Telefonnummern, IP-Adressen sowie Passwörter übermitteln, auf die dann Behörden auch zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zugreifen können. Die entschärfte Version sehe etwa für bestimmte Daten nunmehr einen Richtervorbehalt vor. Der Bundesdatenschutzbeauftragte wie auch der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung haben den neuen Entwurf als verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert.

NPD-Verbotsantrag: Nachdem die FDP-Minister einen eigenen NPD-Verbotsantrag der Regierung gekippt haben, spricht sich der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn nach Berichten der taz (Stefan Reinecke/Paul Wrusch)
nunmehr dafür aus, dass auch die Länder den Weg nach Karlsruhe noch einmal überdenken. Anders als mit dem Beginn des Wahlkampfes könne man das Agieren in Sachen NPD-Verbotsverfahren nicht verstehen, meint Stefan Reinecke (taz).

Corporate Governance Kodex: Der Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance, Klaus-Peter Müller, legt laut FAZ (Joachim Jahn) nach fünf Jahren sein Amt nieder. Aus diesem Anlass nimmt Joachim Jahn (FAZ) eine nüchterne Betrachtung des Corporate Governance Kodex vor: Wo es wirklich wichtig wurde, oder auch nur die Volksseele kochte, hätten die Volksvertreter stets den "Selbstregulierern das Zepter aus der Hand genommen". Was bleibe, seien eher technische Regeln zur Unternehmensführung.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. März 2013: "Dealen" verfassungsgemäß – Kachelmann-Berichterstattung rechtmäßig – "Terminator" stellt sich . In: Legal Tribune Online, 20.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8365/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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