Die juristische Presseschau vom 2. Oktober 2014: Gesetzentwurf zu Mietpreisbremse – BVerfG zu Doktorwürde – Hamburger Transparenzportal

02.10.2014

Seit Mittwoch steht nun fest, was die Bundesregierung in ihren Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse aufgenommen hat. Außerdem in der Presseschau: Der Gesetzentwurf zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes ist populistisch und am Thema vorbei, weniger als das menschenwürdige Existenzminimum ist nicht menschenwürdig, Null-Prozent-Finanzierung ist kein Verbraucherdarlehen und wie Google am längeren Hebel zieht.

Thema des Tages

Mietpreisbremse: Am Mittwoch hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse beschlossen. Danach darf die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent überschritten werden. Das gilt jedoch nicht für Neubauten sowie für umfassend modernisierte Wohnungen, bei Letzteren jedoch nur für Erstbezieher. Anwendung findet die Mietpreisbremse dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, die Bereiche sind von den Ländern festzulegen. Für Makler soll das Prinzip gelten: wer bestellt, der bezahlt. Streitanfällig ist die Frage nach der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete, wie auch der unbestimmte Begriff des "angespannten" Wohnungsmarktes. Die Vergleichsmiete orientiert sich am Mietspiegel, der ohne allgemeine Standards regelmäßig kaum Vergleichbares zusammenfasst, so er denn überhaupt existiert. Gegen die Makler-Regelung wurde bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt. Sie schränke die Makler zu stark in ihrer Berufsausübung ein. Es berichten unter anderem lto.de, das Handelsblatt (Christian Hunziker) und die FAZ (Michael Psotta).

Reiner Reichel (handelsblatt) meint, die Eigentümer hätten wenig zu befürchten. Bei angespannter Wohnungslage werde in der Regel bezahlt, was verlangt werde. Die Mieter seien weiter in der schlechteren Position, sie müssten im Zweifel beweisen, dass ihre Wohnung zu teuer ist. Die ungenauen Mietspiegel ermöglichten es den Vermietern stets zu behaupten, ihre Wohnung sei besser als der Schnitt der Vergleichsmenge.

Rechtspolitik

Freizügigkeit und "Armutsmigration": Die Rechtswissenschaftlerinnen Hanna Tewocht und Gabriele Buchholtz setzen sich auf juwiss.de mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. August zur Änderung des Freizügigkeitsgesetz/EU auseinander. Die Autorinen kritisieren die mangelnde Faktengrundlage und halten die geplanten Änderungen für kaum praktisch relevant, sich tatsächlich stellende Fragen wie etwa die "Aussicht auf Erfolg" der Arbeitssuche würden nicht geklärt und jedenfalls die geplante Strafvorschrift sei unionsrechtswidrig. Abweichend von diesem populistischen Änderungsentwurf sei Integration zu fördern und die Willkommens- und Anerkennungskultur zu stärken, wie es der Koalitionsvertrag vorsehe.

Reform des Sexualstrafrechts: Die Zeit (Jonas Rosenbrück/Heinrich Wefing) beschäftigt sich mit der Reform des Sexualstrafrechts. Die bisherige Debatte wird nachgezeichnet und die verschiedenen Positionen dargestellt. Abschließend wird auf die Veränderung von "Nein heißt Nein" zu "Nur Ja heißt Ja" in der kürzlich erlassenen kalifornischen Regelung zu sexuellen Übergriffen an Universitäten hingewiesen, die die Grauzone zwischen Ja und Nein nun zu Lasten des (möglichen) Täters auslege. Es wird die Frage nach der Aufgabe des Strafrechts gestellt – bewusstseinsbildendes Instrument? Opferschutz? Schutz Verdächtiger? – und darauf hingewiesen, dass auch die Regierung letztlich einen Gesetzentwurf beschloss, der offen lässt, ob hinsichtlich der Istanbul-Konvention doch noch Veränderungen erforderlich sind.

Inzestverbot und Ethikrat: Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz äußert sich in der FAZ zum Inzestverbot und der Reaktion auf das kritische Votum des Ethikrates. Dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot letztlich gebilligt haben, enthebe den Gesetzgeber nicht seiner Verantwortung. Gerade auf althergebrachten Moralvorstellungen beruhende Regelungen bedürften einer Überprüfung und plausibler Begründung. Die Argumente für das Inzestverbot überzeugen den Autor nicht, aber die Entscheidung sei eben dem Gesetzgeber überlassen. Bei dieser Entscheidung könne der vom Bundestag für diese Aufgabe eingesetzte Ethikrat unterstützen und ihn für ein kritisches Votum anzugreifen sei unaufrichtig. Aber auch die Wissenschaft könne diese kritische Stimme bieten, also: "Wozu brauchen wir einen Ethikrat?".

Hartz IV-Sanktionen: Arndt Pollmann vertritt in der Zeit die Ansicht, dass Sanktionen nach dem Sozialgesetzbuch verfassungswidrig seien. Abzüge von finanzieller Unterstützung, die ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren sollen, senkten diese unter die Grenze des menschenwürdigen oder könnten sie gar auf Null reduzieren. Pollmann meint, schon das "menschenwürdige Existenzminimum" sei eine fragwürdige Konstruktion, da menschenwürdig eben nicht nur die Existenz als Überleben sei. Vergfassungskonforme Sanktionen durch Geldabzug setzten eine signifikante Erhöhung des Regelsatzes voraus. Er schlägt "positive Sanktionen" durch Belohnung von gelungener Kooperation vor.

Terror-Tourismus-Resolution: Rechtsprofessor Kai Ambos kritisiert in der FAZ die UN-Resolution 2178. Terrorismus sei nicht definiert. Das hätte mit Bezugnahme auf die bestehende Resolution 1566 erreicht werden können und ist gefährlich, weil es die scheinbar UN-rechtlich abgesegnete Unterdrückung innerstaatlicher Opposition ermögliche. Auch bleibe ungeklärt wie eine terroristische Absicht bei Aus- oder Einreise erkennbar sein soll. Das leiste Diskriminierung Vorschub. Ebenso sei unklar, wer nach welchen Kriterien über die Fluggastdatenübermittlung entscheide. Die deutschen strafrechtlichen Regeln seien jedenfalls ausreichend. Weitergehende Verbote einer Ausreise mit bestimmter Absicht seien wohl verfassungswidrig.

Dschihaddistenstempel? Am heutigen Donnerstag will sich Innenminister Thomas de Maizière zu seinen Plänen zur Kontrolle der Aus- und Einreise deutscher Dschihaddisten äußern, berichtet die FAZ (ahan/elo). Experten kritisieren den möglichen Plan einer Markierung von Pass oder Personalausweis als zu tiefen und nicht notwendigen Eingriff mit Stigmatisierungswirkung. Daten bei den Kontrollstellen zu hinterlegen sei gleichermaßen effektiv. An anderer Stelle weist die FAZ (Eckart Lohse) auf die bereits bestehende Möglichkeit des Passentzuges hin. Auch die Überlegungen zum Verlust der Staatsangehörigkeit und deren Grenzen werden dargestellt sowie die wohl favorisierte Lösung des Austausches von Personalausweis und Pass gegen ein Identifizierungsdokument was keinen Grenzübertritt ermöglicht.

Geregelte Immigration: Das Handelsblatt (Jan Dirk Hebermann und andere) setzt sich mit den Problemen des Flüchtlingszustroms nach Europa auseinander und den dazu diskutierten Lösungen. Ob nun der Vorschlag zu bestimmende Kontingente auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu verteilen oder Überlegungen zur Einbeziehung von Unternehmen und Bildungseinrichtungen in eine langfristige Flüchtlingspolitik, einig sind sich alle, dass es langfristig und geordnet zugehen muss.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Oktober 2014: Gesetzentwurf zu Mietpreisbremse – BVerfG zu Doktorwürde – Hamburger Transparenzportal . In: Legal Tribune Online, 02.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13372/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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