Verurteilung wegen Salzhemmendorf-Anschlag, Gericht sieht rechte Gesinnung. Außerdem in der Presseschau: Die Zeugin hat den Schleier selbst abgenommen, Teile des AfD-Programms stehen zum Grundgesetz in Widerspruch und polizeiliche Hilfe.
Thema des Tages
LG Hannover zu Salzhemmendorf-Anschlag: Im Prozess um den Anschlag mit einem Molotow-Cocktail auf eine Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf hat das Landgericht Hannover die Hauptangeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung und versuchtem Mordzu acht und sieben Jahren Haft verurteilt. Die Angeklagte, die sie zum Tatort fuhr, verurteilte das Gericht zu viereinhalb Jahren Haft – mehr als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Das Gericht kritisierte die Versuche, die Tat auf Alkoholisierung zu schieben, scharf. Die Tat sei aus nationalsozialistisch rassistischer Gesinnung heraus begangen worden und "nichts anderes als gemeiner Terrorismus", sagte der Richter. Es berichten spiegel.de (Julia Jüttner), SZ (Annette Ramelsberger) und taz (Andreas Speit).
Ramelsberger (SZ) sieht in dem Urteil ein Beispiel dafür, dass die Justiz beginne, rechte Taten als solche zu identifizieren und entsprechend zu behandeln. Zu lange habe die Justiz sich hier nicht verantwortlich gefühlt. Aber auch wenn sie das Problem nicht allein beheben könne, müsse sie eine "Brandmauer einziehen gegen ein Feuer, das seit Jahren schwelt und das nun offen lodert".
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Rechtsprofessorin Monika Frommel kritisiert auf lto.de den Kabinettentwurf zum Sexualstrafrecht. Aufgrund einer erbittert geführten Debatte wolle man Schutzlücken schließen, die bei konventionskonformer Auslegung des geltenden Rechts gar nicht vorlägen. Im Ergebnis schaffe man also neue Unwägbarkeiten in der Auslegung ohne gegenüber dem bestehenden Recht wirklich etwas zu ändern.
Geldwäsche: Der Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Änderung der Regelung des Verfalls soll laut HBl (Frank M. Drost) eine Beweislastumkehr enthalten, nach der Betroffene künftig den legalen Erwerb des Vermögens nachweisen müssten. Die erleichterte Vermögensabschöpfung soll der Bekämpfung von Geldwäsche dienen. Strafverteidiger kritisieren den Entwurf scharf.
Justizgipfel: Nach dem Treffen der Justizminister am gestrigen Donnerstag sprach Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit der taz (Konrad Litschko). Zu den besprochenen Plänen gehören bessere Vernetzung der Staatsanwaltschaften, verbesserter Datenaustausch und Sensibilisierung von Richtern durch Fortbildung, schreibt die SZ (Stefan Braun).
Manipulierte Kasse: Das Finanzministerium legt heute den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit manipulierten Kassen vor. Bis 2019 sollen alle Registrierkassen auf ein fälschungssicheres System umgestellt werden, das das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik entwickeln soll. Es berichten SZ (Cerstin Gammelin), spiegel.de (David Böcking) und Welt (Martin Greive).
Justiz
EGMR zu Presse und Persönlichkeitsrecht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage der Kinder Oliver Kahns abgewiesen. Entgegen der klägerischen Behauptung sei neben den verhängten Geldbußen eine persönliche Entschädigung zur Verhinderung von Bildveröffentlichungen nicht unbedingt erforderlich, sodass Deutschland daher nicht gegen Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen habe. Dazu schreibt Rechtsanwalt Dr. Christian Mensching auf lto.de.
BVerfG – Atomausstieg: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert die Klage von Atomkonzernen vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie sei rational, aber anmaßend. "Atomkraft war von Anfang an ein Deal mit dem Risiko, eine Rechnung mit Unbekannten" und ein Umschwenken in der Politik von allen Faktoren der berechenbarste. "Worauf sollen die Konzerne denn vertraut haben, wenn sie nicht einmal ihrem eigenen Geschäft vertrauen konnten?"
BAG zu Frühverrentung: Daimler bot seinen Führungskräften an, ihren Arbeitsvertrag bis zum Ende ihres sechzigsten Lebensjahres zu befristen und dann gegen Entschädigungszahlung vorzeitig in Rente zu gehen. Einer, der das Angebot annahm, überlegte es sich später anders und klagte, als Daimler auf seinem Ausscheiden bestand. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass keine Diskriminierung vorlag, weil er lediglich eine zusätzliche Möglichkeit erhalten habe, für die er sich frei entscheiden konnte, berichtet die BadZ (Christian Rath).
BAG zu § 167 ZPO: Auf Ausschlussfristen, die durch bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, ist § 167 Zivilprozessordnung nicht anwendbar, entschied das Bundesarbeitsgericht laut lto.de. Wenn der Arbeitnehmer für eine Fristeinhaltung also nicht auf die Zustellung durch das Gericht angewiesen ist, sondern den entsprechenden Anspruch selbst schriftlich geltend machen kann, ist der Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Gegner, nicht beim Gericht, maßgeblich.
OLG München zu Ex-BND-Mann: Weil er jahrelang für die CIA arbeitete und sich dann dem russischen Geheimdienst andiente, verurteilte das Oberlandesgericht einen ehemaligen BND-Mitarbeiter zu acht Jahren Haft wegen Landesverrats und Verletzung von Dienstgeheimnissen, berichten SZ (Hans Holzhaider), lto.de und spiegel.de.
OLG München – NSU: Die Aussage einer BKA-Beamtin, die Angaben Zschäpes widerlegen sollte, war nicht so ergiebig wie erwartet. Wohllebens Anwälte haben Abtrennung, Aussetzung und Neubeginn des Verfahrens gegen ihren Mandanten beantragt, berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
FG R-P zu Esstisch als Arbeitstisch: Dass der Kläger seinen Esstisch auch zum Arbeiten nutzte, führte vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz nicht zu seiner steuerlichen Absetzbarkeit. Der Tisch diene der Einrichtung eines privaten Raumes und sei nicht gleichermaßen für private wie unternehmerische Nutzung geeignet und bestimmt. Auch während der Zeit, die der Tisch ungenutzt als Einrichtung im Esszimmer stehe, diene er einem privaten Zweck, womit die Zeit unternehmerischer Nutzung unter den erforderlichen zehn Prozent lag, meldet lto.de.
LG München und verschleierte Zeugin: Nach eindrücklicher Ermahnung des Gerichts und Verweis auf das Gutachten eines Islamgelehrten hat die aus religiösen Gründen vollverschleierte Zeugin vor dem Landgericht München ihr Gesicht bei ihrer Aussage der Richterin gezeigt, berichtet die Welt (Beatrice Ossberger/Christian Böhm). Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) erläutert, dass Richter die Abnahme des Gesichtsschleiers erzwingen können, es aber nicht müssen.
LG Wuppertal zu Abnehm-Therapie als Dienst höherer Art: Wenn Ärzte und Ernährungsberater eine Abnehm-Therapie begleiten, ist sie ein Dienst höherer Art, der wegen der besonderen Vertrauensstellung zur fristlosen Kündigung nach § 627 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch berechtigt, entschied das Landgericht Wuppertal. Die Revision ist zugelassen, meldet lto.de.
StA Berlin – Volker Beck: Nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin ihre Mitteilung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens an den Bundestagspräsidenten nachgebessert hat, darf sie mit Ermittlungen gegen den Abgeordneten Volker Beck (Grüne) beginnen, meldet lto.de. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) erläutert, warum Beck kaum mit strafrechtlicher Härte rechnen muss.
LG München I – Deutsche Bank-Prozess: Nach der Osterpause sollen Anklage und Verteidigung im Prozess gegen Deutsche Bank-Manager wegen versuchten Prozessbetrugs ihre Plädoyers halten. Der Prozess könnte ein Jahr nach seinem Beginn enden, meldet die SZ (Stefan Radomsky). Beobachter bezweifeln, dass es zu einer Verurteilung kommt.
Recht in der Welt
GB – Assange: Wird das nicht bindende UN-Gutachten, dass Assanges Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft als willkürliche Inhaftierung betrachtet, Assange den Weg in die Freiheit ebnen? Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katrin Kappler prognostiziert auf juwiss.de, dass mit baldiger Freiheit Assanges nicht zu rechnen sei.
Brasilien – Lula da Silva: Eine Stunde nach Amtseinführung als Ministerpräsident lehnte ein brasilianischer Bundesrichter in einer vorläufigen Entscheidung die Ernennung von Ex-Präsident Lula da Silva ab. Wegen der gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen könne seine Nominierung in die Arbeit der Ermittlungsbehörden eingreifen. Das meldet spiegel.de.
Sonstiges
AfD-Parteiprogramm: Rechtsprofessor Joachim Wieland zeigt auf lto.de Widersprüche zwischen dem AfD-Parteiprogramm-Entwurf und Grundgesetz auf: Abschaffung von Berufungs- und Revisionsinstanz, keine Sozialleistungen für "selbstgewählte" Alleinerziehende und Unterbringung von psychisch kranken Straftätern in der Sicherungsverwahrung statt psychiatrischer Krankenhäuser.
Das Letzte zum Schluss
Freund und Helfer: In Landshut hat eine Frau die Polizei gerufen, weil ihre siebenjährige Tochter nicht ins Bett wollte, sie beleidigte und mit Gegenständen nach ihr warf. Die Beamten konnten sie beruhigen und nach einer "freiwilligen Zahnreinigung unter amtlicher Aufsicht" sei das Mädchen anstandslos ins Bett gegangen, meldet focus.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. März 2016: Anschlag aus rechter Gesinnung / Entschleierte Zeugin / AfD-Programm und GG . In: Legal Tribune Online, 18.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18832/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag